Geist

Worte im Dunkel
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#21
In der KZ Gedenkstätte Mauthausen wurde im Zuge von haustechnischen Sondierungen und der Aufarbeitung historischer Pläne ein bislang unbekannter Luftschutzbunker entdeckt.

Bei der durch unseren Kollegen, Herrn Ing. Lorenz Tributsch, kürzlich gemachten Entdeckung dürfte es sich um den sog. „Ziereisbunker“ handeln, der zum ehemaligen Stabsgebäude der KZ-Gedenkstätte gehörte. Die bislang für den betroffenen Bunker gehaltenen unterirdischen Räumlichkeiten sind mit hoher Wahrscheinlichkeit dem ehemaligen Offizierskasino zuzuordnen.

Ausschlaggebendes Indiz für die Entdeckung war ein Stiegenabgang im Bereich der Terrasse vor dem Stabsgebäude, der in den historischen Planunterlagen erst ab 1944 auftaucht und damit mit dem Baubeginn des Luftschutzbunkers am 23.03.1944 und dessen Fertigstellung noch im selben Jahr zusammenfällt.

Namensgebend für den “Ziereisbunker” ist der von 1939 bis zur Befreiung des Lagers 1945 eingesetzte Lagerkommandant, Franz Ziereis, der kurz vor seinem Tod die unmenschlichen Gräultaten und die Ermordung tausender Häftlinge gestand.

Gemeinsam mit der Mauthausen Memorial / KZ-Gedenkstätte und dem Bundesdenkmalamt Österreich wird durch weitere Studien und Bodenradaruntersuchungen zur Erforschung des historischen Gebäudekomplexes beigetragen.

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Fotos © BHÖ
Quelle: Burghauptmannschaft Österreich
 

josef

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#22
Salzburgs NS-Mörder: Erstmals Liste publiziert
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Nun widmet sich das Salzburger Personenkomitee für Stolpersteine erstmals umfassend den Tätern des Nationalsozialismus. Freitag wurden dazu erstmals 60 Namen veröffentlicht – 59 Männer und eine Frau, die bei Polizei, Justiz, Sonder- und Kriegsgerichten, „Volksgerichtshof“ und Konzentrationslagern mörderische Arbeit leisteten.
Online seit heute, 18.23 Uhr
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Seit 2007 hat das Personenkomitee allein in der Stadt Salzburg 509 Erinnerungssteine zum Gedenken an von den Nationalsozialisten ermordete Menschen verlegen lassen. Nun liegt ein weiterer Fokus auf den Tätern von damals.

Verantwortliche für 1.500 Tote
„Wir wollten wissen, wer während der NS-Zeit für den Tod von mindestens 1.500 in Stadt und Land Salzburg lebenden Personen verantwortlich war“, sagt der Historiker Gert Kerschbaumer, der die Liste „Täterspuren“ recherchiert hat. Dabei habe man sich zunächst auf Vertreter von Polizei und Justiz beschränkt: „Das sind Männer und Frauen, ohne die der Terror nicht hätte ausgeführt werden können, auch wenn er von anderen angeordnet worden ist.“

Die Liste enthält Namen von Salzburger NS-Tätern, ihre Lebensdaten sowie kurze biografische Eckdaten samt den wichtigsten Karrierestationen in Hitlers Justiz und im damit verbundenen Unterdrückungsapparat. Ihre Opfer kamen in Folterzentren der Gestapo, Gefängnissen, Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis in vielen Teilen Europas ums Leben – manche auch im KZ Mauthausen im unteren Mühlviertel nordöstlich von Linz, der Lieblingsstadt des so genannten „Führers“ und gebürtigen Oberösterreichers Adolf Hitler:

