Linksammlung und grundsätzliches zur österreichischen "Raumverteidigung" bzw. den "Landesbefestigungen"

josef

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#1
Da mit der Veröffentlichung der Dissertation von Mag. Andreas Scherer weiteres umfangreiches Material über die österreichischen Landesbefestigungen ab 1955 und insbesonders über die Ära der "Raumverteidigung" ab Mitte der 1970iger Jahre bis Ende des "Kalten Krieges" zur Verfügung steht, eröffne ich einen Thread für Links, externe Berichte und spezielle Literaturhinweise zu diesen interessanten Themen!

Unsere jahrelangen Sichtungen mit Berichten dazu im Forum über und zu den einst geheimen Anlagen und Einrichtungen, vielfach basierend auf Spekulationen, Gerüchten und sonstigen Vermutungen, bekommen somit einen realen Hintergrund!

Zuerst nochmals der Link zur Dissertation von Oberst dhmfD Mag. Dr. Andreas Scherer:

„Sperren, Bunker und Stellungen: Österreichs Landesbefestigung im Kalten Krieg (Fokus: Zone 73)"
 
#7
Grüß Euch,

eine Frage bitte,....
gestern sind wir über die "Truppenkörperabzeichen Steiermark" gestolpert,...

Truppenkörperabzeichen Steiermark

da ist uns "Kalwang" aufgefallen,... könnt ihr uns hier bitte weiterhelfen,... welche Einrichtung gab es vom ÖBH in Kalwang,... (meine Gedanken: Krankenhaus, Bergbau, Sperre / Abwehr, Tüpl, Schiessplatz oder gar Jagd...?)

vielen Dank und schöne Grüße

Martin
 
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josef

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#8
da ist uns "Kalwang" aufgefallen,... könnt ihr uns hier bitte weiterhelfen,... welche Einrichtung gab es vom ÖBH in Kalwang,...
Der Raum Kalwang war während der Raumverteidigung Einsatzgebiet der "Sperrkompanie Kalwang" des "Sperrbataillons 551" vom "Landwehrstemmregiments 55" mit Sitz in der Kaserne St. Michael.

Dazu ein Ausschnitt aus einer Broschüre des "Landwehrstammregiments 55 - St. Michael 1980 - 1994":
Es überrascht nicht, dass ein Vorzeigetruppenkörper in einer neuartigen Kaserne Interesse im In- und Ausland erregte. Vom ersten Tag an war St. Michael gern- und vielbesuchtes Ziel von militärischen Vorgesetzten, Politikern und Attachés. Die modernste Anlage der Armee wurde bewusst auch Vertretern des Warschauer Paktes vorgeführt. Hochrangige Delegationen aus Ungarn, der Sowjetunion und der DDR sollten dadurch einen überzeugenden Eindruck von der Ernsthaftigkeit und Leistungsfähigkeit der österreichischen Verteidigungsanstrengungen gewinnen.
Angesichts des internationalen sicherheitspolitischen Umfeldes der frühen 1980er Jahre waren derartige Demonstrationen durchaus am Platz.


30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges haben die einstmals geheimen Pläne nur noch historische Relevanz. Viele davon sind mittlerweile veröffentlicht, während die materiellen Zeugen der Raumverteidigung zum Großteil verschwunden sind. Wie man heute weiß, wurde die Feindabsicht im Falle einer militärischen Eskalation weitgehend zutreffend beurteilt. Von Seiten des Warschauer Pakts rechnete man in den 1980er Jahren mit einem Angriff gegen Süddeutschland mit Schwergewicht entlang der Donau, begleitet von einem Stoß zweier Divisionen aus Ungarn gegen Italien durch die Steiermark und Kärnten.

Aufgabe des Bundesheeres war es, einen Aggressor durch Verteidigung weiter Landesteile an der zeitgerechten Zielerreichung zu hindern. Die große vernichtende Schlacht sollte in viele kleine Gefechte aufgelöst und dazu in Raumsicherungszonen hinhaltender, in Schlüsselzonen nachhaltiger Widerstand geleistet werden. Unter allen Umständen war mit dem inneralpinen Zentralraum auch ein Rest staatlicher Souveränität zu behaupten. Als Basis für die übrigen Zonen besaß er bereits im Frieden entsprechende Führungs- und Versorgungseinrichtungen.

