Bergkristall - St. Georgen a.d. Gusen, KZ Gusen I und II

Warum sind dann dort Lüftungsrohre... damit die Erde atmen kann? :)
Hast du eventuell Fotos von den Lüftungsrohre? Auch wenn es nichts bringt außer weitere Spekulationen, mit Spaten graben würde zu keinem Erfolg führen und selbst wenn man mit Bodenscan Hohlräume nachweisen könnte würde keiner eine Genehmigung geben mit schwerem Gerät zu graben. Fakt ist der Grundwasserspiegel lässt eigentlich keine intakten Stollen zu und wären größere nicht natürliche Hohlräume, unterspült mot Wasser hätte die Oberfläche definitiv nachgeben müssen.
 
Der 3 Stöckige Bereich ist weiter im N/o , dort ist sogar noch ein Eingang der vom Förster überwacht wird, vermutlich mit Tierkameras.Poschacherstr.
Dort sind mehrere Personen unabhängig voneinander als Kinder in mehreren Stöcken herumgelaufen...
Liegt der von dir angegebene Ort wenn dann nicht leicht südlicher und weiter im Osten bezogen auf die "bekannten Anlage"
 

josef

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SS-Heim im ehemaligen KZ Gusen freigelegt
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Auf einem Areal des ehemaligen Konzentrationslagers Gusen im Mühlviertel haben Ausgrabungen jetzt die Fundamente des ehemaligen „Unterführerheimes“ zutage gebracht. Das Gebäude wurde während der NS-Zeit von KZ-Mitarbeitern als eine Art Sozialraum genutzt.
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Erst vor zwei Jahren hatte die Republik das Areal, das früher zum KZ Gusen gehört hat, aus Privatbesitz zurückgekauft und der NS-Gedenkstätte Mauthausen zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit dem Bundesheer wurde der Bewuchs von 80 Jahren gerodet. Dabei wurden einige Fundamente entdeckt, die zum ehemaligen „Unterführerheim“ gehören.

Männer luden Frauen aus der Umgebung ein
Das Gebäude diente als eine Art Sozialraum, in dem sich Mitarbeiter des Konzentrationslagers nach ihrem Dienst zum Essen und Trinken trafen. An Wochenenden luden die Männer auch gerne Frauen aus der Umgebung dorthin ein, erklärt Bernhard Mühleder, einer der Projektverantwortlichen. „Das wissen wir auch aus Interviews mit eben damals jungen Frauen die von diesen Treffen auch erzählt haben“, so Mühleder weiter.

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Mauthausen Memorial / Julius Sevcik
Auf einem Areal des ehemaligen KZ Gusen haben Ausgrabungen die Fundamente des ehemaligen „Unterführerheimes“ zutage gebracht.
Mauthausen Memorial / Julius Sevcik
Bei den archäologischen Ausgrabungen wurden unter anderem die Fliesen des ehemaligen Küchenbodens gefunden.

Mauthausen Memorial / Julius Sevcik
Das Gebäude diente als eine Art Sozialraum, in dem sich Mitarbeiter des Konzentrationslagers nach ihrem Dienst zum Essen und Trinken trafen.

Mauthausen Memorial / Julius Sevcik

Mauthausen Memorial / Julius Sevcik

Mauthausen Memorial / Julius Sevcik

Alltagsmaterial gefunden
Bei den archäologischen Ausgrabungen wurden jetzt unter anderem die Fliesen des ehemaligen Küchenbodens gefunden – mit der aufgedruckten Jahreszahl 1940. Es wurde aber auch viel anderes Alltagsmaterial gefunden, das erst noch ausgewertet werden muss. Wichtig sind jedenfalls auch diese alltäglichen Dinge, so Mühleder.

„Und das ist einfach wieder ein Baustein mehr, der dabei hilft diese Geschichte einfach auch entsprechend zu vermitteln“, so Mühleder weiter. Denn, um die NS-Zeit entsprechend darzustellen und verständlich aufzubereiten, müsse man neben den Opfern immer auch die Täter und das Umfeld zeigen.
22.02.2024, red, ooe.ORF.at

SS-Heim im ehemaligen KZ Gusen freigelegt
 

Geist

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Realisierungswettbewerb für Areal gestartet

Zur Erweiterung der KZ-Gedenkstätte Gusen in Langenstein (Bezirk Perg) hat am Montag ein EU-weiter Realisierungswettbewerb für die landschaftsplanerische, baukünstlerische und städtebauliche Gesamtgestaltung mehrerer Areale begonnen.

