Dornier in Vorarlberg

#1
Hallo und zuerst einmal ein gutes neues Jahr 2018.
Einem Bekannten von mir wurde vor einiger Zeit in Fliegerkreisen erzählt, dass Dornier in Vorarlberg DO 335 Rümpfe fertigen liess und diese nach dem Krieg von Bauern längere Zeit als Futtertröge benutzt wurden - dies soll in der Nähe von Dornbirn oder Hohenems gewesen sein.
Nun ich gerne wissen, was an der Geschichte dran ist. Ich habe bei Geheimprojekte.at nachgeschaut und erfahren, dass Dornier bei der Firma Hämmerle in Dornbirn und der Firma Haefele in Sulz präsent war. Weiteres ist dort nicht zu erfahren. Die Firma Hämmerle ist mir bekannt, die Fa. Haefele nicht.

Weiss vielleicht hier jemand etwas darüber? Gab es diese Produktion tatsächlich? Oder was hat Dornier genau an diesen Standorten fertigen lassen?

Herzlichen Dank im Voraus für jegliche Information, mit vielen Grüssen aus der Schweiz
-Harald-
 

josef

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#2
Hallo Harald,
habe zum Thema in der einschlägigen Literatur nachgesehen:
Im "Firmenindex" bei
Harald Walser; "Bombengeschäfte - Vorarlbergs Wirtschaft in der NS-Zeit"; Bregenz 1989,
wird die Fa. Dornier auf ca. 30 Seiten genannt.
Auch bei
Norbert Schausberger; "Rüstung in Österreich 1938-45", Wien 1970,
werden zu Dornier im "Stichworteverzeichnis" 7 Seiten angeführt.

Artikel und Auflistungen aus diesen beiden Büchern bildeten die Grundlage für die Darstellung der Rüstungsaktivitäten in Vorarlberg bei http://www.geheimprojekte.at/bl_vorarlberg.html

Werde die angegebenen Buchseiten in den nächsten Tagen nach weiteren Hinweisen "durchackern"...

lg
josef
 

Geist

Worte im Dunkel
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#3
Ich greife bezüglich Schausberger etwas vor und mach einen kleinen Dornier-Überblick daraus:

Seite 61:
Fußnote 110: "Im November 1939 erwarben die Dornierwerke die stillgelegte Schuhfabrik Kraft in Bregenz um 290.000 RM. Der ehemalige Besitzer Dr. Fröhlich emigrierte, da Jude, nach Australien"

Fußnote 111: " Am 26. März 1940 eröffnete Dornier mit 70 Mann die ehemalige Textilfabrik Hämmerle mit Flugzeugteilefertigung (Leitwerk Ju 88, Do 17 und Do 217)"

Seite 135:
"Die Abteilung Forschung und Versuche von Dornier Friedrichshafen, die an der Entwicklung von Do 24, 217 und 335 arbeitete, übersiedelte [1943] nach Bregenz."

(Seite 199:
"Anlage 12 - Wichtige Verlagerungen nach Österreich im Jahre 1943
Rondowerk Schwelm -> Hämmerle, Dornbirn")

Seite 201:
"Anlage 15 - Wichtige Verlagerungen nach Österreich im Jahre 1944
Dornier, München -> Häfele, Sulz"
 
#4
Hey super, danke, Die Entwicklungsabteilung und zwei Produktionsstätten, da ging also was bei Dornier im Vorarlbergischen.

Dann könnte an der Geschichte mit den DO335-Rümpfen also durchaus was dran sein...

Interessant wäre noch, ob und was die Alliierten im April/Mai 45 in Bregenz, Dornbirn und Sulz vorgefunden haben.

Leider habe ich für Dornier, ausser in Mengen (D) und Oberpfaffenhofen, sehr wenig Material gefunden. Die Entwicklungen und Produktionsstätten von Messerschmitt und Heinkel sind hingegen, so ja auch in Österreich, sehr gut dokumentiert.

