E-Autos: Streit über Metallabbau im Meer
Wer Akkus und Batterien bauen will, braucht bestimmte Metalle – etwa Nickel und Kobalt. Im Zuge der aufkommenden Elektromobilität steigt ihre globale Nachfrage immer mehr. Die Elektroindustrie erwartet sich große Chancen, die dafür benötigten Metalle zunehmend aus dem Grund der Ozeane abbauen zu können. Meeresbiologinnen und -biologen warnen vor einer Umweltkatastrophe.
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E-Autos: Streit über Metallabbau im Meer

Wer Akkus und Batterien bauen will, braucht bestimmte Metalle – etwa Nickel und Kobalt. Im Zuge der aufkommenden Elektromobilität steigt ihre globale Nachfrage immer mehr. Die Elektroindustrie erwartet sich große Chancen, die dafür benötigten Metalle zunehmend aus dem Grund der Ozeane abbauen zu können. Meeresbiologinnen und -biologen warnen vor einer Umweltkatastrophe.
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Deshalb wird eine mit Juli fällige Entscheidung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) von allen Seiten mit Aufregung erwartet. Die ISA, eine Unterorganisation der UNO, will international gültige Regeln für den Metallabbau aus dem Meeresgrund festlegen. Je nach Ausrichtung erwarten Beobachterinnen und Beobachter aber schon jetzt einen regelrechten Ansturm auf den Abbau seltener Metalle aus dem Boden der Ozeane.
Umweltschützerinnen und Umweltschützer sagen, dass das die bereits bedrohten Ökosysteme der Meere stark gefährden würde. Sie befürchten, die ISA sei zu eng mit der aufstrebenden Bergbauindustrie verbunden, und erwarten eine Entscheidung zu Ungunsten des Schutzes der Meere.
„Große Herausforderung unserer Zeit“
„Es ist eine große Herausforderung unserer Zeit, die gegensätzlichen Interessen der Menschheit am Erwerb von Meeresressourcen für Nahrung, Mineralien und Energie mit dem Schutz von Lebensräumen in Einklang zu bringen“, sagte Will Homoky, Biochemiker an der britischen Universität Leeds, kürzlich im Gespräch mit „Bloomberg“. Homoky war daran beteiligt, jene Umweltdaten zu sammeln, die die ISA für ihre Analyse braucht.
Reuters/Lucas Jackson
Fische und Korallen sind schon jetzt stark bedroht. Kaum ein Ökosystem der Ozeane ist noch intakt.
Derzeit werden die Metalle für Handyakkus, Computer, E-Autos und Co. vorwiegend in Bergwerken der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) und in Indonesien abgebaut. Damit eng verbunden sind Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit, wie etwa Amnesty International immer wieder untersucht. Durch den Abbau der Metalle im Meer könnten die Bergwerke an Land nun zumindest für einige westliche Unternehmen ihre Bedeutung verlieren. Schon jetzt seien die Bergwerke in der DR Kongo fest in chinesischer Hand, wie die „South China Morning Post“ („SCMP“) jüngst analysierte.
Forschungsschiffe entsendet
Erste Hinweise, dass sich die Bergbauindustrie verändern könnte, gibt es bereits: Ein europäisches Forschungsschiff verließ die US-amerikanische Stadt San Diego im April, um Bergbauausrüstung in der Clarion-Clipperton-Zone zu testen. Diese Zone ist eine Bruchzone zwischen Hawaii und Mexiko, die so groß ist wie das Festland der USA. Der Meeresgrund dort beinhaltet Milliarden von Tonnen Manganknollen. Das sind faustgroße Gesteinsbrocken, die sich über Tausende von Jahren gebildet haben und mit Nickel und Kobalt gefüllt sind – also Hauptressource für Lithium-Ionen-Batterien, die in E-Autos eingebaut werden.
Ein weiteres Schiff der A. P. Moller-Maersk A/S ist im April ausgelaufen, um wissenschaftliche Daten für DeepGreen Metals Inc. zu sammeln. DeepGreen ist ein in Vancouver ansässiger Konzern, das von den pazifischen Inselnationen Nauru, Kiribati und Tonga das Recht erwarb, Teile ihres Meeresgebiets von der Größe Südafrikas zu untersuchen. Die Exkursion umfasse etwa 225.000 Quadratkilometer, teilte das Unternehmen gegenüber „Bloomberg“ mit.
Reuters/Nigel Roddis
Große Maschinen werden benötigt, um Metalle und Mineralien aus dem Meeresboden zu schürfen
Das Gebiet des Ozeans, das das Unternehmen erkundet habe, enthalte Mineralreserven, um 280 Millionen E-Autos zu betreiben. DeepGreen-CEO Gerard Barron verspricht Investorinnen und Investoren Gewinnspannen von mehr als 60 Prozent. 2024 wolle man mit der Metallproduktion beginnen. Gespräche mit Autoherstellern in Detroit über mögliche langfristige Verträge hätten schon begonnen, so Barron zu „Bloomberg“.
