josef

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#1
Die 1842 gegründete "Wiener Neustädter Lokomotivfabrik" entwickelte sich zur größten Lokfabrik der K.u.k Monarchie.

Nach Zerfall der Monarchie in mehrere Nachfolgestaaten brach der Markt ein und von den ursprünglich mehrere Tausend Arbeiter umfassenden Belegschaft wurden nur einige Hundert weiter beschäftigt. Nach mehrmaligen Besitzerwechsel übernahm nach dem Anschluss 1938 der deutsche "Henschel-Konzern" das Werk und es wurde unter dem Decknamen "Rax-Werke Ges.m.b.H." verstärkt in die Rüstungsaktivitäten des Nazi-Regimes eingebunden, was auch zur Errichtung eines KZ-Außenlagers von Mauthausen führte. Die Objekte und Anlagen wurden durch die Bombenangriffe schwer beschädigt.

Nach Kriegsende wurde wieder auf Friedensproduktion umgestellt (-> hauptsächlich Reparatur und Neuanfertigung von Kesselwagen). Durch die Lage der Rax-Werke in der sowjetischen Besatzungszone kamen sie unter sowjetische "USIA-Verwaltung", liefen dann nach dem Staatsvertrag 1955 als selbständiger Betrieb weiter und wurden 1958 der "Simmering-Graz-Pauker AG" (SGP) angeschlossen.

1966 wurde das Werk geschlossen. Heute erinnert noch die "Serbenhalle" (-> derzeitige Nutzung als Lagerhalle...) an die Rax-Werke und das denkmalgeschützte Portal des Einfahrtstores der alten Lokfabrik an die vergangenen Zeiten...

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Werkseingang um 1900 mit dem heute noch erhaltenen Torportal

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Die größte und stärkste jemals in WN gebaute Dampflokomotive BBÖ 114.01 (DR u. ÖBB 12.101 (1929) blieb ein Einzelstück. Sie unterlag der BBÖ Reihe 214 (DR u. ÖBB 12) der "Floridsdorfer Lokomotivfabrik", die in einer kleinen Serie gebaut wurde.

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Die Rax-Werke auf einem Ausschnitt eines US-Aufklärungslubi v. 24.05.1944: Gut zu erkennen ist die 300 m lange "Serbenhalle"

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Beispiel für die Rüstungsfertigung: Segment eines "Marine-Artillerie-Leichters" (-> MAL) bei der Montage in der Serbenhalle. Die Segmente der 4 Stk. bei den Rax-Werken gebauten MAL wurden in Wien und Korneuburg zusammengebaut.
(Das Foto stammt nicht aus der "NÖ.Landesausstellung/Stadtmuseum WN" sondern aus dem ´"Industrieviertel-Museum" WN - Besuch 2008)

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Die "Serbenhalle" als letzter Rest des einstigen "Rax-Werkes"...
 

josef

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#2
Weitere Fotos von der "NÖ. Landesausstellung - Stadtmuseum St.Peter an der Sperr" zur Lokomotivfabrik WN:
Teil 1:


1. Bild der Lokfabrik nach 1861 (Baujahr des hier schon sichtbaren Torportales)
2. Die erste Lok aus WN - 1842
3. Lokschild aus 1879
4. - 7. Kolorierte Bildserie zur Lokfabrik
8. Schmiede um 1910
9. Lokmontagehalle
10. Werkshof der Lokfabrik...
 

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josef

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#3
Weitere Fotos von der "NÖ. Landesausstellung - Stadtmuseum St.Peter an der Sperr" zur Lokomotivfabrik WN:
Teil 2:


11. "Kesselnieter" um 1900
12. Prototyp der 3-Zylinder Schnellzugdampflok 114.01
13. Vitrinenmodell der 114.01
14. Feuerbüchse mit Kessel einer Dampflok am Werkshof
15. Eine lt. Schild 1930 fertiggestellte Lok mit "Satteltank" (-> Wasserbehälter über dem Langkessel...)
16. Kriegszeit: US-Aufklärerlubi v. 24.05.1944 (vergr. Ausschnitt siehe 3. Bild # 1.)
17. Nach Einstellung der projektierten A-4 (V-2) Raketenfertigung war der Serienbau von Wannen- und Rahmentendern für die Kriegslokomotiven der Reihen 42 und 52 die Hauptaufgabe des Rax-Werkes.
18. Luftbild aus den 1950iger Jahren: Rechte Bildhälfte mit "Serbenhalle". Rechte obere Ecke mit den Ruinenresten (->Fundamenten...) des "WNF-Werkes I" und darüber die freie Fläche des ehemaligen WNF-Werksflugplatzes (-> Flpl. WN-Ost)
19. Das Rax-Werk Fertigungsprogramm der Nachkriegszeit waren Kesselwagen
20. Und nochmals die "Serbenhalle" inmitten der Industriebrache...
 

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#4
Versuch der SGP eine österreichische Luftfahrtproduktion im "Rax-Werk" aufzubauen
Wenig bekannt ist der Versuch der SGP im "Rax-Werk" Wiener Neustadt wieder eine Flugzeugproduktion einzurichten:



Die M222/SGP222 - Aufstieg und Fall einer österreichischen Luftfahrtproduktion


1957 - Zwölf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges entschloss sich die verstaatlichte Firma Simmering - Graz - Pauker AG unter ihrem Direktor Dipl.-Ing. Otto Rieger, ein Flugzeugprogramm zu den anderen bekannten Produktionen mit aufzunehmen.

