Reste verschollener römischer Brücke gefunden
Im Nationalpark Donau-Auen haben Archäologen die Fundamente einer römischen Brücke ausgegraben. Nach diesem Donau-Übergang wurde seit Jahrzehnten gesucht, weil die Brücke auf der Marc-Aurel-Säule in Rom abgebildet ist. Nun wurde das Rätsel ihrer Position gelöst.
Online seit heute, 6.19 Uhr
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Im Nationalpark Donau-Auen haben Archäologen die Fundamente einer römischen Brücke ausgegraben. Nach diesem Donau-Übergang wurde seit Jahrzehnten gesucht, weil die Brücke auf der Marc-Aurel-Säule in Rom abgebildet ist. Nun wurde das Rätsel ihrer Position gelöst.
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Nur wenige Mauerreste sind noch sichtbar, von einem einst beachtlichen römischen Brückenkopfkastell aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. Im Nationalpark Donau-Auen in der Nähe von Stopfenreuth (Bezirk Gänserndorf) konnten Archäologinnen und Archäologen im Herbst die Mauerreste erstmals wissenschaftlich untersuchen. Ausgegraben wurden dabei unterirdische Fundamente, die auf eine zwei bis drei Hektar große Wehranlage hindeuten.
en wurden dabei unterirdische Fundamente, die auf eine zwei bis drei Hektar große Wehranlage hindeuten.
„In dieser Zeit sind die römischen Kastelle im sogenannten Spielkartenformat angelegt worden“, erklärt der Archäologe Christian Gugl vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI), „sie waren im Grunde rechteckig mit abgerundeten Ecken.“ In Stopfenreuth wurde nun die Nordecke freigelegt, inklusive eines Wehrturms. Die Längsseiten der gesamten Anlage dürften um die 100 Meter lang gewesen sein, 500 römische Soldaten könnten in dem Brückenkopfkastell Dienst versehen haben, glauben die Archäologen.
Fotostrecke
ORF/Tobias Mayr
Die einzigen sichtbaren Mauerreste, die den Hinweis zu den Fundamenten lieferten
Land NÖ/ÖAI
Zwischen September und November 2024 legte ein sechsköpfiges Archäologinnenteam weitere Grundmauern frei
Manfred Rosenberger
Der abgerundete Eckturm des Kastells gilt als typisch für die Zeit
Manfred Rosenberger
Gefunden wurde nur ein Bruchteil dieser beachtlichen Wehrburg
Manfred Rosenberger
Neben der militärischen Überwachung galt die Brücke auch als Zollpunkt für den Handel auf der Bernsteinstraße
Manfred Rosenberger
Manfred Rosenberger
ORF/Tobias Mayr
Mittlerweile ist das gesamte Grabungsareal wieder renaturiert
Erstes Brückenkopfkastell Österreichs
Nie zuvor wurde ein römisches Brückenkopfkastell in Österreich dokumentiert, derartige Anlagen sind bisher nur stromabwärts der Donau bekannt. „Ein Brückenkopfkastell diente, wie der Name sagt, zur Sicherung eines Donauübergangs“, sagt Gugl. Die Wissenschafter können deshalb darauf schließen, dass sich eine seit Jahrzehnten gesuchte Donaubrücke in unmittelbarer Nähe befunden haben muss.
Denn dass im Umkreis des Römerlagers Carnuntum (Bezirk Bruck an der Leitha) eine Brücke existierte, ist historisch gut belegt. Szenen der Donauüberquerung sind auf der Marc-Aurel-Säule in Marmor gemeißelt, die in 23 Windungen Abbildungen der Markomannenkriege zwischen 172 und 175 n. Chr. zeigt. Die Markomannen, ein germanischer Stamm, der im Marchfeld beheimatet war, eroberte in dieser Zeit römische Gebiete bis nach Norditalien hinunter.
Marc-Aurel-Säule zeigt Donauüberquerung
„Das war die erste große Krise des Römischen Reichs“, sagt Eduard Pollhammer, wissenschaftlicher Leiter der Römerstadt Carnuntum. Kaiser Marc Aurel brauchte eine Möglichkeit, rasch Truppen ins Feindesland, das sogenannte Barbaricum, nördlich der Donau zu überstellen. Auf der Säule ist abgebildet, wie die römischen Legionäre über eine schwimmende Pontonbrücke marschieren.