Grundlage des Wettbewerbs ist der aus dem internationalen Beteiligungsprozess hervorgegangene Masterplan. Details zur Ausschreibung sind auf der Plattform ANKÖ einzusehen, die Teilnahmefrist endet am 10. Jänner 2025 um 12.00 Uhr. Ende Jänner werden im Zuge einer Jurysitzung die besten Beiträge ermittelt, die in der zweiten Wettbewerbsstufe ihre Planungsvorschläge vertiefen.

Diese beginnt voraussichtlich im März, in einer weiteren Jurysitzung im Juni soll die Auswahl der prämierungswürdigen Arbeiten und des Gewinnerprojekts erfolgen. Mit den Siegern verhandelt die Burghauptmannschaft – ohne vorherige Bekanntmachung – über eine Generalplanerrahmenvereinbarung für die Umsetzung. Der Wettbewerb ist zweistufig, offen und anonym, hieß in einer Aussendung am Montag.

Neues Begegnungszentrum eröffnet im Oktober

Parallel werden neue pädagogische Programme entwickelt und die Forschungsstelle der KZ-Gedenkstätte wird in Kürze umfassende wissenschaftliche Aufarbeitungen zu Gusen publizieren. Im Oktober eröffnet zudem ein Informations- und Begegnungszentrum in der Nähe des bestehenden Memorials. „Wir freuen uns, nun die nächste Phase dieses einzigartigen Projektes zu beginnen und gemeinsam zu erleben, wie die Ergebnisse unserer Zusammenarbeit Schritt für Schritt Realität werden“, sagte Barbara Glück, Direktorin der zuständigen KZ-Gedenkstätte Mauthausen.

Burghauptmannschaft als Auftraggeber

Für Burghauptmann Reinhold Sahl steht das Projekt „exemplarisch dafür, wie Österreichs baukulturelles Erbe durch lokale, regionale und europäische Ideen sowie moderne Architektur zukunftsweisend gestaltet werden kann.“ Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sah einen zeitgemäßen Erinnerungsort entstehen, „der die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzeigt und dessen zahlreiche Opfer niemals vergessen lässt“.

Der für die Gedenkstätten zuständige Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) meinte: „Gusen hat lange Zeit bedeutend weniger Aufmerksamkeit erfahren als das ehemalige KZ Mauthausen. Ein umso stärkeres Zeichen ist es nun, dass gerade Gusen der Ort sein wird, der in Sachen Gedenken europaweit neue Maßstäbe setzt.“

Mauthausen Memorial / Julius Sevcik

Die Republik Österreich kaufte 2021/22 mehrere Grundstücke am Areal des ehemaligen KZ Gusen sowie im Eingangsbereich der Stollenanlage „Bergkristall“ in St. Georgen an der Gusen.
Im KZ Gusen wurden von Dezember 1939 bis zu seiner Befreiung im Mai 1945 rund 71.000 Gefangene aus fast 30 Nationen inhaftiert. Mehr als die Hälfte überlebte die Haft nicht. Ab 1955 wurden weite Teile des Geländes mit einer Siedlung überbaut.

red, ooe.ORF.at
Quelle: Realisierungswettbewerb für Areal gestartet
 

josef

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Zeitgeschichte
Erste umfassende Dokumentation des "vergessenen" KZ Gusen
Eine umfassende Darstellung des größten Konzentrationslagers auf österreichischem Boden zeigt die Gräuel der Nazi-Herrschaft anhand von Originaldokumenten

Foto des Konzentrationslagers Gusen am 12. Mai 1945, von einem US-Soldaten aufgenommen. Das Bild macht die Dimension des Lagers deutlich.
USHMM / Mauthausen Memorial
Auch er habe in seiner Schulzeit nie etwas vom Konzentrationslager Gusen gehört, sagt Gregor Holzinger. So wie dem Leiter der Forschungsstelle der KZ-Gedenkstätte Mauthausen geht es wohl vielen Österreichern und Österreicherinnen. Dabei war das wenige Kilometer nordwestlich gelegene Zweiglager von Mauthausen mit 72.000 Gefangenen größer als das Stammlager selbst. Rund die Hälfte der Häftlinge wurde in diesem Vernichtungslager ermordet, 32.000 Tote sind namentlich bekannt. Die Überlebenden gaben Gusen den Beinamen "Hölle aller Höllen". Mit der 280 Seiten starken Dokumentation liegt nun erstmals in Österreich eine umfassende Dokumentation dieser Hölle mit vielen Originaldokumenten und Originalfotos vor.

