Vor 80 Jahren, am 6. 6. 1944, begann die Landung der Alliierten in der Normandie - Gedenkveranstaltungen im Spiegel der Weltpolitik

josef

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#1
ZWEITER WELTKRIEG
80. Jahrestag des D-Days: Pilgerort für das Weltkriegsgedenken
Im Lauf der Jahrzehnte hat sich die Art und Weise geändert, wie der Landung der Alliierten in der Normandie gedacht wird. Die Annäherung zwischen Ost und West ist längst wieder Geschichte
Vor 80 Jahren, am 6. Juni 1944, lancierten die westlichen Alliierten mit der "Operation Overlord" den Sturm auf das Naziregime. Seither haben sich die Fronten radikal verschoben, wie ein historischer Blick auf die Zeremonien in der Normandie zeigt: Russland hat sich aus dem Bündnis verabschiedet, Deutschland ist wieder integriert – und mit Angela Merkel gleich in eine Vermittlerrolle geschlüpft.


Truppen landen am 6. Juni 1944 am Juno Beach.
IMAGO/Gemini

6. Juni 1944: Der längste Tag der Weltgeschichte
Am D-Day, dem 6. Juni 1944, überquert eine Armada von 132.000 US-amerikanischen, britischen, kanadischen, polnischen und französischen Soldaten im Morgengrauen den Ärmelkanal, um in der deutsch besetzten Normandie einen Brückenkopf für die Rückeroberung Europas zu bilden. Unter hohen Verlusten setzen sie sich an fünf Landungsstränden wie Omaha Beach fest.

Am Abend zeigt sich, dass die "Operation Overlord" gelungen ist. Die Wehrmacht, die den Angriff aufgrund alliierter Täuschungsmanöver an einem anderen Ort erwartet hatte, leistet noch monatelang Widerstand, bis sie sich aus Frankreich zurückziehen muss. Der Zweite Weltkrieg endet im Mai 1945 mit der Kapitulation des Naziregimes. Doch die Geschichte geht weiter – ablesbar allein schon an der Entwicklung der runden Gedenktage rund um den Längsten Tag, wie der bekannteste D-Day-Film von 1962 heißt.

6. Juni 1984: Sowjetische Gegenpropaganda
Jahrzehntelang stört sich die Sowjetunion an den D-Day-Feiern westlicher Nationen an den französischen Landungsstränden. Die Sowjetpropaganda behauptet in ihren Kampagnen, die Normandie-Operation sei "historisch nebensächlich" gewesen; die Entscheidung sei vielmehr an der russischen Front gefallen. Die Amerikaner und Briten hätten die Normandie-Landung zudem bewusst verzögert, um die Sowjetunion durch die Wehrmacht ausbluten zu lassen.

US-Präsident Ronald Reagan erklärt dagegen am 40. D-Day-Jahrestag vermittelnd, die Amerikaner im Westen und die Russen im Osten hätten Hitler mit einer Zangenbewegung gemeinsam in die Knie gezwungen. Trotz des Kalten Krieges schlägt der US-Amerikaner der Sowjetunion in der Normandie eine "Öffnung im Geist der Versöhnung" vor. Moskau ortet in der Nato aber die gleichen "Neonazis", die auch Wladimir Putin später in der Ukraine ausmachen wird.

US-Präsident Ronald Reagan erklärt dagegen am 40. D-Day-Jahrestag vermittelnd, die Amerikaner im Westen und die Russen im Osten hätten Hitler mit einer Zangenbewegung gemeinsam in die Knie gezwungen. Trotz des Kalten Krieges schlägt der US-Amerikaner der Sowjetunion in der Normandie eine "Öffnung im Geist der Versöhnung" vor. Moskau ortet in der Nato aber die gleichen "Neonazis", die auch Wladimir Putin später in der Ukraine ausmachen wird.


