Der europäische Flugzeugbauer Airbus "fliegt" Boeing davon

josef

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#1
LUFTFAHRT
Was man in Toulouse über die Erfolgsgeheimnisse von Airbus lernt
Der europäische Flugzeugbauer fliegt Boeing davon. Das kommt nicht von ungefähr, wie ein Besuch in der Konzernzentrale zeigt
Reportage

Eine A321neo im Airbus-Werk in Toulouse.
Stefan Brändle

Vier Flugzeuge des Typs A321 stehen abflugbereit vor dem Airbus-Auslieferzentrum in Toulouse, dem Hauptsitz des Unternehmens nahe der Pyrenäen. Drei Maschinen werden in wenigen Stunden indischen Airlines gehören, wie ihre Lackierung zeigt: einmal Indigo, zweimal Air India. Die beiden Fluggesellschaften mausern sich zu den besten Airbus-Kunden; sie haben in einem Jahr zusammen 750 Airbus-Maschinen bestellt – mehr als der gesamte Bestand der Lufthansa.

Stéphanie Priour freut sich, dass unter den indischen "orders" vor allem die A320 und die sieben Meter längere A321 sind. Die Chefbetreuerin des brandneuen Übergabezentrums führt vor, wie die Kurz- und Mittelstrecken-Maschinen den Besitzer vom Hersteller zur Airline wechseln. Das jeweils zehnköpfige Kundenteam geht eine ellenlange Checkliste durch und führt den Prüfflug durch. Während der fünftägigen Prozedur stehen Bar und Glätterei, Gebet- und Fitnessraum zur Verfügung.

Unterzeichnung mit Champagner
"Und hier trifft man sich zur Unterzeichnung", erzählt die perfekt mehrsprachige Französin in dem hochgesicherten, schallisolierten Vertragsraum. Sie zeigt auf ein Tischtelefon: "Das ist für die letzte Anfrage an die Bank, ob das Geld angekommen ist." Ein A321 kostet inoffiziell rund 100 Millionen Euro. Airbus veröffentlicht seit 2018 keine Listenpreise mehr; aber wer ein paar Dutzend dieser Single-Aisle-Maschinen mit einem einzigen Mittelgang bestellt, kriegt nach unbestätigten Quellen einen Rabatt von teilweise mehr als 50 Prozent. "Dann gibt es Champagner", sagt Frau Priour. "Wir sind schließlich in Frankreich!"

So läuft es in Toulouse fast jeden Tag einmal. Dazu unterhält Airbus Auslieferzentren an vier weiteren Produktionsstätten – Hamburg, Mobile (USA) und Tianjin (China) für die A320-Familie, Mirabel (Kanada) für die A220. Im vergangenen Jahr wurden an diesen Orten zusammengenommen 571 Flieger des Typs A320 oder A321 ausgeliefert. Er ist gefragter denn je: Von insgesamt 735 Flugzeugen, die der europäische Hersteller 2023 auslieferte, entfielen 571 auf die A320-Gruppe. Mehr als sämtliche Boeing-Modelle des letzten Jahres!

Schwächelnder Konkurrent
Für den A320 und seine Weiterentwicklungen ist die Tendenz zudem steigend, wie Airbus-Chef Guillaume Faury in der "Führungsuniversität" des flughafengroßen Airbus-Areals ausführt. Der nordfranzösische Ingenieur, ein schlanker Mittfünfziger ohne Allüren, bei dem jedes englische Wort sitzt, ruft seine 134.000 Mitarbeitenden zur "Bescheidenheit" auf. Will sagen: nur keinen Triumphalismus gegenüber dem von Unfällen und Pannen heimgesuchten US-Konkurrenten Boeing.

Im gleichen Atemzug bestätigt Faury, dass das deutsch-französisch-spanische Konsortium im letzten Jahr die Zahl von 2.000 Flugzeugbestellungen übertroffen habe. Das ist ein neuer Rekord in der Geschichte der Luftfahrt. Und die Bestätigung einer Airbus-Studie: Ihr zufolge wird sich die heutige Zahl von zivilen Großflugzeugen bis 2042 auf 46 500 verdoppeln.

