Frühmittelalterliches Grab eines bis an die Zähne bewaffneten Kriegers in Ingelheim entdeckt

josef

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VERMÖGENDER KÄMPFER
Bis an die Zähne bewaffneter Krieger entdeckt
Archäologen entdeckten im deutschen Ingelheim ein beeindruckend bestücktes frühmittelalterliches Grab, das von Plünderern verschont geblieben war

Am Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter lag eine Welt in Trümmern. An die Stelle des römischen Imperiums traten regionale Herrschaften, Bevölkerungsgruppen wechselten den Siedlungsraum, andere verschwanden gänzlich von der Bildfläche. Trotz offensichtlicher Brüche gab es vielerorts fortwirkende Traditionen, alte Strukturen blieben erhalten und passten sich an die neuen Zustände an. Aus dieser Ära des Alten und Neuen stammt ein spektakulärer archäologischer Fund, den Forschende im vergangenen Juni im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz machten und nun der Öffentlichkeit präsentierten.


Der Kämpfer hatte ein beeindruckendes Waffenarsenal mit ins Grab gelegt bekommen: Neben einem Schild besaß der Krieger eine Spatha, ein Breitsax, ein Messer und eine Lanze (dessen Spitze ist hier links von seinem Kopf zu sehen).
Foto: Stadt Ingelheim/Christoph Bassler

Ungeplünderter Glücksfall
Das Team um Christoph Bassler vom Forschungszentrum Kaiserpfalz legte auf einem frühmittelalterlichen Friedhof in Ingelheim am Rhein das unberührte Grab eines fränkischen Kriegers frei. Während benachbarte Gräber geplündert worden waren, hatten die Diebe dieses offenbar übersehen und so den Archäologinnen und Archäologen ein ganzes frühmittelalterliches Waffenarsenal inklusive Schildresten beschert.

Der einstige Besitzer der Waffen war den ersten Untersuchungen zufolge wahrscheinlich ein Mann, der im siebten Jahrhundert im Alter von 30 bis 40 Jahren gestorben war. In der Grube befand sich neben seinen Gebeinen eine Spatha. Dieses zweischneidige Langschwert war nach dem Vorbild der Kavallerieschwerter des späten Römischen Reichs gefertigt. Außerdem war der Krieger mit einem sogenannten Sax ausgestattet. Das kurze, massive Hiebschwert besaß eine eiserne einschneidige Klinge und einen bronzenen Griff. Ein weiteres schweres Eisenmesser und ein Speer, von dem nur die Eisenspitze erhalten blieb, komplettierten die Waffensammlung. Vom Schild des Kämpfers, der ursprünglich großteils aus Holz bestand, konnte nur mehr der Metallbuckel in der Mitte geborgen werden.


Die schmale, hochgezogene Schulterpartie kennt man als "Sarghaltung". Sie ist ein Zeichen dafür, dass der Tote in einem Sarg beerdigt worden war.
Foto: Stadt Ingelheim/Christoph Bassler

Merowingerkrieger in Sarghaltung
Die Forschungsgruppe arbeitete bereits seit März an dem Gräberfeld. Inzwischen hat man dort Beisetzungen aus der Zeit zwischen dem fünften und achten Jahrhundert gefunden. Wahrscheinlich war der Friedhof von den Bewohnerinnen und Bewohnern der umliegenden Siedlungen und Gehöfte genutzt worden, meint Bassler.

Die leicht hochgezogenen Schultern des Skeletts kennt man in der Fachwelt als "Sarghaltung"; sie lässt darauf schließen, dass der Krieger in einem hölzernen Sarg begraben worden war, von dem jedoch nichts erhalten geblieben ist. All das spricht dafür, dass das Kriegergrab aus der frühen Merowingerzeit stammt. Die Merowinger waren ein frühes fränkisches Adelsgeschlecht, das etwa ab dem fünften Jahrhundert im Raum um Ingelheim ansässig war. Ab 768 wurde das germanischsprachige Frankenreich von Karl dem Großen und seinen karolingischen Nachfolgern regiert.

Beliebte Waffe
Röntgenaufnahmen des Schwertgürtels untermauern diese Datierung: Die eiserne Schnalle und die Beschläge waren mit Silberdrähten verziert – ein Stil, der laut Bassler im siebten Jahrhundert besonders beliebt war. Künftige Radiokarbonanalysen sollen dies allerdings noch bestätigen. Außerdem plant das Team, die Gebeine auf Anzeichen von Kampfverletzungen zu untersuchen. Vielleicht ergibt sich daraus auch die Todesursache des Mannes.


Die Spatha, hier in der Mitte, war eine Standardwaffe für Krieger im frühen europäischen Mittelalter. Sie basierte auf den Kavallerieschwertern des spätrömischen Reiches.
Foto: Stadt Ingelheim/Christoph Bassler

Die Spatha war zweifellos die Hauptwaffe des Kriegers und sein ganzer Stolz. Das Schwert misst vom Knauf bis zur Spitze etwa 93 Zentimeter, die Klinge allein ist 75 Zentimeter lang. Solche Waffen wurden vor allem von berittenen Soldaten im Spätrömischen Reich eingesetzt, um feindliche Fußtruppen auch vom Pferd aus effizient bekämpfen zu können, erklärt Bassler. Später wurde sie zu einer der beliebtesten Waffen des frühmittelalterlichen Europa.

Elitekämpfer
Der fränkische Krieger war wohl nicht zu Pferd unterwegs gewesen. Sein Grab enthielt jedenfalls keine Anzeichen von Sporen oder anderer Ausrüstung, die auf Reiterei hinweisen würde. Nach den vorhandenen Beigaben zu urteilen zählte der Tote zu den wohlhabenden und angesehenen Mitgliedern seiner Gemeinde; ein solch umfassendes Waffenarsenal konnten sich damals nur die wenigsten leisten. "Aber stinkreich war er auch nicht", sagte Bassler. "Seine Waffen waren von hoher Qualität, aber im Grab gab es keine weiteren Anzeichen für die damals begehrten Importwaren, die sich nur die Reichsten leisten konnten."
(Thomas Bergmayr, 20.9.2023)
Bis an die Zähne bewaffneter Krieger entdeckt
 
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