Für die östlichste Teilzone des Zentralraums, fast die gesamte Obersteiermark nördlich der MurMürz-Furche, war das mobilzumachende Landwehrregiment 55 verantwortlich. Aus Sperrstellungen an den südöstlichen Zentralraumeingängen hatte es ein überraschendes Eindringen von Feindkräften in den Raum Trieben und Eisenerz zu verhindern. Die zugrundeliegende Annahme ging von einem mechanisierten Angriff entlang des Murtals mit regimentsstarken Begleitstößen an den drei Hauptbewegungslinien in das Ennstal als Flankensicherung aus. Ein Wirksamwerden dieser Feindkräfte in der Teilzone 55 wurde nach Durchstoßen der Schlüsselzone 14 (Semmering), der Raumsicherungszone 51 (Mürztal) und der Schlüsselzone 54 mit den Schlüsselräumen Bruck an der Mur und St. Michael erwartet.

Den harten Kern der Abwehr bildete das Sperrbataillon 551 mit Kommando, Stabskompanie und den Sperrkompanien Kalwang, Treglwang, Oberzeiring und Hohentauern. Einschließlich der selbstständigen Sperrkompanien Präbichl und Vordernberg sicherten 20 Feste Anlagen in tiefgestaffelten Verteidigungszonen im Pölstal, dem Palten-Liesing-Tal und am Präbichl die Einbruchslinien in den Zentralraum.

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Neben diesen verbunkerten 10,5 cm Centurion-Panzertürmen verfügten die Sperrjäger über Panzerabwehrrohre, mittlere Granatwerfer und leichte Fliegerabwehrkanonen. Im Schwergewicht verstärkte die Panzerjägerkompanie 55 mit ihren 8,5 cm Kanonen die Verteidiger. Als bewegliche Reserve diente das Landwehrbataillon 552, von dem vorerst zwei Jägerkompanien aufgestellt wurden. Auch nach Abbrechen des Gefechts in den einzelnen Sperrstellungen sollte ein Feindvorgehen entlang der Bewegungslinien weiter verzögert werden.

Eine wesentliche Rolle spielten Geländeverstärkungen, vor allem im Wirkungsbereich der Festen Anlagen. Friedensmäßig vorbereitet waren Stecksperren im Straßenverlauf und ausgelagerte Panzerigel. Außer deren Aktivierung hatte die Pionierkompanie 55 im Einsatz gemeinsam mit den Pionierzügen des Sperrbataillons zahlreiche Panzerminenfelder, Panzergräben und Sprengsperren anzulegen. Danach sollte sie den Raum Selzthal-Strechau nachhaltig sperren und dort als Reserve verbleiben. Insgesamt waren in der Teilzone 55 fast sechs Kilometer Panzergräben, rund 1.500 Panzerigel und 3.500 Panzerminen vorgesehen. Zusätzlich sollte die Bahnverbindung St. Michael-Selzthal unterbrochen und der Flugplatz Aigen gegen Luftlandungen gesperrt werden.

Das Zonenkommando 55 unterstand direkt dem im Zentralraum führenden Armeekommando und befand sich samt Stabs- und Versorgungskompanie 55 im Raum Liezen-Admont. Als Kräfte in der Tiefe hatten die Wachkompanien Liezen, Neumarkt und Schladming in ihren jeweiligen Einsatzräumen zivile Schutzobjekte wie Verwaltungs-, Fernmelde-, Versorgungs- und Verkehrseinrichtungen zu sichern und deren Inbesitznahme oder Zerstörung durch subversive Kräfte, Sabotagetrupps oder eingesickerten Feind zu verhindern.

Bei Mobilmachung war auch das Ersatzregiment 55 mit Kommando, Stabskompanie und sieben Ersatzkompanien zu formieren, drei davon in St. Michael, zwei in Zeltweg und je eine in Aigen und Leoben. Sie sollten noch nicht feldverwendungsfähige Wehrpflichtige sammeln, weiter ausbilden und den eigenen Verbänden zuführen. Außerdem hatte die Ersatzorganisation die Kasernkommanden in der Zone zu übernehmen und im Ernstfall benötigte zivile Kraftfahrzeuge wie beispielsweise Baumaschinen aufzubringen.