Weitere Soldaten kommen einen Tag nach dem D-Day am Omaha Beach an.
imago/UIG

6. Juni 1994: Helmut Kohls Skrupel
Beim 50. Jahrestag der alliierten Landung sind erstmals Diplomaten der Russischen Föderation zugegen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zeugt dies von einem – wie man sehen wird: nur vorübergehenden – ost-westlichen Tauwetter. Der deutsche Kanzler Helmut Kohl (CDU) leistet der Einladung durch den französischen Präsidenten François Mitterrand hingegen nicht Folge.

hm widerstrebt nicht so sehr, ein Zeichen der Reue zu zeigen, wie deutsche und andere Medien angeregt hatten; vielmehr lässt er durchblicken, die militärische Befreiung Westeuropas habe auch für die Deutschen viel Leid und Zerstörung gebracht. US-Präsident Bill Clinton äußert seine "tiefe Enttäuschung" über Kohls Abwesenheit, die bei den Feierlichkeiten eine "Lücke" hinterlasse. Zum Zeichen, dass sein Zurückstehen nicht gegen Frankreich gerichtet ist, erstattet Kohl Mitterrand wenige Tage vor dem D-Day-Gedenktag ein Gemälde von Claude Monet, das die Nazis geraubt hatten.

6. Juni 2004: Schröder trifft Putin
Zehn Jahre später sind die Kriegswunden in Deutschland besser vernarbt: Mit Gerhard Schröder nimmt 2004 erstmals ein deutscher Regierungschef an den D-Day-Feierlichkeiten teil. Der Sturm auf Hitlers letzte Bastionen sei "kein Sieg über Deutschland, sondern ein Sieg für Deutschland" gewesen, sagt der SPD-Kanzler, der Gastgeber Jacques Chirac für die "großherzige" Einladung dankt.

Er besucht allerdings nicht den großen deutschen Soldatenfriedhof in La Cambe, wo unter den 21.000 Begrabenen auch SS-Vertreter sind, sondern nur den Gedenkort in Ranville mit 322 namentlich bekannten Wehrmachtssoldaten, unter denen keine SS-Angehörigen waren.


Jake Larson ist einer der wenigen noch lebenden Veteranen, die beim D-Day dabei waren.
REUTERS/Dylan Bouscher

Eine gewisse Ironie besteht aus heutiger Sicht darin, dass Schröder in der Normandie auch Putin trifft, den Chirac zum ersten Mal eingeladen hat. Der Franzose unterstreicht mit dieser Geste vor allem seine Distanz zum amerikanisch geführten Irakkrieg von 2003.

George Bush und Jacques Chirac verhandeln in der Normandie hinter verschlossenen Türen über Irak-Resolutionen im Uno-Sicherheitsrat – ein Zeichen, dass sich die Nato-Mitglieder damals den Luxus gravierender Differenzen leisteten. Schröder stellt nach seiner Kritik am Irakkrieg klar, die Deutschen seien keine Pazifisten: "Wo militärisches Eingreifen nötig ist, entzieht sich Deutschland seiner Verantwortung für Frieden und Menschenrechte nicht." Dass sich diese Haltung Deutschlands einmal gegen seinen Freund Putin richten würde, ahnte Schröder damals nicht.

6. Juni 2009: Russische Schatten über dem D-Day
Sehr gefasst, aber entspannter als ihr Vorvorgänger Kohl nimmt Angela Merkel an ihrem ersten D-Day teil. Die deutsche Kanzlerin besucht unter anderem Omaha Beach, wo mutige US-Ranger die Felsen der Pointe du Hoc im deutschen Geschützfeuer hochgeklettert waren. Der transatlantische Irakkrieg-Disput ist überwunden, die Fotografen fokussieren sich auf Michelle Obama und die überhohen Schuhabsätze von Gastgeber Nicolas Sarkozy. Steven Spielberg und Tom Hanks präsentieren ihren D-Day-Kriegsfilm Der Soldat James Ryan.