Jahrelange Wartezeiten
Für Klimaschützer ein Graus. Und auch der Flugzeugbauer in Toulouse, Hamburg und Madrid ist nicht nur froh darüber. Denn wer jetzt bestellt, muss sich bis nahezu 2030 gedulden, bis er im neuen Auslieferzentrum zum letzten Prüfflug mit einem der begehrten A320neo oder A321XLR geladen wird. Wegen der fünf- bis sechsjährigen Wartezeiten drohen selbst Stammkunden zu anderen Herstellern in den USA, China oder gar Russland abzuwandern. Lufthansa bestellte zum Beispiel im Dezember 20 Maschinen bei Boeing, unter anderem deshalb, weil bei der Kranich-Airline viele A320 ausfallen. Zwar unverschuldet, aber dennoch monatelang: Ihre amerikanischen Pratt-&-Whitney-Triebwerke müssen wegen Materialdefekten vollständig ausgebaut und kontrolliert werden.

Faury bestätigt bei dem Pressetreffen in Toulouse auch, dass sein Konzern die Rollout-Kadenz steigern will: An vier Produktionsstandorten um den Erdball sollen bis 2026 monatlich 75 Flugzeuge ausgeliefert werden. Vor einem Jahrzehnt war der Ausstoß geschätzt noch 50 im Monat gewesen. Dieser Anstieg ist für Airbus eine gewaltige Herausforderung – und auch für die Zulieferer, die Faury kritisieren, er mache zu viel Druck auf sie und ringe ihnen zu hohe Produktionszahlen ab.

Komplexes Produkt
In der Endmontage der A310, A320 und A321 in Toulouse ist allerdings von Druck oder Hektik nichts zu spüren. 700 Arbeiter sind in der neuen, erst im Dezember eingeweihten Fertigungslinie tätig – in aller Ruhe. Man hört keine Metallsäge, keinen Hammerschlag; keine Anweisungen schallen durch den riesigen Hangar, wo einst der doppelstöckige Groß-Airbus A380 zusammengesetzt worden war. Dabei ist das Montagepuzzle des A320 ebenso komplex: Das Flügelpaar kommt aus England, der vordere Rumpfteil inklusive Cockpit aus Frankreich, der größte Rumpfteil aus Deutschland und das Höhenruder aus Spanien – um nur die wichtigsten Lieferanten zu nennen.

Mit dem riesigen Airbus-Frachtflugzeug Beluga werden die Teile aus Europa nach Toulouse zum Zusammensetzspiel geschafft. Hier in der Montagehalle wandern die Flugzeugbestandteile auf selbststeuernden Untersätzen, die ultravioletten Lichtpunkten am Boden folgen, aus der Warteposition zur Fertigungslinie. An der Arbeitsstation 42 wird gerade eine Triebwerksaufhängung für die Montage an den rechten Flügel einer A321 vorbereitet.

Das in Saint-Eloi, einem anderen Stadtviertel von Toulouse, produzierte Stück wirkt unscheinbar, dabei ist es sehr zentral für die Flugsicherheit. Dieser Pylon muss Temperaturen von bis zu 500 Grad aushalten, da er elektrische und Hydraulikkabel sowie Kerosinleitungen enthält. Und dabei muss er bis zu 17 Tonnen Motorengewicht und Schublast tragen. Einzelne Bolzen sind deshalb fast armdick.

Bei einer Boeing fehlten Bolzen
Ein Arbeiter entfernt das Schutztuch von der Triebwerkaufhängung, ein anderer ordnet Werkzeuge eines früheren Montageschritts und deponiert sie unter einem Schirm. "All diese Utensilien werden gescannt, um sicherzugehen, dass kein Schraubenzieher irgendwo im Flugzeug liegenbleibt", erklärt Arnaud Boussières von der Montage-Leitung. "Jedes Bauteil, jedes Werkzeug ist registriert, jede Schraube abgezählt."

Dass einzelne Bolzen "vergessen" werden, ist also unmöglich? Boussières weiß natürlich, dass die Journalistenfrage auf den Zwischenfall in einer Boeing-Maschine des Typs 737 Max anspielt: Dieser direkte A320-Rivale, der seit 2018 zwei tödliche Abstürze erlebte, hat im Jänner während eines Flugs auch noch ein mannshohes Rumpfteil aus der Bordwand verloren. Das Unglaubliche: Nach vorläufigen Erkenntnissen fehlten vier Bolzen.