Das sei die einfachste Form gewesen, über einen Fluss zu gelangen, erklärt Pollhammer: „Mehrere Schiffe wurden miteinander vertäut und dann mit Brettern und verschiedenen Brückenbauelementen versehen.“ So konnten rasch Truppen auf das andere Donauufer verlegt werden, um aufsässige Germanenstämme, die Markomannen, in Schach zu halten.
Fotostrecke
ORF/Anna Wohlmuth
Die Marc-Aurel-Säule wurde um 190 n. Chr. angefertigt, sie steht auf der Piazza Colonna in Rom
privat
Dargestellt sind Szenen aus den Markomannenkriegen, ganz unten die Donauüberquerung bei Carnuntum 172 n. Chr.
privat
Die Abbildung zeigt eine für die Zeit typische Pontonbrücke, bestehend aus einzelnen Kähnen
Lage der Brücke bestimmt
Doch Überreste einer solchen Pontonbrücke sind entsprechend schwieriger zu finden als jene einer gemauerten Überquerung. Deshalb war die Position der Brücke Marc Aurels bei Carnuntum bis zum Fund des Brückenkastells reine Spekulation. Warum gerade Stopfenreuth als Donauüberquerung gewählt wurde, liegt für die Archäologen in der Geografie. „Die Donau bildet hier eine natürliche Engstelle“, sagt Pollhammer, das dürfte bereits im Zweiten Jahrhundert der Fall gewesen sein. Zudem galt das Marchfeld als strategische Puffer- und Kontaktzone zu den germanischen Territorien.
Der Fund mache nun die römischen Maßnahmen im Kampf gegen die markomanischen Eroberer, die in verschiedenen historischen Quellen überliefert sind, erstmals archäologisch nachvollziehbar, sagt Gugl, „weil wir im Grunde eigentlich nicht wissen, wie diese Interaktion zwischen dem Römischen Reich, zwischen Carnuntum und dem Limes Vorfeld wirklich stattgefunden hat.“
ORF/Tobias Mayr
Zahlreiche Ziegel tragen die Inschrift der 14. Legion. Auch Schmuck und Schnallen der Soldaten wurde in Stopfenreuth sichergestellt.
Handelsweg entlang der Bernsteinstraße
Die Fundstücke, die nun ausgewertet werden, geben erste Anhaltspunkte über die militärischen Manöver Marc Aurels im Marchfeld. Dieser weilte satte drei Jahre in Carnuntum, um die Unruhen an der Nordgrenze unter Kontrolle zu bringen. Es gilt deshalb als wahrscheinlich, dass auch der Kaiser selbst, die Donaubrücke bei Stopfenreuth nutzte.
Auch für den Handel dürfte die Brücke von großer Bedeutung gewesen sein, weil sie das römische Reich mit der Bernsteinstraße verband. Die Bernsteinstraße, eine der wichtigsten Handelsstraße der Antike, führte vom Baltikum über ein verzweigtes Wegesystem bis nach Carnuntum und weiter durch das römische Reich. „Bei dem Brückenkopf-Kastell konnten Personen und der Warenverkehr kontrolliert werden, es konnten eventuell auch Exportverbote überwacht werden. Daher nimmt dieses Brückenkopf-Kastell eine ganz wichtige strategische Bedeutung ein“, sagt Pollhammer.
Das Brückenkastell selbst dürfte vermutlich für 100 Jahre bestanden haben. „Wir haben nur noch ganz vereinzelt Funde aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts und dann ist wirklich Schluss“, sagt Gugl. Das weitere Schicksal von Kastell und Brücke ist noch nicht bekannt.
14.04.2025, Tobias Mayr, noe.ORF.at
Reste verschollener römischer Brücke gefunden
en wurden dabei unterirdische Fundamente, die auf eine zwei bis drei Hektar große Wehranlage hindeuten.
„In dieser Zeit sind die römischen Kastelle im sogenannten Spielkartenformat angelegt worden“, erklärt der Archäologe Christian Gugl vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI), „sie waren im Grunde rechteckig mit abgerundeten Ecken.“ In Stopfenreuth wurde nun die Nordecke freigelegt, inklusive eines Wehrturms. Die Längsseiten der gesamten Anlage dürften um die 100 Meter lang gewesen sein, 500 römische Soldaten könnten in dem Brückenkopfkastell Dienst versehen haben, glauben die Archäologen.
Fotostrecke