Überbaut und vergessen
Das KZ Gusen war anfangs Steinbruch, mit dem Beginn der alliierten Luftangriffe auf die nationalsozialistische Rüstungsindustrie mussten von den Häftlingen gewaltige Stollensysteme in den Berg getrieben werden. Hier wurden Waffen und vor allem auch Flugzeugteile gefertigt. Während das Lager in den Herkunftsländern der Insassen weiter als Teil der Nazi-Mordmaschinerie im Gedächtnis blieb, wurde es in Österreich rasch vergessen. Das Stammlager Mauthausen wurde – nicht zuletzt auf Initiative der sowjetischen Behörden–- als Gedenkstätte erhalten; Gusen wurde abgetragen und das Gelände – wie auch beim KZ Ebensee – mit Wohngebäuden überbaut. Übrig geblieben sind nur wenige Relikte wie etwa die SS-Kommandantur, der Krematoriumsofen, zwei Häftlingsunterkünfte, der Schotterbrecher sowie Teile der unterirdischen Stollenanlage.


Eingang zu den Stollenanlagen beim KZ Gusen. Das Bild zeigt die Situation im Jahr 2020.
Thomas Neuhold

Erst seit etwa zwei Jahrzehnten rückt Gusen langsam ins Bewusstsein des offiziellen Österreichs. Die Republik Österreich kaufte Grundstücke und Relikte auf dem ehemaligen Lagergelände, ein Teil der Stollenanlage wurde gesichert und begehbar gemacht. 2020 eröffnete die Bewusstseinsregion Mauthausen-Gusen-St. Georgen am Stolleneingang ein "Haus der Erinnerung". Inzwischen wurde gemeinsam mit Anrainern und Wissenschaftern ein Masterplan zur Erweiterung der KZ-Gedenkstätte erstellt. Der Appellplatz ist bereits saniert, am Schotterbrecher wird aktuell gearbeitet. Ende September 2024 wurde der Realisierungswettbewerb für die landschaftsplanerische, baukünstlerische und städtebauliche Gesamtgestaltung ausgeschrieben.

Ein Blick auf die Täter
Mit der nun vorliegenden ersten Gesamtdokumentation legt das Herausgeberteam auch den aktuellen Forschungsstand zum größten KZ auf österreichischem Boden als Teil des Gedenkstättenprozesses vor. Die Präsentation am 5. November dieses Jahres ist gleichzeitig die Eröffnung des Informationszentrums für die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte.


Das KZ-Gelände Gusen wurde großteils mit einer Wohnsiedlung überbaut. Das Bild stammt aus dem Jahr 2020.
Thomas Neuhold

Das Buch sei "wie ein Ausstellungskatalog" gestaltet, erläutert Holzinger im STANDARD-Gespräch; es soll somit auch für interessierte Laien zugänglich sein. Inhaltlich beginnt die Dokumentation gleich mit einer historischen Sensation: Ein Kaufvertrag zwischen dem lokalen Steinbruchunternehmer Anton Poschacher und der Deutschen Erd- und Steinwerke GmbH aus dem Mai 1938 belegt eindeutig, dass die Nazi-Behörden bereits wenige Wochen nach dem "Anschluss" planten, in Gusen ein Konzentrationslager zu errichten. Die Historiker hatten das Dokument in der Urkundensammlung des Bezirksgerichts Perg gefunden. Übrigens wusste demnach auch der Verkäufer, Anton Poschacher, von den Plänen der Nationalsozialisten.

Insgesamt gibt der großformatige Band ein bedrückendes Bild der Täter und Mitwisser frei. Es wird allein beim Blick auf die Fotos klar, wie sehr die teils ranghohen SS-Männer ins regionale Umfeld integriert waren. "Es wurde im regionalen Wirtshaus getrunken, es gab Verhältnisse mit Frauen aus der Umgebung, und es wurde sogar geheiratet", fasst Holzinger zusammen.

Wie sehr auch österreichische Zivilisten aktiv im Lager tätig waren, zeigt exemplarisch die Geschichte von Leopold Trauner. Ursprünglich Steinbrucharbeiter, stieg der Mühlviertler im Lager zum zivilen Chef des Steinbruchs auf. Er gab Kapos wiederholt den Befehl, langsam arbeitende Häftlinge zu töten. Nach der Befreiung wurde Trauner von Häftlingen gefange ngenommen und den US-Soldaten übergeben. Trauner wurde verurteilt und im Mai 1947 hingerichtet.