Automatisierung hat Grenzen
Boussières mag nicht über die Beinahekatastrophe des angeschlagenen Konkurrenten Boeing sprechen. Über die Kontrollen in der A321-Montage weiß er hingegen Bescheid. "Wir prüfen nicht nur, ob irgendwo ein Bolzen vergessen wurde", sagt der Franzose mit dem südlichen Akzent. "Wir achten vielmehr darauf, dass das Umfeld stimmt, damit solche Versäumnisse gar nicht eintreten können."

Man kann es auch so sagen: Airbus achtet auf den menschlichen Faktor. Schon deshalb, weil der Flugzeugbau viel weniger stark automatisiert ist als etwa eine weitgehend roboterisierte Auto-Montaglinie. Auffällig ist, wie ruhig, stressfrei und konzentriert die Arbeiter vorgehen. Jede Handbewegung sitzt. "Alles ist so organisiert, dass niemand einen Schritt zu viel machen muss", sagt Boussières. "Ziel ist das Wohlbefinden der Arbeiter." Deshalb habe man zum Beispiel aggressive Farben verbannt: Das im Flugzeugbau vorherrschende Gelb der Gerüste fehlt in dem Hangar fast vollständig.

Airbus behielt Fachkräfte
Ein Yogakurs ist die Endmontage des A321 mitnichten. Ein Wandinschrift lautet: "Kein Handy auf der Treppe." Airbus handelt nach der Devise, dass Arbeitsstress unfallträchtig ist. Stress im weiten Sinn: Airbus entließ während der Covid-Zeit kein Personal, während Boeing 30.000 Angestellte auf die Straße setzte.

Und jetzt, wo die Produktion auf vollen Touren läuft, verzichtet Airbus auch auf die Einführung von Nachtschichten. Das wäre das einfachste Mittel, den Überhang an 8.600 Bestellungen abzubauen. Und es gefiele den Aktionären, zumindest jenen, die bei Boeing schnellere und günstigere Produktionsabläufe wünschen.

Bei Airbus kommt das nicht infrage, wie Faury bei seiner Präsentation gleichentags betont hat: "Wenn es um die Wahl zwischen Quantität und Qualität geht, geht Letztere vor. Denn Qualität bedeutet Sicherheit." Denn müde Arbeiter machen mehr Fehler.

Verlässlichkeit
Und offenbar überträgt sich die Zuverlässigkeit auf die Flugzeuge: Auf eine Million Flüge kommen beim A320 nur 0,13 Unfälle. Und in den wenigsten Fällen war die Technik schuld.

Deshalb macht Airbus keinen Druck auf die Endmontage. Faury wählt einen anderen Ansatz: Er steigert die Zahl der Fertigungslinien. Von derzeit acht – die Hälfte davon im A320-Zentrum Hamburg – steigen sie in Bälde auf deren zehn. Das hat seinen Preis. Der A320 und seine Varianten sind nicht unbedingt billiger als der 737 Max. Aber der europäische Vogel ist technisch moderner, er verbraucht weniger Kerosin und ist günstig im Unterhalt. Und eben verlässlich wie selten ein Flugzeugtyp zuvor.
(Stefan Brändle, 21.2.2024)

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#2
Die "Boeing 737 Max" ist der direkte Konkurrent von "Airbus A320":

PRODUKTIONSMÄNGEL
Boeing 737 Max fällt durch Drittel der Tests
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Wegen wiederkehrender Probleme steht der US-Flugzeughersteller Boeing aktuell verstärkt im Blickfeld. Die US-Luftfahrtbehörde FAA führte umfangreiche Sicherheitsprüfungen am Modell 737 Max durch, von denen Boeing mehr als ein Drittel nicht bestand. Ein entscheidender Zulieferer fiel gar bei der Hälfte der Tests durch.
Online seit heute, 11.53 Uhr
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Nachdem Anfang Jänner eine so gut wie neue Maschine des Typs 737-9 Max im Steigflug nach dem Start einen Rumpfteil verloren hatte, untersuchte die FAA den Produktionsprozess. 33 von 89 Tests habe Boeing dabei nicht bestanden, berichtete die „New York Times“ am Montag. Auch bei dem Test, bei dem es um die Türpfropfen des geborstenen Bauteils im Jänner ging, sei Boeing durchgefallen.