Überschattet wird der D-Day vom brutalen Vorgehen der russischen Armee im Vorjahr in Georgien. Putin, damals nur Premierminister, und "sein" Präsident Dmitri Medwedew sind deshalb gar nicht erst zur Normandie-Gedenkfeier gekommen. Ein schlechtes Omen für die Zukunft.

6. Juni 2014: Vorboten des Ukrainekriegs
Drei Monate nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland lädt Gastgeber François Hollande Wladimir Putin widerstrebend in die Normandie ein. Konsequenter als viele meidet die britische Königin Elizabeth II. den Russen. Hollande muss schon am Vorabend der Feier jonglieren: Um 19 Uhr diniert er mit Barack Obama, um 21 Uhr mit Putin. Von Hillary Clinton mit Hitler verglichen, giftet Putin, Frauen seien schwach, weshalb er nicht mit ihnen debattiere.

Mit Merkel muss er dennoch. Sie, die Deutsche, spielt an diesem D-Day sogar Vermittlerin. Sie erreicht, dass Putin und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko einander die Hand schütteln. Merkel und Hollande zimmern daraus das vierköpfige "Normandie-Format". Putin spielt mit, obwohl er hintenrum bereits voll in den Kriegsplanungen gegen die Ukraine steckt. Hollande wird bei dem Treffen bewusst, dass Putin falsch spielt: Zwei Monate später wird der französische Präsident die Lieferung von zwei Hubschrauberträgern des Typs Mistral (Kostenpunkt 1,2 Milliarden Euro) an die russische Marine abbrechen.


Am 6. Juni 2014 vermittelt Angela Merkel zwischen Petro Poroschenko und Wladimir Putin.
AP/Regis Duvignau

6. Juni 2019: Trump auf Distanz zu Europa
Emmanuel Macron beendet Putins unwürdiges diplomatisches Doppelspiel, indem er ihn nicht mehr in die Normandie einlädt. Der Kreml antwortet kühl, Putin habe "ehrlich gesagt nichts dagegen". Der Russe weiß, dass seine Attacke auf die Ukraine und damit der endgültige Bruch mit den Ex-Alliierten nur eine Frage der Zeit ist.

2019 ist der Westen allerdings noch mit sich selber beschäftigt, das heißt mit Donald Trump. Der US-Präsident bezeichnet die transatlantische Beziehung immerhin als "unverwüstlich". In der langen Geschichte der D-Day-Feiern wirkt dieser 75. Jahrestag wie der Abschluss einer Ära – der Ära des Friedens auf dem europäischen Kontinent: Die Langzeitkönigin Elizabeth II. und die Langzeitkanzlerin Merkel sind zum letzten Mal dabei. Der Gesichtsausdruck der Deutschen ist besorgt, wenn die Rede auf Europa kommt.

6. Juni 2024: Die letzten Veteranen
Am 80. Jahrestag leben nicht mehr viele D-Day-Soldaten. Laut dem Normandy Victory Museum können heuer nur noch etwa 60 Veteranen zu den Landungsstränden kommen, um zu berichten, wie es damals war. Und wie es wieder werden könnte.
(Stefan Brändle aus Paris, 4.6.2024)
80. Jahrestag des D-Days: Pilgerort für das Weltkriegsgedenken
 

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#2
CHRONOLOGIE DES "LÄNGSTEN TAGES"
"Ok, let's go": So lief der D-Day ab
General Eisenhower gab am Morgen des 5. Juni den Invasionsbefehl, 24 Stunden später landeten US-amerikanische, britische, kanadische und französische Truppen an den Stränden Utah, Omaha, Gold, Juno und Sword
Mit Gedenkfeiern in Anwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungschefs wird am Donnerstag in Frankreich an die Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 erinnert. So lief der D-Day ab:

Landungsboote der USA in Portsmouth vor dem Ablegen Richtung Normandie.
AFP/Imperial War Museum/-

5. Juni
04.30 Uhr:
US-General Dwight D. Eisenhower gibt mit den später berühmt gewordenen Worten "Ok, let's go" grünes Licht für den Beginn des Militäreinsatzes.