Fotostrecke
Flugbild: Gerald Lehner
KZ-Gedenkstätte in Mauthausen, wo bis 1945 auch viele Salzburger litten und starben. Dieses Konzentrationslager war das einzige der Stufe 3 auf dem Gebiet von Österreich und Deutschland. Sonst fielen nur industriell organisierte Lager wie Auschwitz 1, Auschwitz-Birkenau und ähnliche Orte in diesen besonders grausamen Teil von Hitlers Maschinerie
Flugbild: Gerald Lehner
Für Wind- und Wetter sehr exponierte Lage über dem Donautal deutlich außerhalb der Gemeinde Mauthausen: KZ-Gedenkstätte und Steinbruch „Wiener Graben“ im Vordergrund. Der ganze Bereich war von den Ortschaften der Nachbarschaft kaum oder nur schwer einzusehen. Dennoch wusste die Bevölkerung genau, was hier vor sich ging
Flugbild: Gerald Lehner
Steinbruch „Wiener Graben“ bei der heutigen KZ-Gedenkstätte Mauthausen
Flugbild: Gerald Lehner
Sehr steile „Todesstiege“ beim Steinbruch „Wiener Graben“, wo die SS in direkter Nähe zum KZ Mauthausen besonders viele Häftlinge zu Tode schinden oder ermorden ließ
Flugbild: Gerald Lehner
Oben die sehr steile „Todesstiege“ beim Steinbruch „Wiener Graben“, rechts der Fußweg zum KZ Mauthausen
Flugbild: Gerald Lehner
Ehemaliger Steinbruch und Areal mit Denkmälern vieler Staaten für ihre im KZ Mauthausen ermordeten Bürger
Flugbild: Gerald Lehner
Rechts im Vordergrund das Schwimmbad für die SS-Wachmannschaften, wo sich in der Freizeit vergnügen konnten – in Sichtweite von Gaskammer, Krematorium, Foltervorrichtungen, Häftlingsbaracken und Massengräbern. Oben ganz rechts gab es ein Sonderlager, in dem sowjetische Kriegsgefangene systematisch ermordet wurden

Mörderische Juristen wollten nicht genannt werden
„Täter hinterlassen spärliche oder gar verborgene Spuren“, betont Kerschbaumer. Auf den Meldungen der Kriegsgerichte in Salzburg über vollstreckte Todesurteile nach Berlin fehlen etwa die Namen der Täter. Zugleich hätten viele Juristen gegen Kriegsende ihre Akten vernichtet, um sich ihrer Verantwortung zu entledigen.
„Von den 24 Juristen, die in den Kriegsjahren im Justizgebäude Salzburg als Kriegsrichter fungierten, lassen sich bis jetzt bloß vier Österreicher namhaft machen, die Todesurteile gefällt haben“, sagt der Historiker Kerschbaumer.

Nach dem Krieg machten viele weiter Karriere
Auf der Liste fänden sich auch Täter, die in der Zweiten Republik unabhängig von ihrer Verstrickung in dokumentierte Verbrechen wieder Karriere machen konnten – ein Salzburger Magistratsdirektor, ein Präsident der Freunde der Salzburger Festspiele, Richter, Anwälte und Polizeibeamte, die nach 1945 ihr Leben und den Lebensabend unbehelligt in Salzburg verbrachten, betont Historiker Kerschbaumer.
Die nun erstmals publizierte Namensliste finden Sie hier:
NS-Täter und ihre Kurz-Biografien (PDF)


24.11.2023, APA, Gerald Lehner - salzburg.ORF.at/Agenturen

Weiterer Link:
Salzburgs NS-Mörder: Erstmals Liste publiziert
 

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#23
Gedenkfeiern 2024 in Mauthausen
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Mehrere große Gedenkveranstaltungen widmen sich in den kommenden Tagen der Befreiung des KZ Mauthausen und seiner Nebenlager vor 79 Jahren: Am Donnerstag, 2. Mai, gedenken unter anderem Mitglieder der Bundesregierung im Rahmen eines Festakts in Mauthausen.
Online seit heute, 10.20 Uhr
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Am 4. Mai folgt eine gemeinsame Feier der Gedenkstätte Mauthausen und des Gusen Gedenkdienstkomitees in Langenstein und tags darauf die traditionelle Befreiungsfeier unter der Federführung des Mauthausen Komitee.

Diese weltweit größte KZ-Befreiungsfeier findet am 5. Mai auf dem Appellplatz des ehemaligen Lagers, der heutigen Gedenkstätte, statt. Sie widmet sich heuer – ebenso wie zahlreiche Feierlichkeiten in den Außenlagern – dem Thema „Recht und Gerechtigkeit im Nationalsozialismus“.

Auch virtuelles Gedenken möglich
Zusätzlich gibt es auch wieder ein virtuelles Gedenken auf den Online-Plattformen des Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ). Jede und jeder sei eingeladen einen Beitrag einzureichen, warum eine „Ethnisierung des Rechts unbedingt zu verhindern und gegen alle derartigen Tendenzen vorzugehen“ sei, so der Aufruf.

Festakt mit Regierungsmitgliedern
Bereits am 2. Mai findet in der Gedenkstätte Mauthausen ein Festakt statt, zu dem neben Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und mehreren Ministern auch Mitglieder von Opferorganisationen und des internationalen Beirats Mauthausen, in dem 20 Holocaust-Opfernationen vertreten sind, sowie eine Jugendgruppe aus Luxemburg erwartet werden.

