Wien: Reste der Biberbastei entdeckt

josef

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Reste der Biberbastei aus dem 16. Jahrhundert in Wien entdeckt
Bei der Errichtung der neuen Fernkältezentrale in Wien kamen Reste einer 500 Jahre alten Mauer zum Vorschein. Vermutlich werden sie nicht die einzigen historischen Entdeckungen bleiben
Mühevoll arbeitete sich der Hydraulikhammer durch das alte Mauerwerk in der Künette am Wiener Franz-Josefs-Kai bei der Einmündung der Dominikanerbastei. Denn der Mörtel war hart wie Beton. Kaum zu glauben, dass diese stabile Mauer aus Bruchsteinen und Ziegeln fast 500 Jahre alt ist. Kurz zuvor waren hier noch Archäologen am Werk gewesen. Sie reinigten, fotografierten und vermaßen das Stück Mauer, bevor es der Zerstörung preisgegeben werden musste.


Blick in die Künette mit einem Mauerrest der Biberbastei am Franz-Josefs-Kai, Jänner 2020
Foto: Novetus

An seiner Stelle liegen nun neue Rohrleitungen, denn derzeit wird an einer neuen Fernkältezentrale im Auftrag von Wien Energie im ersten Wiener Gemeindebezirk unter der Alten Post gebaut. Das dafür nötige Kühlwasser soll aus dem Donaukanal östlich der Schwedenbrücke entnommen und durch große Rohre in die Kältemaschine in der Alten Post geleitet werden. Diese Fernkälteleitung wird 2021 in Betrieb gehen und zahlreiche Gebäude in der Innenstadt versorgen. Sie ist deutlich energieeffizienter und umweltfreundlicher als herkömmliche Klimaanlagen.


Verlauf der Basteimauer in der Künette am Franz-Josefs-Kai, Blick nach Westen.
Foto: Novetus

Doch das hat seinen Preis: Für die Verlegung der Rohre werden breite und tiefe Künetten angelegt. Die am Franz-Josefs-Kai beginnende Trasse erstreckt sich in südlicher Richtung über die Dominikanerbastei, biegt nach Osten in die Rosenbursenstraße ein und setzt sich über den Stubenring und Parkring nach Süden fort. Dort verläuft sie über die Liebenberggasse nach Westen stadteinwärts bis zur Stubenbastei und der Jakobergasse. Wahrscheinlich kommt es zu weiteren Entdeckungen stadthistorischer Überreste. Die Stadtarchäologie Wien beobachtet in Zusammenarbeit mit der Grabungsfirma Novetus die Bauarbeiten und wird dabei fachgerecht die Spuren und Relikte vor und während des Bodenabtrags dokumentieren.


Die Stadtbefestigung des 18. Jahrhunderts und der Verlauf der Fernkältetrasse (hellgrün).
Foto: Martin Mosser

Bastion und Wall: Wien als Festungsstadt
Gleich zu Beginn der Aushubarbeiten am Franz-Josefs-Kai kam die stabile Mauer zum Vorschein. Aufgrund von historischen Plänen war klar, dass es sich dabei um die Außenmauer der Biberbastion handelte. Bastionen, in Wien von Beginn an auch Basteien genannt, waren wichtige Bestandteile der Festungsanlage, die Wien bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts umgeben hat. Sie sind vor den Festungswall springende, fünfeckige massive Bauwerke, die der Flankierung der anschließenden Teile der Befestigung dienten und auf denen Kanonen für die Verteidigung des Vorfelds aufgestellt werden konnten. Seit dem 18. Jahrhundert wurde quasi die gesamte Festung, insbesondere aber der die Bastionen verbindende Festungswall als Bastei bezeichnet. Dies spiegelt sich in der Bezeichnung heutiger Straßennamen wie Mölker Bastei oder Dominikanerbastei wider. Die sogenannte Biberbastei, deren Reste nun entdeckt wurden, entstand an der Einmündung des Wienflusses in den stadtnahen Donauarm.

Nach der überstandenen Ersten Belagerung durch die Osmanen unter Sultan Süleiman I. im Jahr 1529 entschied sich Ferdinand I. von Habsburg, Wien zu einer Festung auszugestalten. Die aus dem Mittelalter stammende Stadtbefestigung bot keinen ausreichenden Schutz mehr gegen die moderne Kriegstechnik wie das Minieren oder den Einsatz von Artillerie. Das sogenannte Bastionärsystem, bei dem durch systematische Anordnung von Bastionen zwischen breiten Wällen das Vorfeld und vor allem die Tore bestmöglich zu verteidigen sein sollten, wurde die Grundlage für die teure Umgestaltung Wiens zu einer Festungsstadt.

Stadtmauer des Mittelalters
Dort, wo derzeit Bauarbeiten und archäologische Ausgrabungen stattfinden, bildete die Stadtbefestigung im Mittelalter im Bereich der Dominikanerbastei 19/Postgasse 18 eine Ecke, in deren Nähe ein 1276 erstmals porta Pybronis genannter, in die Stadtmauer eingebundener Torturm stand. Seine letzten Reste sollen bei Demolierungsarbeiten am 23. April 1864 abgetragen worden sein. Die Lage der mittelalterlichen Stadtmauer ist zwar anhand historischer Pläne nachvollziehbar, ihre exakte Verortung jedoch nur durch archäologisch nachgewiesene Überreste möglich. Denn heute ist oberirdisch nichts von ihr erhalten.

