Zukunft der Wasserkraft zur Deckung des großen Bedarfs an Ökostrom

josef

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ENERGIEVERSORGUNG
Wohin die Zukunft der Wasserkraft führt
Der große Bedarf an Ökostrom lässt die Wasserkraft aufblühen – oftmals gegen den Widerstand von Umweltschützern, die die lokale Natur in Gefahr sehen. Die Kraftwerkstechnik wandelt sich indes, um sich an die neue Energiewelt anzupassen

Das Lünerseewerk in Vorarlberg ist eines der hierzulande betriebenen Pumpspeicherkraftwerke.
Foto: Imago Images / Chromorange

Sonnen- und Windstrom stehen – je nach Wetter, Tages- und Jahreszeit – in sehr unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung. Im Zuge des Ausbaus dieser fluktuierenden Energiequellen muss man sich auch Gedanken darüber machen, wie man die entstehenden Schwankungen ausgleichen kann. Damit schlägt auch die Stunde einer Technologie, die in Österreich bereits eine lange Tradition hat – jene der Pumpspeicherkraftwerke.

"Kathedralen des Ökostroms"
Gleich an mehreren Standorten werden derzeit unterirdische "Kathedralen des Ökostroms" gebaut, wie ein Werbevideo des Stromanbieters Verbund die neugebauten monumentalen Hohlräume tief im Berg nennt. In der Kraftwerksgruppe Kaprun entsteht derzeit die größte Anlage: Limberg III. sie hat einer Leistung von 480 Megawatt, die sich auf zwei Pumpturbinen mit einem jeweiligen Durchfluss von 73 Kubikmetern pro Sekunde verteilt; 2025 soll die Anlage, die wie bereits Limberg II die beiden etwa 450 Höhenmeter auseinanderliegenden Speicherseen Mooserboden und Wasserfallboden verbindet, in Betrieb gehen.

Pumpspeicherkraftwerke agieren wie eine riesengroße Batterie. Bei Überschussstrom kann Wasser von unten nach oben gepumpt werden, bei Strombedarf stürzt es durch die Stollen in die Tiefe und treibt die Turbinen an. Limberg III wird also gemeinsam mit den etwa 80 bestehenden ähnlichen Anlagen im Alpenraum helfen, das mitteleuropäische Stromnetz zu stabilisieren. "Wenn wir es schaffen, fünf Prozent der insgesamt Jahresproduktion durch Pumpspeicheranlagen bereitzustellen, können die volatilen Energiequellen im Netz gut ausgeglichen werden", formuliert es Gerald Zenz, Leiter des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU Graz – ein noch eher weit entferntes Ausbauziel in diesem Bereich.

Reden über Hainburg?
Zenz ist naturgemäß ein starker Befürworter der Energieform. "Wasserkraft hat in Österreich eine über 100-jährige Geschichte. Die Akzeptanz ist sehr groß", betont er. Mit den insgesamt 200 Kraftwerken in Österreich, die mehr als fünf Megawatt Leistung bringen, ist dem Wasserbauer zufolge das "technisch-wirtschaftliche Potenzial" erst zu etwa zwei Dritteln ausgeschöpft. Er ist dafür, dass auch das verbleibende Potenzial genutzt wird – so weit, dass man selbst über ein Laufkraftwerk östlich von Wien in dem für die heimische Ökobewegung äußerst geschichtsträchtigen Hainburg "mittelfristig wieder sprechen sollte". Umweltschützer würden ihm vehement widersprechen. Die Umweltorganisation WWF sieht in Österreich etwa "ein naturverträgliches Ausmaß in vielen Flüssen längst überschritten".

Neben der Stromproduktion ohne CO2-Emissionen ist das wichtigste Argument für die Wasserkraft die hohe Effizienz der Anlagen. "Das Verhältnis zwischen Energieeinsatz bei Bau und Betrieb und der Energie, die man über die Lebenszeit einer Anlage herausbekommt, liegt bei der Windkraft etwa bei 1:15. Bei Laufkraftwerken mit ihren langen Laufzeiten liegen wir aber im Bereich von 1:200, bei Speicherkraftwerken sogar bei bis zu 1:300", sagt Zenz. Gerade die Speicherfunktion der Pumpspeicherkraftwerke ist zudem mit einem Wirkungsgrad von etwa 85 Prozent verhältnismäßig effizient. Der Preis dafür: Man muss mit viel Aufwand monumentale Anlagen bauen, die lokale Fluss- und Bergökologien verändern und zerstören.