„Falsche Dichotomie“
„Es ist eine falsche Dichotomie, die von der Industrie vorgeschlagen wird, dass wir, wenn wir erneuerbare Energie und Batterien für Elektroautos wollen, die Tiefsee abbauen müssen“, sagte Lisa Levin, eine Wissenschaftlerin an der Scripp’s Institution of Oceanography in San Diego zu der Nachrichtenseite. Es besteht Ungewissheit darüber, inwiefern sich der Abbau auf dem Meeresgrund auf die Biologie der Ozeane auswirken könnte.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten allerdings eine negative Veränderung, da teilweise unberührte Natur unweigerlich gestört würde. Bisherige Forschungen zeigten laut Levin, dass Abbauversuche aus den 70ern, die dem Bergbau bisher nicht die gewünschten Erfolge brachten, Jahrzehnte später noch nachhaltige Auswirkungen für die Meere haben.
Biologinnen und Biologen bemerkten gegenüber „Bloomberg“ weiter, dass ein Großteil der Forschung auf dem Grund der Ozeane im letzten Jahrzehnt von Bergbauunternehmen finanziert worden sei, die sich mit Regulierungsbehörden abstimmen würden. Erst anschließend würden Regeln aufgestellt, die Projekte durchführbar machten. Das weise darauf hin, so Levin weiter, dass das primäre Ziel der ISA eine Öffnung des Tiefseebergbaus sei. Wie die ISA „Bloomberg“ mitteilte, müssten Bergbauunternehmen jedoch jährlich Bericht erstatten und würden von unabhängiger Seite überwacht, um zu überprüfen, ob sie sich an die Umweltvorschriften halten würden.
WWF fordert Stopp, Greenpeace droht mit Blockade
Kobalt- und Nickelvorkommen im Meeresboden könnten möglicherweise Engpässe bei Batterieherstellern beseitigen. Doch nicht alle, die davon profitieren würden, sind begeistert. So haben Bedenken über Umweltrisiken die Unternehmen BMW, Google und Samsung im März dazu veranlasst, doch einen Rückzieher zu machen. Sie wollen keine Metalle kaufen, die aus dem Meer abgebaut werden, bis die Forschung eine ökologische Unbedenklichkeit der Bergbautätigkeiten beweist. Das bedeutet freilich nicht, dass die Konzerne auf Nickel, Kobalt und Co. verzichten können – sie verlassen sich indes auf die herkömmlichen Abbaumethoden an Land.
Wie der Entscheid der ISA ausfallen wird, bleibt abzuwarten, doch der Konflikt offenbart die komplexen Kompromisse, die UNO-Organisationen häufig eingehen müssen, im Bestreben die Klimakrise einzudämmen. Der WWF forderte jedenfalls einen Stopp jeglicher Abbaupläne, während Greenpeace damit drohte, den Tiefseebergbau zu stören und zu blockieren. Die Ökosysteme der Ozeane seien schon jetzt durch Übersäuerung, Plastikverschmutzung und Korallensterben zu sehr belastet, mahnen die Umweltschutzorganisationen.
27.04.2021, vogl, ORF.at
Links:
Umweltschützerinnen und Umweltschützer sagen, dass das die bereits bedrohten Ökosysteme der Meere stark gefährden würde. Sie befürchten, die ISA sei zu eng mit der aufstrebenden Bergbauindustrie verbunden, und erwarten eine Entscheidung zu Ungunsten des Schutzes der Meere.
„Große Herausforderung unserer Zeit“
„Es ist eine große Herausforderung unserer Zeit, die gegensätzlichen Interessen der Menschheit am Erwerb von Meeresressourcen für Nahrung, Mineralien und Energie mit dem Schutz von Lebensräumen in Einklang zu bringen“, sagte Will Homoky, Biochemiker an der britischen Universität Leeds, kürzlich im Gespräch mit „Bloomberg“. Homoky war daran beteiligt, jene Umweltdaten zu sammeln, die die ISA für ihre Analyse braucht.

Fische und Korallen sind schon jetzt stark bedroht. Kaum ein Ökosystem der Ozeane ist noch intakt.
Derzeit werden die Metalle für Handyakkus, Computer, E-Autos und Co. vorwiegend in Bergwerken der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) und in Indonesien abgebaut. Damit eng verbunden sind Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit, wie etwa Amnesty International immer wieder untersucht. Durch den Abbau der Metalle im Meer könnten die Bergwerke an Land nun zumindest für einige westliche Unternehmen ihre Bedeutung verlieren. Schon jetzt seien die Bergwerke in der DR Kongo fest in chinesischer Hand, wie die „South China Morning Post“ („SCMP“) jüngst analysierte.