Bau der Biberbastei
In dieser Stadtmauerecke wurde schon während der Belagerung im Jahr 1529 eine große Plattform für das Aufstellen von Geschütz errichtet. Sie blieb offenbar noch eine Weile erhalten, denn sie ist auf Ansichten und Plänen des 16. Jahrhunderts erkennbar. Einfach gestaltete sich die Errichtung der Biberbastei jedenfalls nicht. Die Arbeiten und deren Kosten listeten die Oberstadtkämmerer Sebastian Schrantz und Stefan Denckh in ihren Büchern auf, denn die Stadt war für den Ausbau der Wienflussseite verantwortlich. 1536 begannen die Arbeiten der Baugrube für die Bastei beim Biberturm und den rundum befindlichen Graben. Die Tätigkeiten wurden in den folgenden Jahren fortgesetzt. Der starke und häufige Regen ließ den Wasserstand steigen, sodass fortwährend das Wasser aus der Grube geschöpft werden musste, und das vorwiegend von Hand. Es entstand eine ummauerte viereckige Bastei vor der eigentlichen Stadtmauer, die in der Ansicht von Augustin Hirschvogel von 1547 wiedergegeben ist.


Augustin Hirschvogel. Ausschnitt mit der Biberbastei aus der Ansicht der Stadt Wien von Norden, 1547 (1569).
Foto: Peter und Birgit Kainz / Wien Museum

Lange sollte dieser Bau nicht bestehen bleiben. An seine Stelle trat eine größere Bastion nach italienischem Vorbild mit eingezogenen Flankenhöfen und unterirdischen Räumlichkeiten, sogenannte Kasematten. Die Bautätigkeiten unter der Leitung des kaiserlichen Bausuperintendenten Thomas Eiseler dauerten von 1561 bis 1563. Auch dieses Mal erwiesen sich die Fundamentierungsarbeiten aufgrund des hohen Grundwasserspiegels als aufwendig. Wieder musste ständig Wasser geschöpft werden. Die Auswirkungen der ersten extremen Phase der Kleinen Eiszeit waren in diesen Jahren schon deutlich zu spüren. Überschwemmungen und Eisstöße erschwerten und verzögerten die Arbeiten. Zur Verfestigung des Untergrunds setzte man in dichten Abständen Holzpfähle.

Plan des Baufortschritts an der Biberbastei. Fertiges Mauerwerk in roter Farbe, Holzpfähle auf der rechten Seite mit kleinen Kreisen angedeutet. Kopie von Albert Camesina 1879. (Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, Pläne und Karten: Sammelbestand P1.220/2)
Foto: Wiener Stadt- und Landesarchiv

Biberbastei und Kaserne
Schließlich gelang die Errichtung der Bastei, wie wir es nun durch die Überreste am Franz-Josefs-Kai auch archäologisch bestätigen konnten. Sie bestand aus einem festen Bruchsteinmauerwerk, dem in späterer Zeit noch einmal eine Ziegelschale vorgesetzt wurde. Eine größere Umgestaltung erfuhr diese Ecke durch die Errichtung der Franz-Joseph-Kaserne. Diese wurde am 1. Mai 1858 feierlich im Beisein des Kaisers eröffnet, während die Schleifung der Stadtbefestigung bereits im Gange war. Dafür wurde der südliche Teil der Biberbastion aufgegeben, während der am Kai gelegene Abschnitt noch ein paar Jahre erhalten blieb. 42 Jahre später wurde auch die Kaserne abgebrochen und das freigewordene Areal bebaut. Ein Foto aus dem Jahr 1858 zeigt noch Abschnitte der Biberbastion vor ihrer Demolierung mit der Franz-Joseph-Kaserne im Hintergrund.


Biberbastei und Franz-Joseph-Kaserne in einem Foto der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, 1858. Blick nach Südosten (Wien-Museum, Inv. Nr. 55498/3)
Foto: Wien Museum

Man kann gespannt sein, was im Laufe des nächsten Jahres im Umfeld der Dominikanerbastei noch alles zutage treten wird. Die Kartierung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtbefestigung ist jetzt auch im "Wien Kulturgut" unter dem Layer Stadtarchäologie verfügbar. Falls Sie zufällig vorbeikommen, werfen Sie doch mal einen Blick in die Künette, vielleicht können Sie Reste der Bastion oder andere Zeugnisse der Wiener Stadtgeschichte entdecken.
(Heike Krause, Michaela Binder, 28.2.2020)

Heike Krause ist seit 1998 Mitarbeiterin der Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie mit Schwerpunkt Archäologie und Stadtgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Sie hat an zahlreichen Ausgrabungen im Bereich der Wiener Stadtbefestigung teilgenommen und die Ergebnisse publiziert.
Michaela Binder ist als Archäologin und Anthropologin für die Grabungsfirma Novetus in Wien tätig. Sie ist zuständig für Grabungsprojekte, Forschung und Vermittlung.


Links
Stadtarchäologie Wien
Wien Energie Fernkältezentrale Stubenring
Wien Geschichte Wiki, Stichwort Bastei

Buch über Wien als Festungsstadt im 16. Jahrhundert

Reste der Biberbastei aus dem 16. Jahrhundert in Wien entdeckt - derStandard.at
 
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