Statt mehr Transportverlagerung auf die Bahn lockert EU Bremsen für bis zu 60 Tonnen schwere Lkws

josef

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#1
RIESEN-LKWS
EU-Parlament lockert Bremsen für Gigaliner
Nach der EU-Kommission lockerte der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments die Bremsen für bis zu 60 Tonnen schwere Lkws. Für die Straßen werden die Trucks eine Herausforderung

Truckhersteller wie die schwedische Volkswagen-Tochter Scania schieben den Druck, die Riesen-Lkws in der EU zuzulassen, kräftig an.
IMAGO/Wolfgang Simlinger

Wien/Brüssel – Anders als die Verkehrsminister der EU-Mitgliedsstaaten hat das Europäische Parlament am Mittwoch für den Einsatz sogenannter Gigaliner auf europäischen Straßen gestimmt. Wenn auch nicht ganz, denn es war lediglich der Verkehrsausschuss, der grünes Licht gab für den Einsatz sogenannter Supertrucks, also bis zu 25 Meter langer und bis zu 60 Tonnen schwerer Lkws mit Sattelaufliegern. Dies allerdings mit Auflagen.

Wohl unterstützt die Mehrheit der scheidenden Ausschussabgeordneten den Vorschlag der Kommission, Fahrzeugkombinationen (European Modular System; EMS), die schwerer und länger sind als konventionelle 40-Tonner, im grenzüberschreitenden Lkw-Verkehr zuzulassen. Allerdings gibt es dafür keine Verpflichtung. Es sollen nur EU-Staaten, die national Lang-Lkws zulassen, auch solche ausländischer Herkunft ins Land lassen müssen.

Das ist für Österreich vorteilhaft. Denn im Transitland Österreich fürchtet man diese Riesentrucks grundsätzlich, aber aus einem anderen Grund: Die Autobahnbrücken, Tunnels und Kurven hierzulande sind nicht ansatzweise auf derartige Tonnagen und Dimensionen ausgelegt. Schon gar nicht auf der Nord-Süd-Route zwischen Deutschland und Italien. Denn Straßen und Brücken auf der Brennerstrecke halten in den nächsten Jahren nicht einmal dem herkömmlichen Durchzugsverkehr stand. Im Gegenteil. Sie werden zum Nadelöhr, denn es steht die Sanierung der Europabrücke an. Den Anfang macht die Lueg-Brücke, deren Sanierung noch dringlicher ist. Sie ist auf viele Monate nur einspurig befahrbar. Eine Verstärkung der Statik hunderter Brücken wäre für Gigaliner notwendig, winkt man bei der Autobahngesellschaft Asfinag seit Jahren ab. Dieser Aufwand würde in die Milliarden gehen und sei schon deshalb unrealistisch. Diesbezüglich ist man auf einer Linie mit dem Verkehrsministerium.

Zusätzliche Sicherheit
Darüber hinaus fordern die EU-Parlamentarier weitere Sicherheitsregeln für Gigaliner und Anhängerzugmaschinen. Um böse Überraschungen beim Überholen zu vermeiden, sollen Verkehrsteilnehmer bereits von hinten sehen, dass es sich um einen Lang-Lkw handelt, der vor ihnen fährt. Ein entsprechendes Hinweisschild soll entwickelt werden. Für Truckfahrer verlangen die Abgeordneten zusätzliche Schulungen.

Allzu rasch dürfte es mit der Harmonisierung der Regeln für Gigaliner im EU-Binnenmarkt freilich nicht vorangehen. Denn die EU-Staaten sind alles andere als einig. Die Verkehrsminister haben sich in ihrer jüngsten Ratssitzung ohne einheitliche Linie ergebnislos vertagt. Mit der Materie befasste Beobachter meinen, nicht einmal eindeutige Bruchlinien ausmachen zu können. Aber die Zeit drängt nicht, die nächste Ratssitzung ist im Juni angesetzt, heißt es im Verkehrsministerium in Wien, wo man aus der sehr grundsätzlichen Ablehnung von Riesen-Lkws erwartungsgemäß kein Hehl macht. Österreich werde Riesen-Lkws sicher keine Fahrerlaubnis erteilen, betonte ein Sprecher am Donnerstag. Allerdings dürfte die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler mit der Entscheidung eher nicht mehr befasst werden, denn welche Partei nach der Nationalratswahl den Verkehrsminister stellen wird, steht in den Sternen.

Druck aus dem Norden
Die Frage ist deshalb, warum sich EU-Kommission und -Parlament überhaupt noch auf die Schienen werfen für dieses Thema. Denn gewählt wird heuer auch das EU-Parlament, und die EU-Kommission wird im Herbst neu bestellt. Bis sich die neuen Gremien und Abgeordneten dieser Materie annehmen, werden Monate ins Land ziehen, zumal auch der Trilog, also das bisweilen langwierige Kompromissverfahren zwischen Kommission und Parlament, zu absolvieren ist. Ob das EU-Parlament im März zustimmen wird, ist ebenfalls offen. Anfang Februar hatten sich Kommission und Parlament auf strengere Abgaswerte für den Schwerverkehr geeinigt.