Flugzeuge der Alliierten bombardieren deutsche Schiffe in Vorbereitung der Invasion.
AFP/-

21.15 Uhr: Der britische Rundfunksender BBC sendet Auszüge aus einem Gedicht des französischen Dichters Paul Verlaine – das Signal an die französischen Widerstandskämpfer in der Normandie, dass sie mit Sabotageakten gegen die Deutschen beginnen sollen.


Schiffe der Alliierten bei der Durchquerung des Ärmelkanals.
AFP/-

22.15 Uhr: In Großbritannien starten die ersten Flugzeuge mit britischen und US-Fallschirmjägern.


Nach der Landung wird massenweise Material an den Strand gebracht. In der Luft sichern Sperrballons die Aktion gegen deutsche Luftangriffe.
AFP/US National Archives/-

6. Juni
00.05 Uhr:
Die ersten Aufklärer springen über der Region ab, um die Landeplätze für die folgenden Fallschirmjäger zu markieren. Alliierte Flugzeuge beginnen mit der Bombardierung deutscher Stellungen.


Britische Fallschirmjäger vor dem Flug zu ihrem Absprungort. "Der Kanal hat euch gestoppt, aber nicht uns" wurde auf das Flugzeug geschrieben.
AFP/-

00.15 Uhr: Die ersten alliierten Flugzeuge mit Soldaten und Material landen im Hinterland der Normandie-Küste.

Ein US-Schiff der Invasionsarmada mit Truppen und Material an Bord.
AFP/-

00.50 Uhr: Britische Soldaten übernehmen die Kontrolle über die strategisch wichtigen Brücken von Bénouville, Pegasus Bridge genannt, und Ranville. In den folgenden Stunden landen tausende Fallschirmjäger in der Normandie.


Soldaten der 4. Infanteriedivision am Utah Beach.
AFP/Imperial War Museum/-

05.00 Uhr: Die gigantische Schiffsflotte der Alliierten kommt vor den Stränden der Normandie an. Weniger als eine halbe Stunde später beginnen die Kriegsschiffe mit dem Beschuss deutscher Stellungen.


US-Landetruppen am Utah Beach.
AFP/US ARMY/-

06.30 Uhr: Beginn der Landung von US-Truppen an den Stränden mit den Codenamen Utah und Omaha.


Nicht alle Landungsboote schafften es bis zum Strand. Diese US-Soldaten retteten sich am Omaha Beach mit einem Schlauchboot, nachdem ihr Landungsboot gesunken war.
AFP/-

07.00 bis 07.45 Uhr: Beginn der Landung von britischen Soldaten an den Stränden Sword und Gold sowie von kanadischen Soldaten am Strand Juno.


Kanadische Soldaten der 6. Brigade bei der Landung an ihrem Strandabschnitt
.AFP/-

09.30 Uhr: General Eisenhower gibt in der BBC die Landung der Alliierten in der Normandie offiziell bekannt.


US-Soldaten bei der Landung.
AFP/-

10.00 Uhr: Adolf Hitler wird über die Ereignisse informiert. Zur gleichen Zeit wird der für die Verteidigung der Atlantikküste zuständige Generalfeldmarschall Erwin Rommel informiert, der sich wegen des Geburtstags seiner Frau gerade in Deutschland aufhält. Er eilt am selben Tag in die Normandie zurück. Von Rommel stammt der Ausdruck "der längste Tag", der später durch einen Film weltbekannt wird.


Kanadische Soldaten am Strand von Courseulles ("Juno Beach") in der Normandie.
AFP/-

12.00 Uhr: Der britische Premierminister Winston Churchill gibt vor dem Parlament in London eine Erklärung zur Alliierten-Landung ab.


Soldaten kämpfen sich nach dem Verlassen eines Landungsboots zum Strand durch.
IMAGO/UPI

18.00 Uhr: Der französische General Charles de Gaulle hält im Exil in London eine Radioansprache und verkündet: "Die Entscheidungsschlacht hat begonnen!"


