Turkmenistan: Eine vor einem halben Jahrhundert von Geologen in der Karakum-Wüste entzündete Erdgasblase brennt heute noch

josef

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#1
EWIGES FEUER
Aus dem "Tor zur Hölle" lodert es seit 50 Jahren
Vor einem halben Jahrhundert entzündeten Geologen in der Karakum-Wüste in Turkmenistan eine irrtümlich angestochene Erdgasblase
Der Krater von Derweze ist das Ergebnis mehrerer Fehleinschätzungen.Foto: Tormod Sandtorv
"Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert." Das berühmte Zitat des irischen Schriftstellers George Bernard Shaw (1856 – 1950) könnte kaum besser passen, als auf jene Leute, die es in den 1970er-Jahren für eine gute Idee hielten, eine riesige Erdgasansammlung unter dem Boden der zentralasiatischen Karakum-Wüste in Brand zu setzen. Das Ergebnis war ein Feuerschlund, aus dem es im "Jubiläumsjahr" 2021 seit nunmehr 50 Jahren lodert.

In der Nacht ist das brennende Loch ein besonders spektakulärer Anblick.
Foto: flydime

Serie von Irrtümern
Die Geschichte einer ganzen Serie von Fehleinschätzungen begann angeblich 1971, als Ingenieure der damaligen Sowjetunion auf der Suche nach ertragreichen Ölvorkommen im Herzen der Karakum in der Teilrepublik Turkmenistan fündig geworden waren – oder zumindest glaubten sie das zunächst.

Schnell waren Bohrtürme errichtet worden, und noch während das Bohrgestänge die ersten paar Meter vorgetrieben wurde, stellte sich auf dramatische Weise heraus, dass man einem Irrtum aufgesessen war: Man war nicht auf Öl sondern auf eine gewaltige Erdgasblase gestoßen. Der Boden unter der Plattform gab nach und ein zwei Dutzend Meter tiefes Loch mit einem Durchmesser von rund 70 Metern tat sich auf – heute bekannt als Krater von Derweze.

Video: Drohnenflug über das "Tor zur Hölle".
Fearless & Far



Der Einsturz setzte eine fatale Kettenreaktion in Gang, bei der es in der ganzen Umgebung zu mehreren ähnlichen Methangasaustritte kam. Die Verantwortlichen wussten um die Gefahr, die von dem Gas ausging, sowohl für die lokale Tier- und Pflanzenwelt, vor allem aber für einige nahe gelegene Siedlungen. Sie taten, was viele tun, wenn sie mit einem bedrohlichen Problem konfrontiert werden: Sie legten Feuer. Die Hoffnung war, dass sich das ausströmende Gas binnen weniger Wochen abfackeln ließe – der nächste Trugschluss, denn der Krater brennt ein halbes Jahrhundert später immer noch.

Rätsel bleiben
Einwandfrei belegt ist diese sowjetische Version vom Ursprung des Kraters von Derweze freilich nicht, denn schriftliche Aufzeichnungen zur Entstehungsgeschichte existieren weder in Moskau noch in Turkmenistans Hauptstadt Aschgabat. Vor Ort wird jedenfalls auch berichtet, dass sich der Krater bereits in den 1960er-Jahren aufgetan haben könnte. Letztlich dürfte seine exakte Herkunft wohl von einigen Mysterien umgeben bleiben.


Der Derweze-Krater aus der Ferne.
Foto: Bjørn Christian Tørrissen

Feuriger Touristen- und Abenteurermagnet
Wie lange es aus dem "Tor zur Hölle", wie die Einheimischen das Loch im Volksmund nennen, noch weiter lodern wird, können Geologen bis heute nicht einschätzen. Für die Gegend hat sich der Krater von Derweze allerdings mittlerweile auch als Glücksfall erwiesen, denn das Spektakel zieht jedes Jahr zahlreiche Touristen an.

2013 erklärte Gurbanguly Berdimuhamedow, autokratisch regierender Präsident von Turkmenistan, das Gebiet rund um den Krater zum Naturreservat. Im Jahr darauf kletterte der griechisch-kanadische Abenteurer George Kourounis für den National Geographic Channel als erster Mensch zum Grund des Derweze-Kraters hinab und sammelte dort Proben von extremophilen Bakterien.

