Wie die Wüste aus dem Marchfeld verschwand
Weite Teile des Marchfelds waren einst von Sanddünen bedeckt. Aufforstungsmaßnahmen im 19. Jahrhundert drängten die Sandwüste zurück, sodass Ackerbau möglich wurde. Von der einzigartigen Flora und Fauna der Sandwüste zeugen aktuell nur noch wenige Flecken.
Online seit heute, 18.57 Uhr
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Erst auf den zweiten Blick lässt sich die Sanddüne in Oberweiden (Bezirk Gänserndorf) erkennen. Dabei ist sie immerhin 600 Meter lang und an der höchsten Stelle 14 Meter hoch. Doch die Hügel der Oberweidener Sanddüne sind heute großflächig mit Gras und Sträuchern bewachsen.
Der Sand kam während der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren über das Flussbett der Donau ins Marchfeld. „Die Donau war damals, während der Kaltphasen, kaum wasserführend“, erklärt der Landschaftsökologe Heinz Wiesbauer gegenüber noe.ORF.at. Der Wind hat den Sand aus dem Flussbett geholt und über weite Teile des Marchfelds verteilt.
„Staubwolken drohen Wanderer zu verschütten“
Wie prägend das sandige Landschaftsbild war, zeigt ein Blick in die „Kirchliche Topographie des Erzherzogthums Österreich“ aus dem Jahr 1835, darin wurde das Marchfeld sogar mit der Wüste Ägyptens verglichen. „In dieser großen Sandwüste zeigt sich nichts als das röthliche Heidegras dem Blicke; Sturm und Wind treiben fürchterliche Sand- und Staubwolken auf, die den Wanderer zu verschütten drohen, und die fruchtbaren Felder mit Sand bedecken.“
Selbst alte Fotografien aus den 1930er und 1940er Jahren zeigen noch große Reste der einstigen Sanddüne. Das Marchfeld war aber nicht überall sandig, betont Wiesbauer, es sei vielmehr ein „Ort der Extreme“ gewesen. Während manche Bereiche Wüsten glichen, waren andere extrem feucht. Ortsnamen wie Lassee oder Haringsee (jeweils Bezirk Gänserndorf) erinnern noch heute an ehemals große Feuchtgebiete.
Fotostrecke
Österreichische Nationalbibliothek
Dürres Gestrüpp und Steppe gehören der Vergangenheit an…
ORF/Tobias Mayr
…heute erblüht das Marchfeld in sattem Grün
Österreichische Nationalbibliothek
Einst schoben sich Wanderdünen durch die ebene Fläche…
ORF/Tobias Mayr
… heute erkennt man die Dünen nur noch an ihrer Form.
Österreichische Nationalbibliothek
Im 18. Jahrhundert ordnete Kaiserin Maria Theresia an, das Marchfeld großflächig aufzuforsten
ORF/Tobias Mayr
So wurden die Windschneisen durchbrochen und der Sand wurde festgesetzt
Österreichische Nationalbibliothek
Die Aufforstung mit Wäldern und Windschutzgürteln machte den Ackerbau im Marchfeld erst möglich
ORF/Tobias Mayr
Die Sanddünen sind heute nur noch in ausgewiesenen Landschaftsschutzgebieten zu sehen
Österreichische Nationalbibliothek
Solche Landschaften gibt es aber nirgends mehr im Marchfeld
Aufforstung gegen Sandstürme
Die Extreme waren vor allem für die Landwirtschaft ein Problem, sagt Wiesbauer. Ab 1770 wurde auf Wunsch von Kaiserin Maria Theresia damit begonnen, die Sanddünen zu stabilisieren, um die Sandverwehungen zu minimieren. „Das Marchfeld war sehr nahe der Residenzstadt und man wollte einfach eine Kornkammer schaffen“, erklärt der Landschaftsökologe.
Nach einigen Jahrzehnten erfolgloser Versuche mit Pappeln und Weiden konnte man schließlich mit der widerstandsfähigen Schwarzföhre die besten Ergebnisse einfahren. „Wenn der Sand offen ist, wird er immer wieder umgelagert“, erklärt Wiesbauer, es könne sich so kein Oberboden herausbilden. Mit dem beginnenden Baumbestand konnte der Boden dagegen gefestigt werden, wodurch sich eine Humusschicht bilden konnte.
Zu Zeiten Kaiserin Maria Theresias waren noch 30 Quadratkilometer von Sand bedeckt, zum Ersten Weltkrieg war nur noch ein Drittel davon übrig. Heute sind nur noch wenige ausgewählte Landschaftsschutzgebiete, darunter Oberweiden sowie die Remise Weikendorf, übrig.
Heinz Wiesbauer
Zahlreiche Wildbienenarten nisten im Sand, weil unter der Oberfläche konstante Temperatur und Feuchtigkeit herrschen
Sand für Wildbienenarten idealer Lebensraum
Die Flora und Fauna der Sandgebiete sind auf einzigartige Weise an den Lebensraum, aber auch aufeinander angepasst. Besonders für Wildbienen ist der Sand der ideale Lebensraum. „Zwei Drittel der Wildbienenarten benötigen offene Sandbereiche für den Nestbau“, sagt Wiesbauer. Die Sandkörner können leicht bewegt werden, darunter würden die Bienen Bedingungen wie in einem Brutschrank finden.
„In diesem Brutschrank herrschen ausgeglichene Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnisse.“ Während die Sandoberfläche Temperaturen von 50 Grad und mehr erreicht, ist es darunter konstant kühl und feucht.
Esel und Pferde erhalten Sandlandschaft
„Die Sanddünen zählen überhaupt zu den bedrohten Lebensräumen europaweit“, sagt Wiesbauer. „Der größte Teil, der jetzt in Form von Sanddünen vorliegt, ist heute Naturschutzgebiet, aber man muss die Gebiete auch pflegen.“
Besonders erfolgreich gelingt das in Oberweiden durch den Einsatz von Weidetieren wie Esel oder Pferde. Durch Abgrasen und Suhlen der Tiere entstehen offene Bodenstellen, die dann Insekten wieder Lebensraum verschaffen.
01.07.2024, Tobias Mayr, noe.ORF.at
Wie die Wüste aus dem Marchfeld verschwand