Die Landung in der Normandie wurde von einer enormen Zahl an Schiffen durchgeführt.
AFP/-

Mitternacht: Am Ende des D-Days sind 156.000 alliierte Soldaten in der Normandie gelandet. Mehr als 11.000 tote, verwundete oder vermisste Soldaten sind aufseiten der Alliierten zu beklagen.


Alliierte Soldaten bei der Sicherung eines Strandabschnitts.
AFP/-


Französische Soldaten bringen als Ausrüstung Fahrräder an den Strand.
AFP/STF


Britische Soldaten am Sword Beach.
AFP/-
"Ok, let's go": So lief der D-Day ab
 

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#3
80 JAHRE D-DAY
„Kalkulierter Horror“ gegen Nazideutschland
Online seit gestern 05.06.2024, , 23.46 Uhr

Am 6. Juni 1944 gelang den Alliierten die lange geplante Invasion in Frankreich – der D-Day jährt sich heuer zum 80. Mal. Der Preis für den Erfolg war hoch: Die Landung in der Normandie war brutal, allein in den ersten Minuten des Angriffs starben Tausende alliierte Soldaten. Der D-Day war laut dem Historiker Georg Hoffmann ein „kalkulierter Horror und Schrecken“, bei dem die Alliierten alles auf eine Karte setzen mussten. Denn der Ausgang der Invasion spielte nicht nur für die Dauer des Zweiten Weltkriegs eine entscheidende Rolle.

Nur einen Monat vor dem Angriff versetzen Kreuzworträtsel die britischen Sicherheitsleute in höchste Alarmbereitschaft. Das Wort „Utah“ taucht im „Daily Telegraph“ auf, kurz darauf „Omaha“ und schließlich „Neptune“. Der Kreuzworträtselverfasser wird verhaftet und verhört, er soll ein feindlicher Agent sein. Denn die Wörter sind alle Codenamen für die von langer Hand geplante „Operation Overlord“, die laut dem britischen Premier Winston Churchill „komplizierteste und riskanteste Militäroperation aller Zeiten“.

Dass der Kreuzworträtselschreiber die Begriffe ohne Hintergedanken verwendet hat, stellt sich später heraus. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen und die hohe Geheimhaltung waren allerdings wesentlich für das Gelingen der Operation. „Bis 6. Juni 1944 war es so, dass die Westalliierten auf dem europäischen Kontinent, sieht man von Süditalien ab, nicht vorhanden waren. Auch Adolf Hitler hat das aufgebaut als Entscheidungsschlacht, bei der die Alliierten besiegt werden sollen“, sagt Georg Hoffmann, Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, gegenüber ORF Topos.


Ein Landungsboot nähert sich „Omaha Beach“. Viele der Soldaten werden die ersten Minuten des Angriffs nicht überleben.
picturedesk.com/LEONE/Ullstein Bild
Über 6.000 Kriegsschiffe machten sich am D-Day auf den Weg nach Frankreich
picturedesk.com/akg-images
Kolorierte Aufnahmen zeigen die US-amerikanischen Soldaten vor dem Angriff. Fast alle von ihnen sind junge Wehrpflichtige.
IMAGO/piemags
Wasserbombe gegen ein vermutetes deutsches U-Boot
picturedesk.com/LEONE/Ullstein Bild
Landeboote der britischen Marine bringen in Südengland Ranger der US-Armee zu einem Schiff
Public Domain
Die Aufnahme „Into the Jaws of Death“ des US-Armeefotografen Robert F. Sargent gilt als ikonisch. Etwa 588 Journalisten wurden von den Alliierten für die Invasion akkreditiert.
picturedesk.com/AP/Peter J. Carroll
Die Landung in der Normandie war die Hölle – manche starben durch Beschuss, andere ertranken
picturedesk.com/akg-image
Die alliierten Soldaten mussten neben Waffen und Munition auch Verpflegung bei sich tragen
IMAGO/GRANGER Historical Picture Archive
Die schwere Ausrüstung zog viele unter Wasser, etliche konnten nicht schwimmen
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Ein US-Soldat feuert eine Granate ab
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Soldaten bringen kübelweise Blutkonserven zu den Stränden, an denen auch Sanitäter im Einsatz waren
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Nach dem D-Day gelingt den Alliierten der Vormarsch in Frankreich – im Bild hockt ein US-Soldat neben einem französischen Zivilisten
IMAGO/glasshouseimages
Trucks und seefeste Panzer boten auch wichtige Deckung während des Angriffs