Die Bürokratie der Mörder
Das umfangreiche Forschungswerk listet auch detailliert die Herkunft der Inhaftierten auf. Die größte Gruppe mit rund 37 Prozent stellten Menschen polnischer Nationalität. In Gusen sei faktisch die gesamte Intelligenz Polens gefangen gewesen, sagt Holzinger. Die sowjetischen Kriegsgefangenen stellten 22 Prozent der Häftlinge. Mit immerhin sieben Prozent auffallend groß war auch die Gruppe republikanischer Spanier.

Viele ihrer Taten hatte die Bürokratie der SS selbst penibel aufgelistet und festgehalten. In den von Holzinger und seinem Team in eineinhalb Jahren zusammengetragenen Unterlagen findet sich etwa ein Aktenvermerk über Medikamentenversuche an Häftlingen durch Bayer Pharma – ein Tochterunternehmen des Chemiekonzerns IG Farben. Auch eine Liste möglicher natürlicher Todesursachen wurde angefertigt. Aus dieser Liste wurden dann eher zufällig Krankheiten ausgewählt und in die Totenbücher eingetragen. So konnten sich die SS-Bürokraten ein aufwendiges administratives Verfahren ersparen.

Umgekehrt war man aber schon bereit, bürokratische Verfahren einzuleiten, wenn es um den Schutz der Täter ging. Wurden Häftlinge "auf der Flucht erschossen", kam es zu einem Verfahren samt Vernehmungsniederschrift, amtsärztlicher Leichenschau und Planskizze über den Vorfall. Das Procedere sei eine Art "psychologische Hilfe" für die Wachmannschaften gewesen, erläutert Holzinger. Am Ende des Verfahrens sei nämlich immer herausgekommen, dass der Schütze alles richtig gemacht habe – sprich der Mord an dem Häftling rechtens gewesen sei.
(Thomas Neuhold, 30.10.2024)

  • Die Buchpräsentation findet am 5. November um 18 Uhr im Rahmen der Eröffnung des Informationszentrums für die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Gusen (Georgestraße 5, 4222 Langenstein) statt.
  • Christian Dürr, Gregor Holzinger, Stephanie Kaiser, Ralf Lechner (Hg.), "Konzentrationslager Gusen 1939–1945. Eine Dokumentation". 280 Seiten / € 32,50. Wien 2024
  • Infos über das Memorial Gusen: www.gusen-memorial.org
Erste umfassende Dokumentation des "vergessenen" KZ Gusen
 

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Geschichte des KZ Gusen neu aufgearbeitet

Im Konzentrationslager Gusen, dem einstigen Nebenlager von Mauthausen, sind in der NS-Zeit mehr Menschen zu Tode gekommen, als in Mauthausen. Doch das Lager geriet schnell in Vergessenheit. Nun wird der Gedenkort neu gestaltet. In einer neuen Publikation wurde die Geschichte des KZ erstmals umfassend aufgearbeitet – inklusive neuer Zahlen und Fakten.

Das Konzentrationslager Gusen in der oberösterreichischen Gemeinde Langenstein bestand aus drei Lagern, die als Außenstelle des KZ Mauthausen betrieben wurden. Errichten mussten sie die Häftlinge ab Dezember 1939 selbst. Inhaftiert waren vor allem politische Häftlinge aus Polen, Italien oder Spanien. Sie wurden zu Arbeiten im Steinbruch und für die Rüstungsindustrie gezwungen und mussten Stollensysteme im Berg anlegen.

Durch Zwangsarbeit und Mord kamen hier Tausende Menschen ums Leben, im Buch spricht man erstmals von 32.000 namentlich bekannten Opfern. Was hier geschehen ist, wurde in Österreich nach dem Krieg schnell vergessen, weil die meisten Gebäude abgerissen und auf dem Gelände Wohnhäuser gebaut wurden.