Weite Teile des Marchfelds waren einst von Sanddünen bedeckt. Aufforstungsmaßnahmen im 19. Jahrhundert drängten die Sandwüste zurück, sodass Ackerbau möglich wurde. Von der einzigartigen Flora und Fauna der Sandwüste zeugen aktuell nur noch wenige Flecken.
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Erst auf den zweiten Blick lässt sich die Sanddüne in Oberweiden (Bezirk Gänserndorf) erkennen. Dabei ist sie immerhin 600 Meter lang und an der höchsten Stelle 14 Meter hoch. Doch die Hügel der Oberweidener Sanddüne sind heute großflächig mit Gras und Sträuchern bewachsen.
Der Sand kam während der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren über das Flussbett der Donau ins Marchfeld. „Die Donau war damals, während der Kaltphasen, kaum wasserführend“, erklärt der Landschaftsökologe Heinz Wiesbauer gegenüber noe.ORF.at. Der Wind hat den Sand aus dem Flussbett geholt und über weite Teile des Marchfelds verteilt.
„Staubwolken drohen Wanderer zu verschütten“
Wie prägend das sandige Landschaftsbild war, zeigt ein Blick in die „Kirchliche Topographie des Erzherzogthums Österreich“ aus dem Jahr 1835, darin wurde das Marchfeld sogar mit der Wüste Ägyptens verglichen. „In dieser großen Sandwüste zeigt sich nichts als das röthliche Heidegras dem Blicke; Sturm und Wind treiben fürchterliche Sand- und Staubwolken auf, die den Wanderer zu verschütten drohen, und die fruchtbaren Felder mit Sand bedecken.“
Selbst alte Fotografien aus den 1930er und 1940er Jahren zeigen noch große Reste der einstigen Sanddüne. Das Marchfeld war aber nicht überall sandig, betont Wiesbauer, es sei vielmehr ein „Ort der Extreme“ gewesen. Während manche Bereiche Wüsten glichen, waren andere extrem feucht. Ortsnamen wie Lassee oder Haringsee (jeweils Bezirk Gänserndorf) erinnern noch heute an ehemals große Feuchtgebiete.
Fotostrecke