Proteste gegen neue Speicher
Die aktuell durchgeführte Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz im Tiroler Kühtai, wo ein neuer Speicher entsteht, sorgte beispielsweise im Vorfeld für heftige Proteste. Bei einem weiteren geplanten Großprojekt im Kaunertal in Tirol hat sich ebenfalls längst breiter Widerstand formiert. Die Klimaschutzfunktion der Wasserkraft kollidiert hier mit dem Umweltschutz – ein Phänomen, das künftig vielleicht häufiger anzutreffen sein wird.

Zenz verweist in diesem Zusammenhang auf eine zunehmend ökologischere Bauweise der Kraftwerke: "Auf die Bewahrung der Aulandschaften und den Schutz des Grundwassers kann in modernen Anlagen besser Rücksicht genommen werden. Die Auen werden hier etwa durch koordinierte Schleusenstellungen geplant überflutet", erklärt der Wissenschafter. "Das Murkraftwerk Gössendorf in der Steiermark, das im Vorfeld ebenfalls mit Protesten konfrontiert war, ist ein Beispiel für eine moderne Bauweise dieser Art."


Hochgebirgsstauseen dienen dem Kraftwerk Kaprun zur Speicherung von Wasser für die Stromerzeugung. Die imposanten Becken sind aber auch beliebte touristische Ausflugsziele.
Foto: Imago Images / Stock & People

Neue Anforderungen
Der Klimawandel und die damit einhergehende Energiewende bringen für die Wasserkraft aber durchaus auch neue Anforderungen. Zwar ist gegen die zunehmend öfter wiederkehrenden Dürren, die die Energieausbeute in Laufkraftwerken einschränken, kein Kraut gewachsen. Zenz und sein Team helfen aber beispielsweise durch ihre Modellierungen, die sich etwa auf die bauliche Gestaltung auswirkt, die generelle Ausbeute der Anlagen zu verbessern. "Bei den Optimierungen geht es oft nur um ein, zwei Prozent der Jahresproduktion. Die Donaulaufkraftwerke liefern aber die enorme Menge von 13 Terawattstunden Strom. Mit einer kleinen Steigerung kann schnell der Bedarf einer größeren Stadt abgedeckt werden", betont der Techniker.

Um den Anforderungen moderner Stromnetze gerecht zu werden, wurden Pumpspeicherkraftwerke in den vergangenen Jahren deutlich flexibler. "Neue Anlagen können in kürzester Zeit, innerhalb von 20, 30 Sekunden, von Pump- auf Leistungsbetrieb umstellen", erklärt Zenz. "Der Output kann genau geregelt werden. Sie kommen im Jahr auf viel mehr Betriebsstunden." Dauerbelastung und schnelle Lastwechsel bringen hohe Anforderungen mit sich. Stahlauskleidungen und Maschinen müssen beispielsweise mit den Vibrationen, die bei den nun sehr schnell aufeinanderfolgenden gegenläufigen Wasserbewegungen entstehen, zurechtkommen. Zenz hebt in diesem Zusammenhang die 2008 in Betrieb genommene Anlage Kopswerk II bei Gaschurn in Vorarlberg hervor, die in diesem Bereich besonders innovativ war.

Neue Netze als Basis
Der Ausbau der Pumpspeicherkraftwerke ist allerdings nur sinnvoll, wenn die erforderliche Leitungsinfrastruktur vorhanden ist. Für den sinnvollen Betrieb von Limberg III ist der gleichzeitige Ausbau der 380-kV-Leitung in Salzburg erforderlich, sagt Zenz. In Deutschland wird es wichtig sein, die Nord-Süd-Verbindungen zwischen den Wasserkraftwerken der Alpen und den Offshore-Windparks im Norden auszubauen.

Auf europäischer Ebene soll die geplante Verbindung des deutschen und norwegischen Netzes ein Meilenstein werden. Damit kann sich die deutsche Windkraft mit der Wasserkraft in Skandinavien ergänzen. "Viele von Norwegens Wasserkraftwerken sind in Kaskaden organisiert, die das Meer als Vorflut haben. Man kann sie also ohne negative Effekte für das Unterwasser abschalten", erklärt Zenz. "Bei Stromüberschuss in der deutschen Windkraft kann dieser dann also in den norwegischen Anlagen genutzt und gespeichert werden. Bei Strombedarf in Deutschland kann im Gegenzug auf die Reserven im Norden zugegriffen werden."
(Alois Pumhösel, 24.4.2023)
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