APA/MAUTHAUSEN MEMORIAL/BERNHARD MÜHLEDER
Ehemaliges SS-Verwaltungsgebäude im KZ Gusen in Langenstein

In den Ländern der Opferfamilien hat man sich mit der Geschichte des KZ Gusen dagegen schon länger intensiv beschäftigt, erklärt Gregor Holzinger, Leiter der Forschungsstelle der Gedenkstätte Mauthausen und Mitherausgeber des Buches: „Vor allem in Polen ist Gusen sehr bekannt, viel bekannter als Mauthausen. Bei uns war das gar nicht so. Ich habe zum Beispiel in der Schule gar nie etwas gelernt über Gusen, nur über Mauthausen.“

Neues Informationszentrum vor Ort

Doch das ändere sich gerade. Seit 2005 gibt es eine kleine Gedenkstätte vor Ort, in den nächsten Jahren soll hier aber weit mehr an Erinnerung und Aufarbeitung geschehen. In Gusen selbst wurde diese Woche ein Informationszentrum eröffnet, hier kann man sich über die Neugestaltung des Gedenkorts informieren.

APA/MAUTHAUSEN MEMORIAL/BERNHARD MÜHLEDER
Ehemaliger Steinbrecher im KZ Gusen

Parallel zu den Vorbereitungen laufen verschiedene Forschungsprojekte. Neue Erkenntnisse und Originaldokumente werden im Buch präsentiert. Darunter etwa die Dokumentation von „Erschießungen auf der Flucht“.
Laut den neuen Erhebungen wurden zwischen 1938 und 1945 1.498 Häftlinge in Gusen „auf der Flucht“ erschossen. Dabei handelte es sich meist um getarnte und gezielte Ermordungen der SS. „Es wurde danach aber bürokratisch alles unternommen, um diese Morde zu verschleiern“, erklärt Gregor Holzinger. „Das war im Prinzip nur eine psychologische Hilfestellung für die Täter, für die Schützen, um ihnen zu zeigen: Ihr habt alles richtig gemacht, ihr könnt das ruhig weiter so machen“, führt Holzinger aus.

Aufarbeitung aus Täterfamilien

Neu ist auch Fotomaterial von der Täterseite. Bisher gab es nur Aufnahmen der Alliierten oder Propagandamaterial der Nationalsozialisten. Nun steuert die dritte Generation aus den Täterfamilien immer mehr Bildmaterial aus privaten Alben zur Aufarbeitung bei.
Für Gregor Holzinger ist das eine wichtige neue Quelle zur Aufarbeitung der Geschichte. Denn die privaten Fotoalben machen deutlich, wie eng die Beziehungen zwischen den Angehörigen und der regionalen Bevölkerung waren. „Wir haben einige Fotos, auf denen man sieht, wie die Soldaten privat unterwegs waren, mit Frauen aus der lokalen Bevölkerung. Es wurde getrunken, gemeinsam im Wirtshaus, es gab Verlobungen und Hochzeiten“.
Die Integration der Soldaten in das Alltagsleben der Bevölkerung hat wohl auch dazu beigetragen, dass man sich hier erst in den 2000er Jahren für eine Aufarbeitung entschieden hat. Nun hat man – spät, aber doch – intensiv damit begonnen.

Hanna Ronzheimer, ORF Wissen

Dieser Beitrag begleitet die Sendung Ö1-Mittagsjournal, 9. November 2024.
Quelle: Geschichte des KZ Gusen neu aufgearbeitet
 

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Was vom KZ Gusen übrig blieb
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Nationalsozialismus
Online seit heute, 6.00 Uhr
Überlebende haben das KZ Gusen als „die Hölle aller Höllen“ beschrieben. Die Todesraten waren zeitweise höher als im Zwillingslager Mauthausen. Ab 1944 entstand in Gusen die größte unterirdische Rüstungsfabrik des Deutschen Reichs. Trotz seiner überragenden Bedeutung als Tatort nationalsozialistischer Verbrechen forcierte die Republik Österreich in der Nachkriegszeit das Vergessen. Eine Quellendokumentation ist nun Teil eines großangelegten Versuches, Gusen als Gedächtnisort fruchtbar zu machen.

Die Häftlingskarte der Zwangsprostituierten Wanda S. überliefert nicht nur ihr Aussehen, sondern auch, wozu sie im KZ Gusen gezwungen wurde: „Bordellfrau“ ist in sauberer Handschrift auf der Karteikarte vermerkt. Als „geheim“ eingestufte Tatortfotos aus dem Amtsgericht Mauthausen dokumentieren tödliche Unfälle bei der Zwangsarbeit im Steinbruch.

