Große Teile des Marchfelds waren einst eine Sandwüste

josef

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#1
Wie die Wüste aus dem Marchfeld verschwand
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Weite Teile des Marchfelds waren einst von Sanddünen bedeckt. Aufforstungsmaßnahmen im 19. Jahrhundert drängten die Sandwüste zurück, sodass Ackerbau möglich wurde. Von der einzigartigen Flora und Fauna der Sandwüste zeugen aktuell nur noch wenige Flecken.
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Erst auf den zweiten Blick lässt sich die Sanddüne in Oberweiden (Bezirk Gänserndorf) erkennen. Dabei ist sie immerhin 600 Meter lang und an der höchsten Stelle 14 Meter hoch. Doch die Hügel der Oberweidener Sanddüne sind heute großflächig mit Gras und Sträuchern bewachsen.

Der Sand kam während der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren über das Flussbett der Donau ins Marchfeld. „Die Donau war damals, während der Kaltphasen, kaum wasserführend“, erklärt der Landschaftsökologe Heinz Wiesbauer gegenüber noe.ORF.at. Der Wind hat den Sand aus dem Flussbett geholt und über weite Teile des Marchfelds verteilt.

„Staubwolken drohen Wanderer zu verschütten“
Wie prägend das sandige Landschaftsbild war, zeigt ein Blick in die „Kirchliche Topographie des Erzherzogthums Österreich“ aus dem Jahr 1835, darin wurde das Marchfeld sogar mit der Wüste Ägyptens verglichen. „In dieser großen Sandwüste zeigt sich nichts als das röthliche Heidegras dem Blicke; Sturm und Wind treiben fürchterliche Sand- und Staubwolken auf, die den Wanderer zu verschütten drohen, und die fruchtbaren Felder mit Sand bedecken.“

Selbst alte Fotografien aus den 1930er und 1940er Jahren zeigen noch große Reste der einstigen Sanddüne. Das Marchfeld war aber nicht überall sandig, betont Wiesbauer, es sei vielmehr ein „Ort der Extreme“ gewesen. Während manche Bereiche Wüsten glichen, waren andere extrem feucht. Ortsnamen wie Lassee oder Haringsee (jeweils Bezirk Gänserndorf) erinnern noch heute an ehemals große Feuchtgebiete.

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Österreichische Nationalbibliothek
Dürres Gestrüpp und Steppe gehören der Vergangenheit an…
ORF/Tobias Mayr
…heute erblüht das Marchfeld in sattem Grün
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Einst schoben sich Wanderdünen durch die ebene Fläche…
ORF/Tobias Mayr
… heute erkennt man die Dünen nur noch an ihrer Form.
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Im 18. Jahrhundert ordnete Kaiserin Maria Theresia an, das Marchfeld großflächig aufzuforsten
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So wurden die Windschneisen durchbrochen und der Sand wurde festgesetzt
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Die Aufforstung mit Wäldern und Windschutzgürteln machte den Ackerbau im Marchfeld erst möglich
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Die Sanddünen sind heute nur noch in ausgewiesenen Landschaftsschutzgebieten zu sehen
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Solche Landschaften gibt es aber nirgends mehr im Marchfeld

Aufforstung gegen Sandstürme
Die Extreme waren vor allem für die Landwirtschaft ein Problem, sagt Wiesbauer. Ab 1770 wurde auf Wunsch von Kaiserin Maria Theresia damit begonnen, die Sanddünen zu stabilisieren, um die Sandverwehungen zu minimieren. „Das Marchfeld war sehr nahe der Residenzstadt und man wollte einfach eine Kornkammer schaffen“, erklärt der Landschaftsökologe.

Nach einigen Jahrzehnten erfolgloser Versuche mit Pappeln und Weiden konnte man schließlich mit der widerstandsfähigen Schwarzföhre die besten Ergebnisse einfahren. „Wenn der Sand offen ist, wird er immer wieder umgelagert“, erklärt Wiesbauer, es könne sich so kein Oberboden herausbilden. Mit dem beginnenden Baumbestand konnte der Boden dagegen gefestigt werden, wodurch sich eine Humusschicht bilden konnte.
Zu Zeiten Kaiserin Maria Theresias waren noch 30 Quadratkilometer von Sand bedeckt, zum Ersten Weltkrieg war nur noch ein Drittel davon übrig. Heute sind nur noch wenige ausgewählte Landschaftsschutzgebiete, darunter Oberweiden sowie die Remise Weikendorf, übrig.

Heinz Wiesbauer
Zahlreiche Wildbienenarten nisten im Sand, weil unter der Oberfläche konstante Temperatur und Feuchtigkeit herrschen

Sand für Wildbienenarten idealer Lebensraum
Die Flora und Fauna der Sandgebiete sind auf einzigartige Weise an den Lebensraum, aber auch aufeinander angepasst. Besonders für Wildbienen ist der Sand der ideale Lebensraum. „Zwei Drittel der Wildbienenarten benötigen offene Sandbereiche für den Nestbau“, sagt Wiesbauer. Die Sandkörner können leicht bewegt werden, darunter würden die Bienen Bedingungen wie in einem Brutschrank finden.