Forschungsschiffe entsendet
Erste Hinweise, dass sich die Bergbauindustrie verändern könnte, gibt es bereits: Ein europäisches Forschungsschiff verließ die US-amerikanische Stadt San Diego im April, um Bergbauausrüstung in der Clarion-Clipperton-Zone zu testen. Diese Zone ist eine Bruchzone zwischen Hawaii und Mexiko, die so groß ist wie das Festland der USA. Der Meeresgrund dort beinhaltet Milliarden von Tonnen Manganknollen. Das sind faustgroße Gesteinsbrocken, die sich über Tausende von Jahren gebildet haben und mit Nickel und Kobalt gefüllt sind – also Hauptressource für Lithium-Ionen-Batterien, die in E-Autos eingebaut werden.
Ein weiteres Schiff der A. P. Moller-Maersk A/S ist im April ausgelaufen, um wissenschaftliche Daten für DeepGreen Metals Inc. zu sammeln. DeepGreen ist ein in Vancouver ansässiger Konzern, das von den pazifischen Inselnationen Nauru, Kiribati und Tonga das Recht erwarb, Teile ihres Meeresgebiets von der Größe Südafrikas zu untersuchen. Die Exkursion umfasse etwa 225.000 Quadratkilometer, teilte das Unternehmen gegenüber „Bloomberg“ mit.

Große Maschinen werden benötigt, um Metalle und Mineralien aus dem Meeresboden zu schürfen
Das Gebiet des Ozeans, das das Unternehmen erkundet habe, enthalte Mineralreserven, um 280 Millionen E-Autos zu betreiben. DeepGreen-CEO Gerard Barron verspricht Investorinnen und Investoren Gewinnspannen von mehr als 60 Prozent. 2024 wolle man mit der Metallproduktion beginnen. Gespräche mit Autoherstellern in Detroit über mögliche langfristige Verträge hätten schon begonnen, so Barron zu „Bloomberg“.
„Falsche Dichotomie“
„Es ist eine falsche Dichotomie, die von der Industrie vorgeschlagen wird, dass wir, wenn wir erneuerbare Energie und Batterien für Elektroautos wollen, die Tiefsee abbauen müssen“, sagte Lisa Levin, eine Wissenschaftlerin an der Scripp’s Institution of Oceanography in San Diego zu der Nachrichtenseite. Es besteht Ungewissheit darüber, inwiefern sich der Abbau auf dem Meeresgrund auf die Biologie der Ozeane auswirken könnte.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten allerdings eine negative Veränderung, da teilweise unberührte Natur unweigerlich gestört würde. Bisherige Forschungen zeigten laut Levin, dass Abbauversuche aus den 70ern, die dem Bergbau bisher nicht die gewünschten Erfolge brachten, Jahrzehnte später noch nachhaltige Auswirkungen für die Meere haben.
Biologinnen und Biologen bemerkten gegenüber „Bloomberg“ weiter, dass ein Großteil der Forschung auf dem Grund der Ozeane im letzten Jahrzehnt von Bergbauunternehmen finanziert worden sei, die sich mit Regulierungsbehörden abstimmen würden. Erst anschließend würden Regeln aufgestellt, die Projekte durchführbar machten. Das weise darauf hin, so Levin weiter, dass das primäre Ziel der ISA eine Öffnung des Tiefseebergbaus sei. Wie die ISA „Bloomberg“ mitteilte, müssten Bergbauunternehmen jedoch jährlich Bericht erstatten und würden von unabhängiger Seite überwacht, um zu überprüfen, ob sie sich an die Umweltvorschriften halten würden.
WWF fordert Stopp, Greenpeace droht mit Blockade
Kobalt- und Nickelvorkommen im Meeresboden könnten möglicherweise Engpässe bei Batterieherstellern beseitigen. Doch nicht alle, die davon profitieren würden, sind begeistert. So haben Bedenken über Umweltrisiken die Unternehmen BMW, Google und Samsung im März dazu veranlasst, doch einen Rückzieher zu machen. Sie wollen keine Metalle kaufen, die aus dem Meer abgebaut werden, bis die Forschung eine ökologische Unbedenklichkeit der Bergbautätigkeiten beweist. Das bedeutet freilich nicht, dass die Konzerne auf Nickel, Kobalt und Co. verzichten können – sie verlassen sich indes auf die herkömmlichen Abbaumethoden an Land.
Wie der Entscheid der ISA ausfallen wird, bleibt abzuwarten, doch der Konflikt offenbart die komplexen Kompromisse, die UNO-Organisationen häufig eingehen müssen, im Bestreben die Klimakrise einzudämmen. Der WWF forderte jedenfalls einen Stopp jeglicher Abbaupläne, während Greenpeace damit drohte, den Tiefseebergbau zu stören und zu blockieren. Die Ökosysteme der Ozeane seien schon jetzt durch Übersäuerung, Plastikverschmutzung und Korallensterben zu sehr belastet, mahnen die Umweltschutzorganisationen.
27.04.2021, vogl, ORF.at
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