Darüber hinaus waren in St. Michael und Leoben die beiden Jägerbataillone 18 und 19 der mobilen Landwehr aufzustellen. Sie bestanden aus Kommando, Stabskompanie, drei Jägerkompanien und einer schweren Kompanie mit rückstoßfreien 10,6 cm Panzerabwehrkanonen, schweren Granatwerfern und leichten Fliegerabwehrkanonen. Im Gegensatz zur Masse der raumgebundenen Landwehr bereits mit Kampfanzug 75 und Sturmgewehr 77 ausgestattet, gehörten sie zur 5. Jägerbrigade, die flexibel eingesetzt werden konnte. So übten diese Verbände nicht nur in den weststeirischen Schlüsselzonen, sondern auch im entscheidenden Gelände des Ybbs- und Erlauftals. Eine Verwendung im niederösterreichischen Alpenvorland erschien durchaus denkbar und war für die Infanterie nicht unproblematisch.

Trotz erheblicher finanzieller und materieller Einschränkungen wurde mit viel Ernsthaftigkeit, Engagement und Idealismus am Ausbau der Teilzone 55 gearbeitet. Unwägbarkeiten blieben die drückende Luftüberlegenheit eines potentiellen Angreifers und der nicht auszuschließende Einsatz chemischer und kleinstatomarer Kampfmittel. Wenig Zweifel bestanden am Schicksal der Kaserne St. Michael im Kriegsfall. Nach Räumung durch das Landwehrregiment 55 hätte sie anfangs in ihren Schutzräumen das Zonenkommando 54 aufgenommen, ehe auch dieses in einen nahegelegenen Eisenbahntunnel ausgewichen wäre, um einer drohenden Vernichtung zu entgehen.

Eine Laune der Geschichte will es, dass exakt zehn Jahre nach der Eröffnung der Landwehr-Kaserne St. Michael die Charta von Paris den Kalten Krieg offiziell beendete. So wurde die am historischen 21. November 1990 gehaltene Festrede des Regimentskommandanten zugleich zum Rückblick auf eine gefahrvolle Epoche. „Das Oberland fest in unserer Hand!“ Unter diesem Wahlspruch hatten unzählige Berufs- und Milizsoldaten aller Dienstgrade in Übungen und Einsätzen „im obersteirischen Raum, aber auch außerhalb der Steiermark bewiesen, dass sie in der Lage sind, jene Aufträge, die ihnen der Gesetzgeber auferlegt hat, auch durchführen zu können.“ Es lag mit Sicherheit nicht an ihnen, wenn nicht alle Pläne verwirklicht wurden. Als 1986 die Zwischenstufe des Heeresausbaus erreicht war, unterbanden drastische Budgetkürzungen jegliche Fortführung. Die beiden Jägerkompanien des unvollständigen Landwehrbataillons 551 wurden regimentsunmittelbar, die unfertige Sperrkompanie Vordernberg schrumpfte zum Zug. Dennoch wurde mit Eigeninitiative an der Verstärkung der Teilzone 55 weitergearbeitet, etwa durch den Bau von Halbzugsunterständen aus Ortbeton. Als man eben daran ging, mit der Einführung von Panzerabwehrlenkwaffen eine der Schwachstellen der Raumverteidigung zu beseitigen, leitete die Öffnung der ungarischen Grenze im Sommer 1989 die großen demokratischen Umbrüche im Osten Europas ein.

Mit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs begann der Sicherheitspolitische Assistenzeinsatz an der Staatsgrenze. Den Anfang machten im September 1990 rund 200 Mann, die unter der Bezeichnung 5./55 im Assistenzbataillon Nord bei Nickelsdorf illegale Grenzübertritte zu verhindern hatten. Der Kalte Krieg war noch kaum zu Ende, als Nationalitätenkonflikte in Jugoslawien eine Eskalation in Form eines Bürgerkrieges befürchten ließen...

Quelle: Ausschnitt aus https://www.jgb18.at/40 Jahre_Landwehr_Kaserne_Jägerbataillon 18.pdf
 
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