Der Zulieferer Spirit AeroSystems, der den Rumpf für die 737 Max herstellt, habe nur sechs von 13 Prüfungen bestanden, heißt es in dem Bericht weiter. Spirit sei ebenfalls bei der Montage der Kabinenwandkomponente durchgefallen. Die FAA, Boeing und Spirit reagierten noch nicht auf die Testergebnisse.

Bedenken hinsichtlich der Techniker
Bei den Tests seien unter anderem Bedenken hinsichtlich der Techniker geäußert worden, da Boeing es offenbar versäumt habe, „die für den Betrieb seiner Prozesse erforderlichen Kenntnisse zu identifizieren“, schrieb die „New York Times“. Vergangene Woche teilte die FAA mit, sie habe „Verstöße bei der Kontrolle der Fertigungsprozesse, der Handhabung und Lagerung von Teilen sowie der Produktkontrolle bei Boeing“ festgestellt.


AP/National Transportation Safety Board
Während des Fluges klaffte plötzlich ein riesiges Loch im Rumpf einer Boeing 737 Max 9

Am 5. Jänner war in rund fünf Kilometer Höhe ein Teil der Kabinenwand einer erst wenige Wochen alten 737 Max 9 der Alaska Airlines herausgebrochen. Die 177 Menschen an Bord kamen weitgehend mit dem Schrecken davon. Experten verwiesen aber darauf, dass durch einen glücklichen Zufall die beiden Sitze an dem Loch im Rumpf leer geblieben waren.

US-Justizministerium ermittelt
Die Unfallermittlungsbehörde NTSB geht davon aus, dass vier Befestigungsbolzen an dem Rumpfteil fehlten. Es gebe Hinweise darauf, dass das Fragment immer weiter gerutscht sei, bis es beim 154. Flug herausbrach, sagte NTSB-Chefin Chefin Jennifer Homendy bei einer Anhörung im US-Senat. An der Stelle haben Varianten der 737 Max 9 mit mehr Sitzen einen Notausgang – bei der Alaska-Maschinen gab es stattdessen aber eine Abdeckung der Öffnung als Rumpfelement.

NTSB komme aber nicht an Details heran, beklagte sich Homendy. Ihre Behörde versuche seit Wochen vergeblich, Unterlagen zu den Arbeiten an dem Rumpfteil zu bekommen. „Entweder es gibt sie, und wir haben sie nicht, oder sie existieren gar nicht“, sagte Homendy. Boeing ließ die Frage unbeantwortet. Nach dem Beinahe-Unglück beim Alaska-Airlines-Flug nahm auch das US-Justizministerium Ermittlungen auf.

Pannenserie reißt nicht ab
Die Boeing 737 Max hatte Boeing bereits in vergangenen Jahren große Probleme beschert. Nach zwei Flugzeugabstürzen in Indonesien und Äthiopien mit insgesamt 346 Toten wurde im März 2019 ein weltweites Flugverbot für die Maschinen dieses Typs verhängt, das erst Ende 2020 nach technischen Überarbeitungen aufgehoben wurde.

Die Pannenserie riss auch zuletzt nicht ab. Ein „technisches Problem“ am Montag auf einem Flug zwischen dem australischen Sydney und der neuseeländischen Stadt Auckland an Bord einer Boeing 787 „Dreamliner“ habe eine heftige Turbulenz ausgelöst, berichtete der Sender Radio New Zealand (RNZ). Dabei seien 50 Menschen, darunter auch mehrere Crewmitglieder, verletzt worden. Die Maschine habe aber planmäßig landen können.

Am Donnerstag verlor eine Boeing 777 der Fluggesellschaft United Airlines beim Start in San Francisco ein Rad. Die Maschine mit rund 250 Menschen an Bord, die nach Japan fliegen sollte, landete wenig später problemlos in Los Angeles.

Boeing-Whistleblower tot aufgefunden
Am Montag meldete die BBC den Suizid des ehemaligen Boeing-Mitarbeiters John Barnett, der als Whistleblower überregional bekannt war. Er hatte von hohem Druck auf die Mitarbeiter berichtet, die Teile in Flugzeuge einbauten, die nicht den Standards entsprechen würden. So habe es Probleme mit den Sauerstoffmasken bei der 787 „Dreamliner“ gegeben. Tests ergaben eine Ausfallrate von 25 Prozent.