Umso mehr, als der internationale Trend in die Richtung privater, zweimotoriger Kleinflugzeuge wies. Da bei Flügen mit ILS (Instrumenten Landing- System) die Sicherheit besonders wichtig ist, hatte man bei der Konstruktion Wert auf ein zweimotoriges Modell mit einziehbarem Fahrwerk und Bugrad gelegt. Nun gab es bereits einen Entwurf des Linzer Flugzeugbauers Ing. Meindl. Gegenüber anderen europäischen Flugzeugtypen ähnlicher Art, erschien dieser Plan am kostengünstigsten zu sein. So wurde Ing. Meindl für diese Produktion als Oberingenieur bei SGP engagiert.

Die Konstruktionsarbeiten begannen im Oktober 1957 in der Mariahilfer Straße und die Produktion im Raxwerk in Wiener Neustadt. Schließlich war 1959 das erste Flugzeug M 222V1 "Flamingo" fertig. Der erste Überlandflug erfolgte am 6. Juni 1959 nach Wien-Schwechat durch Herrn Ing. Wiesinger. Der Presse wurde die Maschine am 9. Juni 1959 am Flugplatz Wien-Aspern durch Ing. Brückner zum ersten Mal vorgestellt. Ing. Wiesinger flog in den nächsten Tagen von Schwechat über München und Straßburg zum Luftfahrtsalon 1959 nach Paris. Die internationale Presse erwähnte dabei lobend die gute Linienführung der Konstruktion. Der Rückflug über Stuttgart und Augsburg nach Schwechat wurde am 21. Juni durchgeführt.

Danach wurde die Serie der Einflüge fortgesetzt. Zuerst wieder mit Ing. Brückner und anschließend mit AUA Pilot Eduard Stefl. Am 2. August flog dieser dann zusammen mit dem SGP-Mechaniker Leopold Schwingenschlögl. Beim Landeanflug mit einem Motor, versuchte Stefl über den stehenden Motor eine Kurve einzuleiten. Die Maschine kippte in eine Trudelbewegung, aus der Stefl und Schwingenschlögl nicht mehr herauskamen. Beide waren sofort tot.




Da die Unfallursache eindeutig menschliches Versagen war, wurden zwei weitere 222 Versuchsmaschinen gebaut. Die dritte Maschine M 222V3 wurde schließlich sowohl im Mai 1962 und im Pariser Salon im Juni 1963 vorgestellt.

Um die Maschine nach den gültigen USA-Vorschriften zu bauen, wurde der Segelflugzeugkonstrukteur der "Standard Austria" Ing. Rüdiger Kunz engagiert.

Sowohl die Konstruktion als auch optisch wurde die M 222 von Ing. Kunz fast neu gestaltet. Ab nun hieß dieser vierte Prototyp SGP 222 VS. Am 15. Februar 1964 wurde die Maschine vom Österreichischen Luftamt zugelassen. Die US-Typengenehmigung wurde durch die FAA am 3. März 1964 erteilt. Anschließend erhielt die V4 das Kennzeichen OE - FEC. Schließlich wurde die Typenbezeichnung auf SGP 222A geändert. Alle Bedingungen für einen Reihenbau waren erfüllt und Verträge für den Verkauf der Maschinen fast abgeschlossen. Ende 1964 wurde eine neue Firmenleitung der SGP bestellt, die die gesamte Produktion einstellte. Die Prototypen, die vor der Serienproduktion standen, wurden zersägt und verschrottet. Sicher spielten mehrere Probleme eine Rolle, wie Termin- und Lieferschwierigkeiten, wobei es heute, nach so vielen Jahren, kaum möglich ist, die Dinge im Zusammenhang zu bewerten.

Erst 1981, also 17 Jahre später, gelang es eine allerdings private österreichische Flugzeugproduktion zu gründen: die Diamond Aircraft in Wiener Neustadt


Text und Photos: Erich Fries
Literatur und Bilder: FLUG-INFORMATIONEN 45. Jahrgang, Reinhard Keiml: Simmering-Graz-Pauker AG / Meindl M 222 (1959-1964); Wolfgang M Buchta

http://www.austroclassic.at/index.php?option=com_content&task=view&id=1412&Itemid=46
 

josef

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#6
Link zu einem Bericht in der AZ über den Absturz der Versuchsmaschine am 02.08.1959:

ARBEITER-ZEITUNG

Quelle:
arbeiter-zeitung.at – das offene online-Archiv
Tagesaktuell von 1945 - 1989
arbeiter-zeitung.at ist ein online-Zeitungsarchiv. Auf dieser Website können über das Internet Ausgaben der Arbeiter-Zeitung aus vergangenen Jahrzehnten abgerufen und gelesen werden. Und es ist ein offenes Archiv - ohne Gebühren oder andere Zugangsbeschränkungen.
 
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#7
Leider ist der Link zur AZ nicht mehr aktiv. Hat vielleicht jemand diesen Bericht als Download? Ich habe damals in Wr.Neustadt, Döttelbachsiedlung gewohnt und als Kind die Testflüge der M222 live miterlebt. Dieses Flugzeug ist ja ziemlich wenig dokumentiert. Danke im Voraus für jede weitere Info dazu!
 
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