Anhand von Quellen wie diesen ermöglicht der Band „Konzentrationslager Gusen. 1939–1945“ das Eintauchen in die Arbeits- und Funktionsweise eines Ortes, in dem nach dem Willen der Nationalsozialisten Verfolgte aus 27 Nationen gequält und ermordet wurden. Insgesamt waren im KZ Gusen rund 72.000 Menschen inhaftiert. Nur etwa die Hälfte von ihnen überlebte.

Um die wenigen baulichen Überreste der Lager Gusen I bis III im oberösterreichischen Mühlviertel entfalteten sich im Nachkriegsösterreich oft beschämende Aktivitäten. Etwa die Einrichtung einer Champignonzucht in den unterirdischen Stollen, in denen KZ-Häftlinge bei der Zwangsarbeit umgekommen waren.

Was von Gusen übrig blieb, sind vor allem über die ganze Welt verstreute Fotos, Verwaltungs- und Prozessakten, Tagebücher, Zeichnungen, Erinnerungen von Zeitzeugen und sogar Musiknoten, die den Massenmord, aber auch den Willen zum Überleben dokumentieren. Die im Band versammelten Quellen führen nah an die Menschen von damals heran – an die Opfer und an die Täter.
Das Notizbuch des KZ-Häftlings Germano Facetti mit Teilen seiner Häftlingsuniform (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 98), Museu d’Història de Catalunya
Häftlinge beim Bau des KZ Gusen, Frühjahr 1940 (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 27)
Der Italiener Facetti hielt die Ankunft eines „Räumungstransportes“ weiblicher KZ-Häftlinge im April 1945 fest (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 98)
Eine Zeichnung Facettis, die die Allgegenwärtigkeit des Todes im KZ Gusen veranschaulicht (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 99), Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau
„Veränderungsmeldungen“ überliefern den Häftlingsstand des KZ Gusen und geben Auskunft über Namen und Nationalität der im KZ Getöteten (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 75)

International verstreute Quellen
Die internationale Zerstreuung der Quellen war eine Herausforderung für das Publikationsteam, berichtet Gregor Holzinger, der Leiter der Forschungsstelle der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, im Gespräch mit ORF Topos. Möglich war das Projekt durch die vorangegangene jahrzehntelange weltweite Sammlungstätigkeit der Gedenkstätte. Zudem wurden in einem einjährigen Projekt aus dieser Sammlung Objekte und Dokumente mit Gusen-Bezug herausgefiltert.

Bedeutende Quellen hätten vor allem Häftlinge selbst bewahrt, betont Holzinger. Sie retteten gegen Kriegsende unter Lebensgefahr Beweismittel vor der Vernichtung durch die SS. Etwa die Totenbücher, die die Ermordung Zehntausender bezeugen. Drei dieser Totenbücher fanden ihren Weg sogar nach Australien, wo sie der ehemalige Gusener Häftlingsschreiber Zdzisław Marian Rakowski dem Roten Kreuz übergab.

Die Herkunft der in Gusen Inhaftierten war international – unter ihnen befanden sich Mitglieder der polnischen Intelligenz, republikanische Spanier, sowjetische Kriegsgefangene, aber auch Juden aus ganz Europa. Menschen, die die Nationalsozialisten aus politischen oder rassischen Gründen vernichten wollten. Mit den Überlebenden zerstreuten sich die Zeugnisse nach der Befreiung 1945 in alle Welt.

Quellen zu „allen Aspekten“ des Lagers
Der nun erschienene Forschungsband versammelt Material von Überlebendenverbänden, Privatpersonen, internationalen und lokalen Archiven und soll an „alle Aspekte“ des Lagers von seiner Gründung 1939 bis zur Befreiung durch die Amerikaner am 5. Mai 1945 heranführen, so die Herausgeber.

Unaufgeregt und wissenschaftlich sauber kontextualisiert der Band Quellen durch Aufsätze, die in zehn Themengruppen angeordnet sind. Die gewählte Methode, sich dem Schreckensort ausgehend von den Quellen anzunähern, geht zuweilen auf Kosten der Übersichtlichkeit, ermöglicht aber auch interessierten Laien ein fast immersives Eintauchen in die verästelten Details des Lageralltags.

Beklemmend ist beispielsweise die Beschreibung der Häftlingspost als Disziplinierungsinstrument. Aufgerollt wird das anhand des wie durch ein Wunder erhalten gebliebenen (und zensierten) Schreibens eines polnischen Häftlings an seine Eltern: „Bin gesund und fühle mich wohl“, schrieb Stefan Trynka 1941 aus dem Vernichtungslager.