Auch nach dem Zwischenfall beim Alaska-Airlines-Flug im Jänner gab Barnett weitere Warnungen zur Arbeitskultur und mangelnden Sicherheit der Boeing-Maschinen heraus. Zum Zeitpunkt seines Todes befand sich Barnett zu juristischen Anhörungen im Zusammenhang mit seiner Klage gegen Boeing wegen Rufschädigung in Charleston im US-Bundesstaat South Carolina. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2017 hatte er 32 Jahre lang bei Boeing gearbeitet.
12.03.2024, satt, ORF.at/Agenturen

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Produktionsmängel: Boeing 737 Max fällt durch Drittel der Tests
 

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#3
HÖHENFLUG
Vom Absturzfall zum Überflieger: Wie konnte Airbus derart erfolgreich werden?
Die Geschichte des Flugzeugherstellers ist von politischer Einflussnahme und Ineffizienz geprägt. Dennoch stieg er zur Weltspitze auf. Wie das gelingen konnte – und was sich daraus lernen lässt
31. März 2024, 12:00
Der Aktienkurs dieses Unternehmens steht auf einem Allzeithoch. Wer ein Produkt aus seinem Sortiment will, muss zehn Jahre warten. Die Nachfrage ist gar derart groß, dass derzeit sogar bei den Kunden wegen längerer Lieferfristen vorgesprochen wird.

Die Rede ist vom Flugzeug-, Raumfahrt- und Rüstungshersteller Airbus SE, 140.000 Mitarbeiter, 60 Milliarden Euro Jahresumsatz. Der Hauptsitz ist im niederländischen Leiden, die operative Zentrale im französischen Toulouse, das wichtigste Werk im deutschen Hamburg: Airbus ist ein wahrhaft europäisches Unternehmen, das einzige große seiner Art. Es ist ein "European Champion", wie das Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gern nennt: ein Konzern von Weltrang, der statt in einem einzelnen Nationalstaat in der EU als Ganzes verankert ist.


Airbus hängt den US-Konkurrenten Boeing gerade gehörig ab
Lukas Friesenbichler/DER STANDARD

Auf globaler Ebene gibt es nur einen nennenswerten Konkurrenten, den US-Hersteller Boeing. Der aber kämpft gerade mit Problemen, etwa wegen Türen, die im Flug aus ihrer Verankerung fallen. Ökonomen sprechen von einem "Duopol" aus Airbus und Boeing. Wie konnte es in dem Sektor gelingen, dass Europa eine solche Rolle spielt? Was lässt sich daraus lernen? Welche Rolle hatte dabei der Staat?

"Airbus für Autos"
Andere Branchen jedenfalls blicken mit Neid auf Airbus. Renault-Chef Luca de Meo etwa wünschte sich Anfang März ein "Airbus für Autos": Europas Autokonzerne sollten sich zusammentun, um die enormen Investitionskosten für preiswerte E-Autos zu stemmen und es mit China aufzunehmen.

Wer die Frage nach dem Erfolg von Airbus stellt, muss zunächst bedenken, dass der Flugzeugbau "ein besonderer Markt" sei, wie es WIIW-Chef Mario Holzner ausdrückt. "Er ist noch technologie- und kapitalintensiver als die Autoindustrie und letztlich mit dem militärisch-industriellen Komplex verbunden." In solch einem Umfeld "geht ohne staatlichen Anschub eigentlich gar nichts", sagt Holzner.

Steuermilliarden
Die Geschichte von Airbus ist eine nachteiliger Startbedingungen, politischer Packeleien und Milliardenkosten für den Steuerzahler – und dennoch, am Ende ging alles hochgradig gut.

Bis zu den 1960er-Jahren dominierten die USA den Flugzeugmarkt; neben Boeing gab es etwa McDonnell Douglas und Lockheed Martin. In diesem ungünstigen Umfeld wollten die Europäer – deren Wirtschaft bei Flugzeugkomponenten durchaus stark war – eine eigene Produktion hochziehen.

Manche Politiker trieben den Plan besonders voran, etwa der einstige langjährige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, erster Airbus-Aufsichtsratschef und selbst Hobbyflieger.