Die Feier steht unter der Überschrift „Die Vielfalt des Gedenkens“. Es wird ein Statement zum Thema „Was bedeutet Mauthausen für uns heute?“ verlesen, dann werden Blumen am Kenotaph, dem Denkmal zu Ehren der Opfer, niedergelegt. Im KZ Mauthausen und seinen über 40 Nebenlagern wurden zwischen 1938 und 1945 knapp 200.000 Menschen aus mehr als 40 Nationen gefangengehalten, rund 90.000 überlebten nicht.

Gedenken auch im Nebenlager Gusen
Im Nebenlager Gusen, wo 71.000 Gefangene aus fast 30 Nationen interniert waren, von denen etwa 36.000 zu Tode kamen, waren die Bedingungen besonders hart. Die Gefangenen mussten unter dem Tarnnamen „Bergkristall“ eine Stollenanlage für die Rüstungsindustrie errichten. Nach der Befreiung wurde das Lager abgetragen, Wohnhäuser wurden gebaut. Lange Zeit gab es immer wieder Kritik aus dem In- und Ausland, dass das Gedenken an diesem Schreckensort vernachlässigt werde.

Nachdem die Republik in den vergangenen Jahren schließlich Grundstücke am Areal des ehemaligen KZ Gusen in Langenstein angekauft hat und dort nun ein Prozess zur Neugestaltung der Gedenkstätte angestoßen wurde, wird – wie bereits in den zwei vorangegangenen Jahren – auch am ehemaligen Appellplatz von Gusen gedacht. Hier sind regionale Gedenkorganisationen eingebunden, aller Voraussicht nach wird Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) dabei das offizielle Österreich vertreten.

Fest der Freude am 8. Mai
Beim schon traditionellen „Fest der Freude“ am Jahrestag der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai geht es heuer ebenfalls schwerpunktmäßig um „Recht und Gerechtigkeit im Nationalsozialismus“. Als Höhepunkt ist die Rede der Zeitzeugin Rosa Schneeberger angekündigt, die Eröffnungsworte am Wiener Heldenplatz werden Bundespräsident Alexander Van der Bellen und MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi sprechen. Bereits am 3. Mai gibt es wieder ein Gedenken im Parlament.
27.04.2024, red, ooe.ORF.at/Agenturen

Link:
KZ-Gedenkstätte Mauthausen

Gedenkfeiern in Mauthausen
 

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#24
05.05.2024 - Gedenken an Befreiung in Mauthausen
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Der 5. Mai gilt als Jahrestag für die Befreiung der Insassen des Konzentrationslagers in Mauthausen. Im früheren KZ, der heutigen Gedenkstätte in Oberösterreich, findet daher am Sonntag die jährliche Feier statt. Tausende Menschen aus alle Welt nehmen an der Feier teil, die sich heuer unter anderem dem Thema „Recht und Gerechtigkeit im Nationalsozialismus“ widmet.
Online seit heute, 6.57 Uhr
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Seit 1946 wird Anfang Mai der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen durch US-Truppen gedacht. Im KZ Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern waren rund 200.000 Personen aus aller Welt interniert, mindestens 90.000 davon starben. Die Befreiungsfeier war in den vergangenen Jahrzehnten auch ein Tag in dem Überlebende und Zeitzeugen über ihr Leben berichteten. Mittlerweile ist dieses Treffen aber auch ein wichtiger Teil um mit der Jugend in den Dialog zu treten, so Willi Mernyi vom Mauthausen Komitee.

Diktaturen missbrauchen Rechtssystem
Laut Mernyi gehe es nicht nur um das: niemals vergessen – sondern es gehe auch immer stärker um das: niemals wieder. „Also was können wir tun, dass so etwas ähnliches nie wieder passiert?“, sagt Mernyi im Gespräch mit dem ORF OÖ.

Mit dem Thema Recht und Gerechtigkeit will das Mauthausen Komitee auch daran erinnern, dass auch heute Diktaturen das Rechtssystem missbrauchen. „Im Nationalsozialismus wurde ja auch Recht gesprochen, die Ermordung von Millionen von Menschen war ja durch ein Gesetz, die Nürnberger Rassengesetze, rechtlich abgesichert. Aber mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun gehabt!“, so Mernyi. Deswegen sei es wichtig so appellieren, dass überall auf der Welt unter dem Deckmantel des Rechts, Ungerechtigkeit passiert, führt Mernyi weiter aus.