Angehörige der Lager-SS posieren mit Anrainern des KZ Gusen, Sommer 1941 oder 1942 (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 137), KZ Gedenkstätte Mauthausen
Das Fotoalbum des SS-Angehörigen Artur Schulz. Die Fotos zelebrieren militärische Schneidigkeit und die Kameradschaft unter den in Gusen eingesetzten SS-Männern (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 117).
Bundesarchiv, Außenstelle Ludwigsburg, B 162/4756
Anklageschrift 1959 gegen Karl Chmielewski, Leiter des KZ Gusen von 1940 bis 1942. Chmielewski war nach Kriegsende untergetaucht und wurde erst 1959 angeklagt (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 126).
Anklageschrift 1959 gegen Karl Chmielewski, Leiter des KZ Gusen von 1940 bis 1942. Chmielewski war nach Kriegsende untergetaucht und wurde erst 1959 angeklagt (in: „Konzentrationslager Gusen 1939-1945 – Eine Dokumentation“, S. 127).
Anklageschrift 1959 gegen Karl Chmielewski, Leiter des KZ Gusen von 1940 bis1942 (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 128)
Anklageschrift 1959 gegen Karl Chmielewski, Leiter des KZ Gusen von 1940 bis 1942 (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 129)

Das Todeslager
„Vernichtung durch Arbeit“ stand im Zentrum des KZ Gusen. Diese Botschaft können die publizierten Quellen allerdings nur ansatzweise gewichten. Hier übernehmen ein ausführlicher wissenschaftlicher Kommentar und die beigefügte Chronologie.

Die Begleittexte zeigen, wie Gusen ab 1943 zu einem der wichtigsten Zentren der Rüstungsproduktion des Deutschen Reiches expandierte. Für qualifizierte Häftlinge stiegen die Überlebenschance durch die Fertigung von Gewehrteilen für die Steyr Daimler Puch AG und die Arbeit am Jagdflugzeug Me 109 für die Messerschmitt GmbH. Um die Rüstungsproduktion vor den alliierten Luftangriffen zu schützen, mussten Häftlinge unterirdische Stollen anlegen. Diese gefährliche Arbeit ließ die Todesraten von Gusen wieder in die Höhe schnellen.

Kranke und Schwache wurden in Gusen aussortiert und ermordet – in der 34 Kilometer entfernten Tötungsanstalt Hartheim und an Ort und Stelle durch Vergasungswagen und Zyklon B-Versuche. Besonders sadistisch waren die „Todbadeaktionen“ in den Jahren 1941 bis 1942, bei denen kranke Häftlinge mittels eiskalter Brausebäder ermordet wurden. Kaum Überlebenschancen hatten sowjetische Kriegsgefangene, die gezielt getötet wurden.

Medizinische Versuche und Willkürakte
Flankiert wurden diese Tötungsmaßnahmen von medizinischen Versuchen an Häftlingen und durch persönliche Willkürakte der SS-Belegschaft und der Kapos. Im Jänner 1945 starben Hunderte Häftlinge im Rahmen einer „Desinfektion“ des Lagers. Sie mussten bei starkem Frost nackt im Freien übernachten. Daneben grassierten Hunger und durch mangelnde Hygiene ausgelöste Epidemien wie Fleckfieber.

Dass Gusen von Anfang an als Vernichtungslager geplant war, darauf lässt der Schriftverkehr zwischen der Firma J. A. Top & Söhne und der SS-Bauleitung Mauthausen schließen. Gleichzeitig zur offiziellen Eröffnung im Mai 1940 wurde für Gusen ein eigener Krematoriumsofen bestellt.

Schlampiger Umgang mit der Nazi-Vergangenheit
In Österreich wurde die Erinnerung an das ehemals härteste Lager der Nationalsozialisten bald getilgt. Barbara Glück, die Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, meint in einem Video der Gedenkstätte, Gusen sei „ein Spiegelbild dessen, wie Österreich generell mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte umgegangen ist“.

Eine erste Basis für das Vergessen von Gusen legten aber schon die sowjetischen Besatzer. Sie führten als Reparationsleistung die KZ-Steinbrüche als sowjeteigene USIA-Betriebe weiter. Durch Plünderungen und Verkauf verschwanden schon 1945 Teile des Lagers. Im Herbst 1947 unternahmen die Sowjets einen Sprengungsversuch des Stollens „Bergkristall“, der die unterirdische Rüstungsproduktion beherbergt hatte.