„In diesem Brutschrank herrschen ausgeglichene Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnisse.“ Während die Sandoberfläche Temperaturen von 50 Grad und mehr erreicht, ist es darunter konstant kühl und feucht.

Esel und Pferde erhalten Sandlandschaft
„Die Sanddünen zählen überhaupt zu den bedrohten Lebensräumen europaweit“, sagt Wiesbauer. „Der größte Teil, der jetzt in Form von Sanddünen vorliegt, ist heute Naturschutzgebiet, aber man muss die Gebiete auch pflegen.“

Besonders erfolgreich gelingt das in Oberweiden durch den Einsatz von Weidetieren wie Esel oder Pferde. Durch Abgrasen und Suhlen der Tiere entstehen offene Bodenstellen, die dann Insekten wieder Lebensraum verschaffen.
01.07.2024, Tobias Mayr, noe.ORF.at
Wie die Wüste aus dem Marchfeld verschwand
 

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#2
Pferde erhalten seltene Sandsteppen

Die Marchfelder Sandsteppen drohen zuzuwachsen. Um die Naturschutzgebiete zu erhalten, setzen Land und Naturschützer auf Pferdebeweidung. Seit einigen Wochen grasen Islandpferde in den Naturschutzgebieten in Lassee (Bezirk Gänserndorf).
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Rund ein Dutzend Islandpferde sind seit einigen Wochen für die Pflege der drei Sandsteppen-Naturschutzgebiete in Lassee verantwortlich. Nur noch an wenigen Stellen sind Sandsteppen oder teilweise sogar Sanddünen im Marchfeld erhalten. Bis ins 20. Jahrhundert dagegen waren große Teile des Marchfelds von Sand bedeckt – mehr dazu in Wie die Wüste aus dem Marchfeld verschwand (noe.ORF.at; 1.7.2024).

Zunehmend wachsen die Sandflächen allerdings zu. Um sie zu erhalten, rief das Land gemeinsam mit der REWE-Stiftung „Blühendes Österreich“ ein Beweidungsprojekt im Rahmen der LEADER-Region in Lassee ins Leben. Die Pferde grasen dabei das Gebiet ab, lockern die Grasnarbe und schaffen so offene Sandstellen, erklärt Tobias Schernhammer, der für die Betreuung der geschützten Sandgebiete in Niederösterreich zuständig ist.

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Die Pferde sollen helfen, die Landschaft natürlich zu pflegen
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Etwa ein Dutzend Pferde lebt nun in dem Gebiet
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Die Tiere sollen die Böden abgrasen und so wieder für natürliche Sandflächen sorgen

ORF/Tobias Mayr

ORF/Tobias Mayr

Pferde statt Mähtraktor
Ziel des Projekts ist es, durch die Sandflächen auch Arten zu erhalten, die sich perfekt an den Lebensraum angepasst haben. Dazu zählen etwa Pflanzen wie die Späte Federnelke und viele Wildbienenarten. Die zuständige Naturschutzlandesrätin Susanne Rosenkranz (FPÖ) spricht von einem erfolgreichen Renaturierungsprojekt. Zwei Dinge seien ihr dabei wichtig, sagt Rosenkranz zu noe.ORF.at: die Finanzierbarkeit solcher Projekte und die Akzeptanz durch die Bevölkerung.

Beides treffe auf das Pferdeprojekt in Lassee zu, für die Gemeinde ist es noch dazu weniger Arbeit. Früher musste das Schutzgebiet durch die Gemeinde gemäht werden, erzählt Lassees Bürgermeister Roman Bobits (ÖVP). Heute übernehmen die Pferde diese Aufgabe.

Pferde nicht heikel
Wählerisch sind die Islandpferde bei der Nahrungsaufnahme übrigens nicht: Von Brombeerstauden bis zu vertrockneten Halmen grasen sie alles ab. Das karge Gestrüpp sei für die Tiere sogar besser als saftige Wiesen, erklärt Pferdewirtin Petra Busam: „Eigentlich gehören Islandpferde zu den Ponys, und für Ponys wäre zu nährstoffreiches Futter nicht gut.“

Erste Erfolge sind in Lassee bereits sichtbar: Einige Sandstellen liegen wieder frei und werden von den Pferden intensiv zum Suhlen und zur Fellpflege genutzt. Dadurch bleiben die Sandflächen wiederum nachhaltig erhalten. Schließlich ist auch der Dung der Pferde Nährstoffboden für bis zu 500 weitere Insektenarten.

Heinz Wiesbauer
Zahlreiche Wildbienenarten nutzen den Sand für ihre Nester

Beweidung gegen Waldbrandgefahr
Schutzgebietsbetreuer Schernhammer rechnet damit, dass die Beweidung im Marchfeld in den kommenden Jahrzehnten neuen Auftrieb erfahren könnte. Der Ackerbau, der in dem Gebiet seit Ende des Zweiten Weltkriegs dominierte, sei durch zunehmende Niederschlagsarmut gefährdet.
„Die Böden werden dadurch, dass sie trockener werden, wieder gute Weideböden“, sagt Schernhammer. Zusätzlich minimiere die Beweidung das Risiko von Wald- und Flurbränden, weil das leicht brennbare Untermaterial weggefressen wird.
09.09.2024, Tobias Mayr, noe.ORF.at
Pferde erhalten seltene Sandsteppen
 
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