(tberg, 29.12.2020)

Links
Aus dem "Tor zur Hölle" lodert es seit 50 Jahren - derStandard.at
 

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#2
Turkmenistan will das "Tor zur Hölle" schließen
Die seit 50 Jahren brennende Erdgasblase in der Karakum-Wüste gilt als Touristenattraktion. Bald soll damit aber Schluss sein
Vergangenes Jahr feierte der wohl berühmteste "Dauerbrenner" Asiens, wenn nicht der Welt, ein rundes Jubiläum: Seit 50 Jahren lodern Flammen aus dem Gaskrater von Derweze, der sich in der zentralasiatischen Karakum-Wüste in Turkmenistan befindet. Vor allem nach Einbruch der Dunkelheit hinterlässt das "Tor zur Hölle" einen gewaltigen und unheimlichen Eindruck. Ein Spektakel, das vor allem bei Touristen beliebt ist – und aus einer gewaltigen Fehleinschätzung heraus entstand.

Die Geschichte begann angeblich 1971, als Ingenieure der damaligen Sowjetunion auf der Suche nach ertragreichen Ölvorkommen im Herzen der Karakum in der Teilrepublik Turkmenistan fündig geworden waren – oder zumindest glaubten sie das zunächst.


Bei Einbruch der Dunkelheit hinterlässt das "Tor zur Hölle" einen gewaltigen und unheimlichen Eindruck.
Foto: AP/Alexander Vershinin

Schnell waren Bohrtürme errichtet worden, und noch während das Bohrgestänge die ersten paar Meter vorgetrieben wurde, stellte sich auf dramatische Weise heraus, dass man einem Irrtum aufgesessen war: Man war nicht auf Öl, sondern auf eine gewaltige Erdgasblase gestoßen. Der Boden unter der Plattform gab nach, und ein rund zwei Dutzend Meter tiefes Loch mit einem Durchmesser von rund 70 Metern tat sich auf.

Löschversuche erfolglos
Um zu verhindern, dass sich die gefährlichen Gase ausbreiten, wurde damals beschlossen, diese anzuzünden. Keine gute Idee, wie man kurz darauf feststellen musste. Statt nach wenigen Tagen auszugehen, entwickelte sich das Feuer zum Dauerbrenner. Alle Löschversuche blieben erfolglos. Im Jahr 2018 benannte dann Turkmenistans Staatschef Gurbanguly Berdimuhamedow das "Tor zur Hölle" in "das Leuchten von Karakum" um.


Geht es nach Turkmenistans Staatschef, soll der Dauerbrand, eine Touristenattraktion, bald gelöscht werden.
Foto: AFP/IGOR SASIN

Doch nun soll Schluss sein mit dem Spektakel, das jedes Jahr viele Touristen anlockt und von denen viele in Zelten unweit des Kraters übernachten, wie Travelnews berichtet. Das Schweizer Newsportal für Tourismus und Reisen bezieht sich auf einen einschlägigen Beitrag bei Turkmen.news: Denn Berdimuhamedow will jetzt dem Gaskrater "den Schlund stopfen". In einer vom Staatsfernsehen am 7. Jänner übertragenen Rede wies der Präsident die zuständigen Beamten an, einen Weg zu finden, um die Flammen im Derweze-Krater zu löschen – weil der brennende Krater der Umwelt schade und der Gesundheit der in der Nähe lebenden Menschen gefährde, sagte Berdimuhamedow. Zudem verliere das Land durch das Abbrennen wertvolle natürliche Ressourcen. Auf diese Art verliert es jedenfalls zumindest eine touristische Attraktion und Einnahmequelle.
(red, 10.1.2022)
Turkmenistan will das "Tor zur Hölle" schließen
 

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#5
KAUM BEKANNTER SUPEREMITTENT
Hotspots der globalen Methanemissionen liegen in Turkmenistan
Der Binnenstaat am Kaspischen Meer ist Chinas Hauptlieferant für Erdgas und wohl jenes Land, das am meisten nutzbares Methan in die Atmosphäre entweichen lässt
Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines war jenes Einzelereignis, das mehr Methan in die Atmosphäre entwichen ließ als jedes andere. Nachdem am 28. September mehrere Detonationen drei der vier Leitungen der Nord-Stream-Pipelines zerstörten, strömte tagelang Gas in die Ostsee und weiter in die Luft. Wie chinesische Forscher im Fachblatt "Advances in Atmospheric Sciences" ermittelten, gelangten laut der Auswertung von Satellitendaten rund 0,22 Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre – und damit doppelt so viel wie beim bisherigen Spitzenreiter, einem Unfall im Jahr 2015 am kalifornischen Aliso-Canyon-Gasfeld.

Methan ist ein besonders starkes Treibhausgas und trägt viel stärker zur Erderwärmung bei als etwa CO2. Die Menge muss deshalb zumindest mit dem Faktor 28 (nach anderen Berechnungsmethoden mit dem Faktor 80, weil es kurzfristig 80-mal mehr Wärme als CO2 speichert) multipliziert werden, um auf die entsprechende Zahl an CO2-Äquivalenten zu kommen.