„Der Begriff D-Day bedeutet Decision Day und wird eigentlich für unterschiedlichste militärische Ereignisse verwendet“, so der Historiker weiter. „In dem einen Fall ist es aber so, dass sich das wirklich in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt hat, weil diese größte amphibische Landung, die die Menschheit in dieser Form jemals gesehen hat, so ein einprägsames Erlebnis war.“

Fatale erste Stunden bei „Bloody Omaha“
Bis heute wird der Begriff „D-Day“ im US-amerikanischen und europäischen Raum mit jenem 6. Juni 1944 assoziiert, nicht zuletzt durch Hollywood-Verfilmungen wie „Der Soldat James Ryan“ und „Der längste Tag“. Vor allem ersterer Film zeigt gleich zu Beginn das Himmelfahrtskommando, das die Invasion in das von Nazis besetzte Frankreich für Tausende der 175.000 US-amerikanischen, britischen und kanadischen Soldaten bedeutete.
Die Soldaten sollten fünf Strandabschnitte sichern, unterstützt von rund 6.000 Schiffen und Flugzeugen. „Insgesamt ist eine derartige Landung, bei der Soldaten im deckungslosen Gelände gegen verbunkerte Stellungen anlaufen, mit unglaublicher Brutalität und hohen Opferzahlen verbunden“, erklärt Hoffmann. „Die Soldaten, die dort anlanden, sind sofort in einem Gefechtsgeschehen und müssen einen sogenannten Brückenkopf bilden, das heißt eine Stellung erarbeiten, von der aus sie dann die nächsten Schritte setzen.“ Zudem mussten sie Verpflegung, Munition, Sprengmittel und Flammenwerfer transportieren.


Die Landung der Alliierten in der Normandie fand an fünf verschiedenen Abschnitten statt

Zahlreiche Soldaten starben allein bei dem Versuch, mit ihrem schweren Gepäck von den Landungsbooten an Land zu gelangen. Vor allem die Landung in „Omaha Beach“ war fatal: Den Alliierten war es mit ihren Luftangriffen nicht gelungen, die Bunkerstellungen der Nazis zu beschädigen, weshalb diese mit allem, was sie hatten, schossen. Allein in den ersten Stunden des Angriffs starben knapp 2.000 Soldaten – doppelt so viele sollten im Laufe des Tages folgen.

Auf diese Schrecken kann man niemanden vorbereiten, und das ist genau das, was man dann auch dort gesehen hat: Besonders ‚Omaha Beach‘ war der blanke Horror. (…) Man versuchte einfach, mit einer Masse die intakten deutschen Bunkerstellungen zu überlaufen, und das hat natürlich unzählige Todesopfer verursacht. Aber diese Opfer und dieser Horror waren, so grausam das klingt, kalkuliert.
Georg Hoffmann, Historiker

Niemand wollte Hitler wecken
Trotz hoher Verluste in den ersten Stunden gelang es den Alliierten am Ende des Tages, die Luft- und Seeherrschaft in der Normandie an sich zu reißen, mehr als eine Million Soldaten ins Landesinnere zu bekommen – und somit die wesentlichen Weichen für die Einnahme größerer Städte und auch der Befreiung von Paris zu stellen. Dass das gelang, hatte aber mehrere Gründe.

