Bei Arbeiten in einem Steinbruch in Mannersdorf am Leithagebirge (Bezirk Bruck an der Leitha) haben Steinhauer vor kurzem den Eingang zu einer rätselhaften Höhle freigelegt. Von außen weist nur ein schmaler Spalt auf den dahinterliegenden Hohlraum hin, der Großteil liegt in der Finsternis verborgen.
Höhlenforscherinnen und -forscher des Landesvereins für Höhlenkunde und des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) begingen die Höhle nun erstmals gemeinsam mit noe.ORF.at, um herauszufinden, wie sie geformt wurde. Neben einigen Verästelungen und Schächten eröffnet sich nach dem Einstieg ein etwa zehn Meter langer Gang in den Felsen. Die Höhlenwände sind geschmückt mit Tropfsteinen und anmutigen Kalkabscheidungen. Mit Lasern vermessen die Wissenschafter die Gänge und Schächte.
Warmes Wasser im Berg
„Diese Höhle ist eindeutig durch Wasser entstanden“, sagt Lukas Plan, Höhlenexperte am NHM und Höhlenforscher des Landesvereins für Höhlenkunde Wien-Niederösterreich. Das Wasser hat eindeutige Spuren hinterlassen: Die Wände sind glatt und in rundlichen Formen geschliffen. Allerdings kann nicht normales Grundwasser dafür verantwortlich gewesen sein, denn das löst Kalkstein nicht.
Um Kalk zu lösen, ist saures Wasser notwendig. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren das Tiefenwässer“, sagt Plan, in der Umgebung von Mannersdorf gibt es seit jeher warme Thermalquellen, die auf natürliche Weise Kohlensäure führen. Wenn dieses Wasser aus der Tiefe nach oben dringt, kühlt es nahe der Oberfläche ab, und löst dabei den Kalkstein, erklärt Plan. Der Boden der Höhle ist heute von Sedimenten verschlossen. Wie das Wasser in die Höhle strömte und wohin der Kalk abfloss, ist nicht mehr eindeutig rekonstruierbar.
Leithakalk besteht aus Algen-Skeletten
Leithakalk galt jahrhundertelang als beliebter Baustoff. Große Teile des Stephansdoms wurden mit Steinen aus dem Leithagebirge gebaut. Auch Steinmetze und Bildhauerinnen nutzen Leithakalk für Skulpturen, weil er sich gut formen lässt. Heute dient er hauptsächlich zur Zementproduktion.
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Thermalwasser aus dem Erdinneren schuf diese Formen
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Schon nach wenigen Metern ist kaum Tageslicht vorhanden
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Hier strömte einst das Thermalwasser von unten in die Höhle, heute ist der Zulauf verschüttet
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Die Höhle wird penibel mit Lasermessgeräten vermessen
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Jeder Winkel wird vermessen, oft ist der Ab- und Aufstieg in die Schächte Zentimeterarbeit
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Leithakalk besteht aus den Skeletten der Kalkrotalge, vor 15 Millionen Jahren war das Wiener Becken ein Meer
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Im Leithakalk finden sich daher auch zahlreiche Fossilien, hier das Haus einer Babyschnecke
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37 Meter Länge und ein Höhenunterschied von sieben Metern – das ist das Ergebnis der Vermessung der Höhle
Diese Gesteinsform entstand vor 15 Millionen Jahren. Im Vergleich zum tieferliegenden Dolomit mit einem Alter von 220 Millionen Jahren ist Leithakalk also eine relativ junge Gesteinsform. Er besteht aus den Überresten der Kalkrotalgen, die vor mehr als 15 Millionen Jahren in jenem subtropischen, warmen Meer lebten, das damals das Wiener Becken bedeckte.
Die Skelette der Kalkrotalgen bestehen aus Calzit, erklärt Plan. Als das Meer austrocknete, setzten sich die Skelette als Kalkstein am Grund ab. Die charakteristische Maserung des Leithakalks lässt die Überreste der Kalkrotalgen noch heute deutlich erkennen.
4.400 Höhlen in Niederösterreich bekannt
Jene Kalksteinhöhle, die in Mannersdorf entdeckt wurde, verfügt über eine Gesamtlänge von 37 Metern und einen Höhenunterschied von sieben Metern, das konnten die Experten des Landesvereins für Höhlenkunde nun eindeutig dokumentieren. Wichtig sei die Vermessung, um besondere Funde auch in der Zukunft genau lokalisieren zu können, erklärt Plan: „Ohne Vermessung wären sie wertlos.“
Aber die Vermessungsdaten zeigen auch, wie umfangreich das Höhlensystem Niederösterreichs ist. Bekannt sind 4.400 Höhlen. Die Gesamtlänge aller bekannten Schächte und Gänge unter Tage in Niederösterreich beträgt immerhin 170 Kilometer – so weit wie einmal quer durch das Bundesland. Pro Jahr werden im Schnitt 20 bis 30 neue Höhlen gefunden und vom Landesverein vermessen. Von einer Höhle sprechen Fachleute ab einer Länge von mindestens fünf Metern.
Vom eigenständigen Höhlenforschen raten die Expertinnen und Experten allerdings dringend ab. Man wisse nie, was einen erwartet, betont Plan. Für Interessierte bieten Höhlenvereine Schulungen und Kurse an.
16.04.2024, Tobias Mayr, noe.ORF.at