Vergleiche machen sicher
Im Fall der Nord-Stream-Lecks betrug diese Menge bei einer Multiplikation mit 28 etwas über sechs Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Österreich emittiert in einem Jahr knapp 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Das absichtlich herbeigeführte Leck in der Ostsee ist im Vergleich zu den Methanmengen, die in Turkmenistan in den letzten Jahren austraten, zwar nicht unbedingt ein Lercherl – doch einigermaßen überschaubar. Bereits im Vorjahr wiesen Satellitenbilder der US-Weltraumagentur Nasa und eine Studie in der Zeitschrift "Environmental Science and Technology" darauf hin, dass die Westküste Turkmenistans "einer der größten Methan-Hotspots der Welt" ist.


Ein Satellitenbild von Methanemissionen östlich von Hazar in Turkmenistan, aufgenommen im Oktober 2022. Die Stadt befindet sich an der Ostküste des Kaspischen Meers.
Foto: Nasa/JPL-Caltech/AFP/Getty

Das wurde nun durch eine neue Untersuchung bestätigt: Wie die führende Umweltbeobachtungsfirma Kayrros für die britische Zeitung "The Guardian" ermittelte, entwichen im Jahr 2022 allein aus zwei turkmenischen Erdgasfeldern 4,6 Millionen Tonnen Methan. Das ist – konservativ mit dem Faktor 28 umgerechnet – mehr als die eineinhalbfache Treibhausgasmenge Österreichs pro Jahr.

840 Superemissionen
Die Satellitendaten, die Kayrros zur Erkennung von Methan verwendet, wurden seit Anfang 2019 gesammelt, und die Gesamtemissionen Turkmenistans, das Chinas größter Gaslieferant ist und seine Exporte ins Reich der Mitte zu verdoppeln plant, zeigen seither einen gleichbleibenden Trend. Die Satelliten haben außerdem 840 Superemissionen festgestellt, das heißt Lecks aus einzelnen Bohrlöchern, Speichern oder Rohren mit einer Rate von einigen Tonnen pro Stunde oder mehr – die meisten aller Länder weltweit.


Die meisten der Anlagen, aus denen das Methan austritt, gehörten Turkmenoil, der staatlichen Ölgesellschaft. Weitere unentdeckte Methanemissionen würden von Turkmenistans Offshore-Öl- und -Gasanlagen im Kaspischen Meer ausgehen. Kayrros führte auch eine hochauflösende Überwachung des Nord-Bugdayli-Feldes im Westen Turkmenistans durch. Die Zahl der Superemitter-Ereignisse hat sich dort zwischen 2021 und 2022 auf fast 60 verdoppelt, wobei bei einem der jüngsten dieser Ereignisse fast sechs Wochen lang Methan ausströmte.

Ausströmen lassen statt abfackeln
Ein Grund für die Zunahme könnte sein, dass man in Turkmenistan den Umgang mit ausströmendem Methan änderte: Wurde früher Gas abgefackelt, was weithin sichtbar war, aber statt Methan vor allem das harmlosere CO2 in die Atmosphäre abgab, lässt man es seit ein paar Jahren einfach entweichen – und das dürfte zu den Spitzenwerten geführt haben.

Dieses entströmende Methan kann erst seit kurzem durch neue Satellitentechnologie erkannt werden – und so wurde man auch auf den Superemittenten Turkmenistan aufmerksam.


Auch das gibt es in Turkmenistan: Im rund 70 Meter breiten Krater von Derweze, der vermutlich in den 1970er-Jahren durch einen Einsturz über einem Gasfeld entstand, verbrennt seit mehreren Jahrzehnten unkontrolliert Methan. Der Krater wird als Touristenattraktion vermarktet.

Wenig Interesse beim Präsidenten
Die schnellste und billigste Möglichkeit, die Methanemissionen und damit die globale Erwärmung zu verringern, wäre die Bekämpfung von Lecks aus Lagerstätten fossiler Brennstoffe. Maßnahmen zur Eindämmung von Lecks machen sich oft von selbst bezahlt, da das aufgefangene Gas verkauft werden kann. Turkmenistan ist aber laut Fachleuten wahrscheinlich das Land, das weltweit am schlechtesten mit Methanlecks umgehen könne.

Auch für den Präsidenten Serdar Berdimuhamedow, ohne dessen Zustimmung im autoritär regierten Staat kaum etwas geschieht, habe das Thema keine Priorität. Er begrüßte zwar die Globale Methanverpflichtung (Global Methane Pledge, GMP) zur Senkung der Emissionen. Doch Turkmenistan hat sich den 150 Ländern, die sie unterzeichnet haben, nicht angeschlossen.
(tasch, 9.5.2023)

Verwendete Quellen:
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Hotspots der globalen Methanemissionen liegen in Turkmenistan
 
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