Druck, die schwereren Trucks zuzulassen, kommt vor allem aus Schweden, Finnland und den Niederlanden. Dort hält es die Transportwirtschaft für ökologisch vorteilhaft, mit weniger Fahrzeugen mehr Fracht zu transportieren. Im Autoland Deutschland steht man den Groß-Lkws auch nicht prinzipiell skeptisch gegenüber. 2017 wurden sie unter Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zugelassen, zunächst in sieben Bundesländern auf ausgewählten Strecken erlaubt. Eine Ausweitung auf das gesamte Bundesgebiet scheint angesichts des maroden Zustands der deutschen Autobahnen aber in den nächsten Jahren kaum umsetzbar.

Bahnverkehr fürchtet Abstellgleis
Für den Modal Split, also den Bahnanteil am Schienengüterverkehr, kommt die umstrittene Richtlinie einem Frontalangriff gleich – obwohl sie um Umweltauflagen angereichert wurde. So große und vor allem schwere Container können Europas Güterbahnen nicht transportieren, sie fürchten deshalb gegenüber dem Lkw noch weiter ins Hintertreffen zu geraten. Hinzu kommt, dass für emissionsfreie Trucks, die in großem Stil ab 2028 auf dem Herstellermarkt erwartet werden, die bisherige Obergrenze von 40 Tonnen angehoben werden soll. Andernfalls könnten Zero-Emission-Trucks aufgrund des erheblichen Batteriegewichts weniger Fracht aufnehmen. Man wolle zusätzliche Anreize für den Umstieg auf emissionsfreie Lkws schaffen, so die Begründung.

"Ich halte es für absurd, dass die Monsterdinger in der ganzen EU über die Straßen kriechen sollen", zitierte das auf EU-Angelegenheiten spezialisierte Mediennetzwerk Euractiv die grüne Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg. Mehr und schwerere Lkws auf den Straßen erhöhten Emissionen und die Kosten für die Instandhaltung der Infrastruktur. "Das sind Antiklimainvestitionen."
(Luise Ungerboeck, 15.2.2024)
EU-Parlament lockert Bremsen für Gigaliner
 

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#2
Transitland Tirol:
Gegen Gigaliner auf den Tiroler Straßen
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Die EU-Kommission will den Weg für Gigaliner freimachen. In einigen EU-Staaten sind bereits jetzt bis zu 25 Meter lange und 60 Tonnen schwere Lastkraftwagen zugelassen. Der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments hat am Mittwoch für einen Gesetzesvorschlag gestimmt. Ablehnung kommt aus Tirol.
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Für Fritz Gurgiser vom Transitforum Austria ist die Entscheidung der EU-Parlamentarier nicht zu verstehen: „Man sieht die zwei Gesichter der Union. Auf der einen Seite werden Milliarden in die Eisenbahn investiert. Und auf der anderen Seite setzt man mit solchen Beschlüssen voll auf die Straße. Die Straße soll schneller, billiger und attraktiver werden. Deshalb ist der Beschluss sehr negativ zu bewerten.“

Wichtige Hürde für Transportlobby
Unter den EU-Verkehrsministern gibt es allerdings keine Einigung über die Zulassung der Gigaliner. Mit der mehrheitlichen Zustimmung des Verkehrsausschusses im EU-Parlament nahm die Transportlobby aber eine wichtige Hürde.

Der Beschluss missfällt auch dem Tiroler Verkehrslandesrat Rene Zumtobel: „Tirol mit seiner Infrastruktur, mit den ganzen Brücken entlang der Brennerautobahn, ist für solche Transporte nicht geeignet. Wenn man sich vorstellt, dass ein 40 Tonnen schwerer Lkw eine Brücke belastet als würden 60.000 Pkws darüber fahren. Wir werden in den nächsten Jahren einige Brücken sanieren müssen. Also Gigaliner sind für Tirol abzulehnen.“

Ablehnung auch von der Tiroler Wirtschaft
Auch von Tiroler Wirtschaftsvertretern, etwa von Kammerpräsidentin und EU-Abgeordneter Barbara Thaler – sie hat im Verkehrsausschuss gegen die Gesetzesvorlage gestimmt – kommt Ablehnung. Und Rebecca Kirchbaumer, die Obfrau der Sparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer, glaubt nicht, dass die Zulassung von Riesen-Lkws auf Tirols Straßen ein Thema sein wird. „Wenn die EU etwas vorschlägt, können Länder selber entscheiden, ob sie das wollen oder nicht. Für Schweden zum Beispiel ist es in Ordnung, wenn Gigaliner fahren. Wenn ich mehr Güter mit nur einem Transport fahre, ist das ja klug und gut. Nur bei uns hier in Tirol sind die Gegebenheiten nicht vorhanden.“

Die Abstimmung im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments über den Gesetzesvorschlag der Kommission war der erste Schritt. Mitte März soll das gesamte EU-Parlament darüber abstimmen, ob auf Europas Straßen der Weg für größere und schwerere Lkws frei gemacht wird.
18.02.2024, red, tirol.ORF.at

Gegen Gigaliner auf den Tiroler Straßen
 
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