Die einzigen sichtbaren Mauerreste, die den Hinweis zu den Fundamenten lieferten

Zwischen September und November 2024 legte ein sechsköpfiges Archäologinnenteam weitere Grundmauern frei

Manfred Rosenberger
Der abgerundete Eckturm des Kastells gilt als typisch für die Zeit

Manfred Rosenberger
Gefunden wurde nur ein Bruchteil dieser beachtlichen Wehrburg

Manfred Rosenberger
Neben der militärischen Überwachung galt die Brücke auch als Zollpunkt für den Handel auf der Bernsteinstraße

Manfred Rosenberger

Manfred Rosenberger

ORF/Tobias Mayr
Mittlerweile ist das gesamte Grabungsareal wieder renaturiert
Erstes Brückenkopfkastell Österreichs
Nie zuvor wurde ein römisches Brückenkopfkastell in Österreich dokumentiert, derartige Anlagen sind bisher nur stromabwärts der Donau bekannt. „Ein Brückenkopfkastell diente, wie der Name sagt, zur Sicherung eines Donauübergangs“, sagt Gugl. Die Wissenschafter können deshalb darauf schließen, dass sich eine seit Jahrzehnten gesuchte Donaubrücke in unmittelbarer Nähe befunden haben muss.
Denn dass im Umkreis des Römerlagers Carnuntum (Bezirk Bruck an der Leitha) eine Brücke existierte, ist historisch gut belegt. Szenen der Donauüberquerung sind auf der Marc-Aurel-Säule in Marmor gemeißelt, die in 23 Windungen Abbildungen der Markomannenkriege zwischen 172 und 175 n. Chr. zeigt. Die Markomannen, ein germanischer Stamm, der im Marchfeld beheimatet war, eroberte in dieser Zeit römische Gebiete bis nach Norditalien hinunter.
Marc-Aurel-Säule zeigt Donauüberquerung
„Das war die erste große Krise des Römischen Reichs“, sagt Eduard Pollhammer, wissenschaftlicher Leiter der Römerstadt Carnuntum. Kaiser Marc Aurel brauchte eine Möglichkeit, rasch Truppen ins Feindesland, das sogenannte Barbaricum, nördlich der Donau zu überstellen. Auf der Säule ist abgebildet, wie die römischen Legionäre über eine schwimmende Pontonbrücke marschieren.
Das sei die einfachste Form gewesen, über einen Fluss zu gelangen, erklärt Pollhammer: „Mehrere Schiffe wurden miteinander vertäut und dann mit Brettern und verschiedenen Brückenbauelementen versehen.“ So konnten rasch Truppen auf das andere Donauufer verlegt werden, um aufsässige Germanenstämme, die Markomannen, in Schach zu halten.
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Die Marc-Aurel-Säule wurde um 190 n. Chr. angefertigt, sie steht auf der Piazza Colonna in Rom

Dargestellt sind Szenen aus den Markomannenkriegen, ganz unten die Donauüberquerung bei Carnuntum 172 n. Chr.

privat
Die Abbildung zeigt eine für die Zeit typische Pontonbrücke, bestehend aus einzelnen Kähnen
Lage der Brücke bestimmt
Doch Überreste einer solchen Pontonbrücke sind entsprechend schwieriger zu finden als jene einer gemauerten Überquerung. Deshalb war die Position der Brücke Marc Aurels bei Carnuntum bis zum Fund des Brückenkastells reine Spekulation. Warum gerade Stopfenreuth als Donauüberquerung gewählt wurde, liegt für die Archäologen in der Geografie. „Die Donau bildet hier eine natürliche Engstelle“, sagt Pollhammer, das dürfte bereits im Zweiten Jahrhundert der Fall gewesen sein. Zudem galt das Marchfeld als strategische Puffer- und Kontaktzone zu den germanischen Territorien.
Der Fund mache nun die römischen Maßnahmen im Kampf gegen die markomanischen Eroberer, die in verschiedenen historischen Quellen überliefert sind, erstmals archäologisch nachvollziehbar, sagt Gugl, „weil wir im Grunde eigentlich nicht wissen, wie diese Interaktion zwischen dem Römischen Reich, zwischen Carnuntum und dem Limes Vorfeld wirklich stattgefunden hat.“

ORF/Tobias Mayr
Zahlreiche Ziegel tragen die Inschrift der 14. Legion. Auch Schmuck und Schnallen der Soldaten wurde in Stopfenreuth sichergestellt.
Handelsweg entlang der Bernsteinstraße
Die Fundstücke, die nun ausgewertet werden, geben erste Anhaltspunkte über die militärischen Manöver Marc Aurels im Marchfeld. Dieser weilte satte drei Jahre in Carnuntum, um die Unruhen an der Nordgrenze unter Kontrolle zu bringen. Es gilt deshalb als wahrscheinlich, dass auch der Kaiser selbst, die Donaubrücke bei Stopfenreuth nutzte.
Auch für den Handel dürfte die Brücke von großer Bedeutung gewesen sein, weil sie das römische Reich mit der Bernsteinstraße verband. Die Bernsteinstraße, eine der wichtigsten Handelsstraße der Antike, führte vom Baltikum über ein verzweigtes Wegesystem bis nach Carnuntum und weiter durch das römische Reich. „Bei dem Brückenkopf-Kastell konnten Personen und der Warenverkehr kontrolliert werden, es konnten eventuell auch Exportverbote überwacht werden. Daher nimmt dieses Brückenkopf-Kastell eine ganz wichtige strategische Bedeutung ein“, sagt Pollhammer.
Das Brückenkastell selbst dürfte vermutlich für 100 Jahre bestanden haben. „Wir haben nur noch ganz vereinzelt Funde aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts und dann ist wirklich Schluss“, sagt Gugl. Das weitere Schicksal von Kastell und Brücke ist noch nicht bekannt.
14.04.2025, Tobias Mayr, noe.ORF.at
Reste verschollener römischer Brücke gefunden