Dürres Gestrüpp und Steppe gehören der Vergangenheit an…

…heute erblüht das Marchfeld in sattem Grün

Einst schoben sich Wanderdünen durch die ebene Fläche…

… heute erkennt man die Dünen nur noch an ihrer Form.

Im 18. Jahrhundert ordnete Kaiserin Maria Theresia an, das Marchfeld großflächig aufzuforsten

So wurden die Windschneisen durchbrochen und der Sand wurde festgesetzt

Die Aufforstung mit Wäldern und Windschutzgürteln machte den Ackerbau im Marchfeld erst möglich

Die Sanddünen sind heute nur noch in ausgewiesenen Landschaftsschutzgebieten zu sehen

Solche Landschaften gibt es aber nirgends mehr im Marchfeld
Aufforstung gegen Sandstürme
Die Extreme waren vor allem für die Landwirtschaft ein Problem, sagt Wiesbauer. Ab 1770 wurde auf Wunsch von Kaiserin Maria Theresia damit begonnen, die Sanddünen zu stabilisieren, um die Sandverwehungen zu minimieren. „Das Marchfeld war sehr nahe der Residenzstadt und man wollte einfach eine Kornkammer schaffen“, erklärt der Landschaftsökologe.
Nach einigen Jahrzehnten erfolgloser Versuche mit Pappeln und Weiden konnte man schließlich mit der widerstandsfähigen Schwarzföhre die besten Ergebnisse einfahren. „Wenn der Sand offen ist, wird er immer wieder umgelagert“, erklärt Wiesbauer, es könne sich so kein Oberboden herausbilden. Mit dem beginnenden Baumbestand konnte der Boden dagegen gefestigt werden, wodurch sich eine Humusschicht bilden konnte.
Zu Zeiten Kaiserin Maria Theresias waren noch 30 Quadratkilometer von Sand bedeckt, zum Ersten Weltkrieg war nur noch ein Drittel davon übrig. Heute sind nur noch wenige ausgewählte Landschaftsschutzgebiete, darunter Oberweiden sowie die Remise Weikendorf, übrig.

Zahlreiche Wildbienenarten nisten im Sand, weil unter der Oberfläche konstante Temperatur und Feuchtigkeit herrschen
Sand für Wildbienenarten idealer Lebensraum
Die Flora und Fauna der Sandgebiete sind auf einzigartige Weise an den Lebensraum, aber auch aufeinander angepasst. Besonders für Wildbienen ist der Sand der ideale Lebensraum. „Zwei Drittel der Wildbienenarten benötigen offene Sandbereiche für den Nestbau“, sagt Wiesbauer. Die Sandkörner können leicht bewegt werden, darunter würden die Bienen Bedingungen wie in einem Brutschrank finden.
„In diesem Brutschrank herrschen ausgeglichene Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnisse.“ Während die Sandoberfläche Temperaturen von 50 Grad und mehr erreicht, ist es darunter konstant kühl und feucht.
Esel und Pferde erhalten Sandlandschaft
„Die Sanddünen zählen überhaupt zu den bedrohten Lebensräumen europaweit“, sagt Wiesbauer. „Der größte Teil, der jetzt in Form von Sanddünen vorliegt, ist heute Naturschutzgebiet, aber man muss die Gebiete auch pflegen.“
Besonders erfolgreich gelingt das in Oberweiden durch den Einsatz von Weidetieren wie Esel oder Pferde. Durch Abgrasen und Suhlen der Tiere entstehen offene Bodenstellen, die dann Insekten wieder Lebensraum verschaffen.
01.07.2024, Tobias Mayr, noe.ORF.at