Airbus wurde hochgepäppelt, bis es funktionierte.
REUTERS/Stephane Mahe

Gegründet 1970 in Paris, wurden zunächst Flugzeugkomponentenbauer aus Deutschland und Frankreich zu einem losen Konglomerat vereint. Erst viel später, mit dem Börsengang im Jahr 2000, sollte daraus ein echter Konzern werden. Über die ganze Zeit flossen "Subventionen erheblichen Ausmaßes", liest man in einer Forschungsarbeit der deutschen Universität Witten aus dem Jahr 2000. Laut einer US-Studie erhielt Airbus allein bis zu den 1990er-Jahren rund 26 Milliarden US-Dollar Unterstützung. Im Jahr 1978 finanzierten Europas Steuerzahler sogar den Ausbau der Landebahn des Flughafens La Guardia in New York – im Gegenzug erwarb die dort beheimatete Eastern Air Lines Maschinen von Airbus.

"Politische Opportunität"
Was den Heimmarkt in Europa betrifft, schuf man sich die Nachfrage gewissermaßen selbst – indem man Fluglinien, damals noch meist in Staatsbesitz, schlicht zwang, Airbus-Maschinen einzusetzen. Der Betrieb lief "in erster Linie nicht nach Produktivitätsgesichtspunkten, sondern nach politischer Opportunität", heißt es in dem Papier der Uni Witte. Welcher Herkunft der Vorstandschef war, wo Standorte gegründet wurden – all das wurde, meist in Paris und Bonn, politisch entschieden, nicht ökonomisch.

Trotz alledem – Airbus wurde hochgepäppelt, bis es funktionierte. Schon der A300 (Erstflug 1972) galt als gutes, weil treibstoffsparsames Flugzeug. Mit dem A320 (Erstflug 1987) "war Airbus seiner Zeit voraus", sagt der Luftfahrtexperte Kurt Hofmann, etwa wegen des Cockpits und der Flügel. Teure Fehlschläge wie den viermotorigen A380 (letzte Auslieferung 2021) ließen sich wegstecken, erneut dank Milliardensubventionen.

"Pfadabhängigkeit"
Können andere Bereiche nun etwas lernen aus all dem? Nur zum Teil. Einerseits zeigt das Schicksal von Airbus, dass es sich auszahlt, mit jahrzehntelanger politischer Beharrlichkeit Ziele zu verfolgen und Fehlschläge in Kauf zu nehmen. Andererseits: "Bei Flugzeugen gibt es eine höhere Pfadabhängigkeit als etwa im Autosektor", sagt Wifo-Ökonom Klaus Friesenbichler: Die Technologie ändert sich nicht wesentlich; man baut stets auf dem Vorhandenen auf. Flugzeugbauer kennen also, wenn man so will, die Zukunft ihres Bereichs ein Stück besser als Autobauer – und Staaten können Erstere dadurch leichter fördern.

Das bedeutet freilich nicht, dass die Zukunft von Airbus auf ewig gesichert ist. Mit dem Comac-Konzern aus China taucht gerade ein neuer Konkurrent am Horizont auf. Technisch gesehen kann es Comac längst noch nicht mit dem EU-Mitbewerber aufnehmen. Aber das dachte man bei E-Autos lange auch.
(Joseph Gepp, 31.3.2024)
Vom Absturzfall zum Überflieger: Wie konnte Airbus derart erfolgreich werden?
 
#4
Ich halte es für wichtig, (Airbus übrigens auch) dass Boeing wieder in die alte Spur zurück kommt, also die dortigen Erbsenzähler, die die aktuelle Misere verursacht haben, durch Ingenieure ersetzt werden. Das Duopol Airbus-Boeing kann einer chinesischen Konkurrenz eher standhalten als ein Spieler allein. Aktuell sieht es so aus, dass einige gemeinsame Zulieferer von Bauteilen (ja, Boeing und Airbus haben teilweise die gleichen Lieferanten) unter das Qualitätsregieme von Airbus gestellt werden sollen, indem Airbus sie einkauft. Schaumermal, ich bin gespannt.
Gruß
Albert
 

struwwelpeter

Well-Known Member
#5
Bei aller Freude für ein erfolgreiches europäisches Modell, halte ich diese Mengen an Flugzeugen (weltweit) als Umwelt-bedrohend.
Hat man in Corona Zeiten Videochats und Online Business Kommunikation gelernt, hebt anscheinend der Massentourismus enorm ab.
 
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