„Zu diesem Zeitpunkt waren das Deutsche Reich und die Wehrmacht ausschließlich auf Adolf Hitler zugeschnitten. Man hat seine Entscheidung gebraucht, um Truppen und Reserven in Bewegung zu setzen“, erklärt Hoffmann. „Gleichzeitig waren seine cholerischen Ausfälle zu diesen Zeiten bekannt. Als die ersten Informationen eintrafen aus der Normandie, hat man sich nicht getraut, ihn zu wecken.“ Auch der deutsche Oberbefehlshaber in der Normandie, Erwin Rommel, reiste einen Tag vor dem D-Day aus Frankreich zu dem 50. Geburtstag seiner Frau ab – nicht zuletzt wegen des schlechten Wetters.

Erfolg auch dank Täuschungsmanövern
Die deutsche Führungsriege ging zudem bis zuletzt davon aus, dass die Hauptlandung der Alliierten in Calais stattfinden würde, da dort die Distanz zwischen Großbritannien und Frankreich die kürzeste ist. „Diese Fehleinschätzung auf deutscher Seite hat auch mit alliierten Täuschungsmanövern zu tun. Die Alliierten haben über Monate nichts anderes getan, als die Deutschen mit Falschinformationen zu versorgen, und haben sogar Scheinverbände dafür aufgebaut“, so Hoffmann.

Die Résistance in Frankreich hat hier eine wesentliche Rolle gespielt – übrigens auch unter vereinzelter österreichischer Beteiligung. Sowohl bei den Alliierten als auch beim Widerstand mischten etwa jüdische Männer mit, die 1938 aus Österreich geflohen waren. „Es gab mit Hanne Norbert auch eine Österreicherin in der BBC, die Informationen über die Landung bis in den Alpenraum ausgestrahlt hat. Die österreichische Beteiligung war zwar gering, aber es gab sie.“ Gleichzeitig gab es auch eine hohe österreichische Beteiligung bei der Wehrmacht.

Keine Kriegswende, aber wichtiges Signal
Ob der Angriff und der darauf folgende Einmarsch in Frankreich tatsächlich den Anfang vom Ende des Nazi-Regimes markiert, wie häufig plakativ getitelt werde, sei in der Forschung umstritten, betont Hoffmann. „Tatsächlich, man kann sagen: Die Kriegswende war es nicht. Die Kriegswende war sicher zuvor Stalingrad.“ Zum Zeitpunkt der Landung in der Normandie sei bereits klar gewesen, dass das Deutsche Reich den Krieg verlieren werde.
Aber: Es war nach wie vor entscheidend, dass die Westalliierten eine „zweite Front“ in Europa eröffneten, auch auf Drängen des sowjetischen Diktators Josef Stalin. „Es war tatsächlich ein Koste-es-was-es-wolle, also ein Inkaufnehmen der größten Opferzahl, die man sich hätte vorstellen können. Man muss sich vor Augen halten, was für ein fatales Zeichen es gewesen wäre, wenn diese Landung nicht gelungen wäre, darum hat man alles auf eine Karte gesetzt.“ Und die Folgen des D-Day bestimmten nicht zuletzt die Nachkriegsordnung.

„Die Landung hat den Krieg erheblich verkürzt und war ein wesentlicher Beitrag der westlichen demokratischen Staaten zur Befreiung Europas“, sagt Hoffmann. Die Kämpfe, die auf den D-Day folgten, verursachten aber auch Zehntausende Tote – allein in der französischen Zivilbevölkerung starben rund 20.000 Menschen. Millionen Leben seien gesamt womöglich gerettet worden, aber „natürlich unter erheblichen Opfern“.
06.06.2024, Mona Harfmann (Text, Gestaltung), Zita Klimek (Bildredaktion), beide ORF Topos, Peter Pfeiffer (Grafik), für ORF Topos

Links:
Georg Hoffmann (Heeresgeschichtliches Museum)
Hanne Norbert (Wikipedia)
ORF Topos
 
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