Nach dem Abzug der Alliierten 1955 wurde Gusen an die Republik Österreich zurückgestellt. Das vier Kilometer entfernte KZ Mauthausen sollte als Gedenkstätte erhalten bleiben, für das Zwillingslager Gusen gab es keine Auflagen. Die Republik Österreich parzellierte das Gebiet der Lager Gusen I und II und verkaufte es billig als Baugrund.

Die Republik Österreich verkaufte ab den 1950er Jahren Teile des KZ-Geländes von Gusen als Baugrund
Mauthausen Memorial 2.1.022.147

Damit war der Grundstein für einen Jahrzehnte schwärenden Konflikt gelegt. „Buchstäblich auf den Fundamenten“ des ehemaligen Lagers, so das Herausgeberteam des vorliegenden Forschungsbandes, entstand in den 1950er Jahren eine Wohnsiedlung. Auch das ehemalige Lagerbordell, in dem Wanda S. und andere Frauen als Zwangsprostituierte ausgebeutet worden waren, wurde zum Wohnhaus. Das Jourhaus, die ehemalige Kommandantur des KZs, gelangte ebenfalls in private Hände.
  • Das 1942 eingerichtete Häftlingsbordell im KZ Gusen. Zehn weibliche Häftlinge wurden hier als Zwangsprostituierte eingesetzt. picturedesk.com/laif/Berthold Steinhilber
    Heute dient das ehemalige Bordell als Wohnhaus (Foto 2006), Arolsen Archives
    Die Häftlingspersonalkarte der Zwangsprostituierten Wanda S. (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 164), Arolsen Archives
    Auf der Rückseite der Karteikarte ist der Einsatz von Wanda S. als „Bordellfrau“ dokumentiert (in: „Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation“, S. 164), Amical de Mauthausen
    Der Eingangsbereich des KZ Gusen, auch genannt „Jourhaus“, picturedesk.com/laif/Berthold Steinhilber
    Heute dient das „Jourhaus“ als repräsentatives Wohnhaus (Foto 2006)

Der Konflikt um das Krematorium
Um den Krematoriumsofen, das markanteste Relikt des KZ Gusen, begann in den 1950ern eine Wohnsiedlung zu wachsen. Dieses Krematorium war von Überlebenden, vorwiegend aus Polen und Frankreich, bereits Ende der 1940er zur inoffiziellen Gedenkstätte transformiert worden. Diese wurde zunehmend zum „Dorn im Auge“ von lokalen und nationalen Behörden, erzählt Forschungsleiter Holzinger im Gespräch mit ORF Topos. Die Republik Österreich erteilte schließlich der zuständigen Gemeinde die Abrissbewilligung für das Krematorium.

Nach internationalen Protesten und einer Spendensammlung entstand gegen den Willen der damaligen Regierenden rund um das Krematorium das 1965 eingeweihte „Memorial“. Der Bau geht auf eine Mailänder Architektengruppe zurück, von der zwei Mitglieder ebenfalls Häftlinge in Gusen gewesen waren. Erst 1997 erklärte sich die Republik Österreich verantwortlich für seine Erhaltung.

Der Krematoriumsofen des KZ Gusen ist heute Zentrum des „Gusen Memorial“
picturedesk.com/AFP/Joe Klamar
Die KZ-Gedenkstätte steht heute inmitten einer Wohnsiedlung

Weiterentwicklung zum internationalen Gedenkort
Seitens des offiziellen Österreich erfolgte in den vergangen drei Jahrzehnten Schritt für Schritt eine Abkehr von der Politik des aktiven Verdrängens. Die Republik hat mittlerweile Grundstücke der ehemaligen Lager zurückgekauft. Seit 2011 gibt es ein „Bürger*innenbeteiligungsprojekt“, das alle Beteiligten – von den Anrainern bis zu den diplomatischen Vertretungen der Herkunftsländer der Opfer – an einen Tisch gebracht hat.
Gegenseitiger „Respekt“ und das Ziel, die leidvolle Geschichte an die Jugend weiterzuvermitteln, stehen bei der künftigen Erweiterung der Gedenkstätte Gusen im Vordergrund. 2025 soll mit der Realisierung begonnen werden.
10.11.2024, Silvia Heimader (Text, Gestaltung), ORF Archiv, Mona Harfmann (Redaktion), ORF Topos
Literatur:
1731253947462.png
ORF Topos
 
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