In der Literatur, die ich besitze, ist hauptsächlich das Schlachtgeschehen der letzten Kriegstage vom Bodensee bis zum Arlberg dokumentiert, aber kaum was über die dazwischenliegende Industrie....
 

josef

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#6
Nun einiges aus Harald Walser; "Bombengeschäfte - Vorarlbergs Wirtschaft in der NS-Zeit":

Die interessantesten Hinweise aus den ca. 30 Namensnennungen von "Dornier" im Index des vorgenannten Buches! Der m.E. wohl wichtigste Hinweis zur Do 335 - Fertigung in Vorarlberg ist unter Anhang 7. zu finden:

Anhang 1. - Seite 156: Textauszug
(-> vergleiche dazu auch mit „Schausberger“ - S. 61/Fußnote 110)

Seite 159: Auszug aus Beschäftigtenstatistik der Rü-Betriebe – Stand Jahreswende 1944/45:
Dornier – Werk Bregenz : Gesamtbeschäftigte 837, davon Ausländer u. Kriegsgef. 172
Dornier – Werk Dornbirn: Gesamtbeschäftigte 136, davon Ausländer u. Kriegsgef. 51

Seite 167f: Über Erfolge von Rationalisierungsmaßnahmen berichtete die Rüstungsinspektion XVIII. So hält das Kriegstagebuch in einer Eintragung v. 13.05.1943 fest, der Dornbirner Zweigbetrieb des Dornierwerkes habe durch die Entwicklung des „Einmann-Nietsystems“ eine bedeutende Leistungssteigerung erzielen können.

Anhang 2. - Seite 173: Textauszug (Fußnote 62: MAF, RW 21-28/5-20.5.1941)
Leider geht aus der Textpassage keine konkrete Typenangabe zur Neuentwicklung hervor. Meiner spekulativen Vermutung nach dürfte es sich dabei um die Dornier Do 335 gehandelt haben…

Anhang 3. - Seite 176: Textauszug (Planungschaos von „Oben“…)

Anhang 4:
Fußnoten zu Textauszug aus S. 176

Anhang 5. - Seite 179:
Textauszug (Fußnote 4: MAF, RW 20-18/14Anlage XI/33 -20.5.1942)

Anhang 6. - Seite 188: Auszug aus Verlagerungsliste

Anhang 7. - Seite 189: Auszug aus Verlagerungsliste mit Hinweis auf Rumpfmontage Do 335 in einem Sägewerk in Sulz!

Anhang 8. - Seite 306: Textauszug

Anhang 9. - Seite 307: Textauszug (Die Fußnoten 31 – 37 zu den in den Anhängen 8. u. 9. Abgebildeten Textauszügen sind „Findhinweise“ des Militärarchivs Freiburg (MAF).
 

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#7
Vielen herzlichen Dank Euch allen, das ist viel mehr, als ich erwartet habe!! Die DO335 hatte also in Vorarlberg auch eine Rolle gespielt. So kann die Geschichte mit den Rümpfen durchaus war sein. Ich werd mir mal je das Buch von Schausberger und von meinem "Vornamenvetter" besorgen. Hab hier noch ein Bild von Printerest mit einem halbfertigen Do335-Rumpf, so als Futtertrog kann man sich den schon irgendwie vorstellen.
Herzliche Grüsse
Harald
 

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josef

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#8
... Ich werd mir mal je das Buch von Schausberger und von meinem "Vornamenvetter" besorgen...
Hallo Harald,
habe gerade nachgesehen, beide Bücher sind vergriffen und nur mehr über Antiquariate zu erwerben!

Das geht bei Schausberger, Rüstung in Österr. schon ordentlich ins Geld! So wird die broschierte Ausgabe aktuell z.B. ab
€ 385,50 + Versandkosten angeboten...


Zu H. Walser, Bombengeschäfte fand ich einen Link zum Download (22,2 MB):

http://www.malingesellschaft.at/buchscans/Bombengeschaefte-ocr_verr.pdf

lg
josef
 

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Geist

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#9
Es gibt aber auch günstigere Literatur, in der du sogar höchstwahrscheinlich fündig wirst, z.B. "Dornier - die Chronik des ältesten deutschen Flugzeugwerkes" kostet in Antiquariaten 8 - 10 Euro.
 

josef

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#12
Ja gottseidank gibts da günstigeres, bin schon fast vom Sessel gefallen.
385.00 Euro. ...Ist denn das Buch von Schausberger so gut oder so umfangreich????
Es ist so ziemlich das einzige Werk mit der Aufarbeitung der Rüstungsindustrie zwischen 1938 und Kriegsende in Österreich. Die Darstellung basiert hauptsächlich auf Dokumenten der Militärarchive und Rüstungskonzerne. Wobei aber mit Sicherheit nicht alle Verlagerungsbetriebe und Detail- (Kleinst-/Sub-) Zulieferer angeführt sind...

Siehe Inhaltsverzeichnis im Anhang:
 

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#13
Nach dem Inhaltsverzeichnis dürfte es ein sehr interessantes Buch sein. In dieser logischen Aufbereitung habe ich selten etwas gesehen.

Und zu den Buchpreisen: habe vor einiger Zeit viele meiner Bücher zu Geld gemacht. Antiquariate kaufen es nicht. So habe ich die meisten über Momox verkauft. So in Summe etwa 1000 Bücher, einige auch hier im Forum.
Momox zahlt natürlich sehr wenig, aber zumindest kauft er die meisten Titel-und ein Verkauf zieht sich nicht monatelang. Irgendwie kauft er auch den Markt leer.
Momox hat auch einen Verkaufshop, wo er die Bücher verkauft. Die Preise bewegen sich dann am oberen Level. Anscheinend beziehen auch viele Antiquariate über Momox.

In Wien haben in den letzten Monaten einige bekannte Buchhandlungen geschlossen-Antiquariate wie auch Schleuderbuden.
Mir wurde gesagt, dass die jungen Generationen einfach immer weniger lesen-und ich kann das nur bestätigen.
Auch bei mir selbst (gehöre schon zu den Älteren). Vieles geht einfacher im Internet - und ein komplexes Buch zu lesen kostet Zeit.

d.h. man sollte froh sein, einen z.B. Schausberger noch zu bekommen, weil in Zukunft wird keiner mehr so ein Buch schreiben (weil es zu wenige Leute kaufen).
und ist ja alles relativ - habe mir gerade eine Jause (für den Tag) gekauft. war so ca. 13. Euro. Also 3 Tage weniger essen und du hast deinen Schausberger
 

Geist

Worte im Dunkel
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#14
Ich möchte noch anfügen, dass das Schausberger-Buch, bezogen auf die konkrete Fragestellung von Harald, ohnehin nicht der Literaturtipp Nr. 1 ist, weil Dornier nur in Randnoten erwähnt wird. Ich denke, dass die Frage am besten mit Dornierbezogener Fachliteratur und dem erwähnten Dornierarchiv am besten beantwortet werden kann.
 
#15
Ja, ist bei mir nicht anders, vieles geht mittlerweile übers Netz. Ich habe wieder mehr angefangen, Bücher zu kaufen, finde aber auch die persönlichen Begegnungen auch immer spannend - leider fehlt dafür aber sehr oft die Zeit.

Ich bemühe mich nun um die von Euch erwähnte Literatur.

Herzlichen Dank an Euch alle, Ihr habt mir bei dem Thema nicht nur Licht, sondern gleich "Flutlicht in den Tunnel" gebracht, vielen lieben Dank dafür!
Ich wünsche Euch allen ein frohes und glückliches Jahr 2018 und freue mich auf viele weitere spannende Themen.
Viele Grüsse
Harald
 
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