Van der Bellen nimmt an Befreiungsfeier teil
Die Befreiungsfeier beginnt am Sonntag um 11 Uhr. Auch Bundespräsident Alexander van der Bellen wird in Begleitung des „offiziellen Österreich“ und gemeinsam mit internationalen Delegationen an der Befreiungsfeier teilnehmen.
05.05.2024, red, ooe.ORF.at

Link:
Mauthausen Komitee
Gedenken an Befreiung in Mauthausen
 

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#25
NS-AUFARBEITUNG
Der „grüne Winkel“ als Tabu
Als letzte Gruppe der KZ-Häftlinge sind kürzlich die „Berufsverbrecher“ als NS-Opfer anerkannt worden.
Ein neues Buch arbeitet ihre Geschichte im Konzentrationslager Mauthausen auf und liefert dabei auch Antworten auf die Frage, warum die Anerkennung erst jetzt kommt. Für die Opfer kommt sie zu spät, von entscheidender Bedeutung ist sie heute aber trotzdem.

Als die Nazis im August 1938 begannen, in Mauthausen ein Konzentrationslager zu errichten, brachten sie 300 Häftlinge aus dem KZ Dachau nach Mauthausen. Diese Männer mussten das Lager erst aufbauen. Sie hatten eines gemeinsam: Sie trugen alle den „grünen Winkel“ – ein Dreieck auf der Kleidung, das ihre Häftlingskategorie zu erkennen gab. Für die Nazis waren sie „Berufsverbrecher“. Sie waren die ersten und bis März 1939 die einzigen Häftlinge in Mauthausen. Einer von ihnen war der 25-jährige Johann Kopinitz aus Wien, der wenige Wochen zuvor nach Dachau deportiert worden war und bis 1945 in Mauthausen inhaftiert war.

Die Geschichte der „Berufsverbrecher“ im KZ Mauthausen hat nun der Soziologe und Politikwissenschaftler Andreas Kranebitter, Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), aufgearbeitet. Die späte Anerkennung als NS-Opfer – sie erfolgte durch eine Novellierung des Opferfürsorgegesetzes am 12. Juni – und die lang bestehende Forschungslücke, die Kranebitter mit seinem Buch schließt, erklärt er im Gespräch mit ORF Topos unter anderem damit, dass den sogenannten Berufsverbrechern lange das Stigma anhaftete, „zu Recht im KZ“ gewesen zu sein.

„Auch der Irrglaube, dass diese Menschen zu KZ-Haft verurteilt wurden, hält sich sehr hartnäckig“, so Kranebitter: „Tatsächlich waren die sogenannten Berufsverbrecher vorbestrafte Personen, die ihre Haftstrafen schon längst abgesessen hatten.“ Verstärkt ab 1937 verhängten die Nazis zur „Vorbeugung“ KZ-Haft über Tausende Menschen, die davor mehr als dreimal zu mindestens sechs Monaten Haft verurteilt worden waren.
In der NS-Ideologie ging man davon aus, dass kriminelles Verhalten auf vererbbaren und unveränderlichen Wesenszügen basiere – eine Vorstellung, die nicht von den Nazis erfunden wurde, sondern bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Drei Viertel der Verurteilungen betrafen Eigentumsdelikte, erklärt Kranebitter: „In der Propaganda wurden die Menschen jedoch oft als Mörder und Gewalttäter dargestellt. Für die Nazis hatten sie ihr Recht, Teil der sogenannten Volksgemeinschaft zu sein, verwirkt und sollten weggesperrt oder sogar vernichtet werden.“

Das Bild vom „kriminellen KZler“
4.234 namentlich bekannte „Berufsverbrecher“, die in Mauthausen inhaftiert waren, konnte Kranebitter ausmachen, das sind 2,5 Prozent der Häftlinge. Zählt man die 11.098 Häftlinge dazu, die in Mauthausen in „Sicherungsverwahrung“ waren und einen „grünen Winkel“ mit der Spitze nach oben tragen mussten, kommt man auf gut neun Prozent „krimineller“ Häftlinge.

„Sicherheitsverwahrte“ waren Justizhäftlinge, denen die Nazis eine „kriminelle Laufbahn“ vorhersagten und die ab 1942 der Polizei übergeben und zur „Vernichtung durch Arbeit“ in Konzentrationslager deportiert wurden. In Mauthausen wurden sie meist innerhalb kürzester Zeit ermordet. Auch Frauen wurden als „Berufsverbrecherinnen“ und „Sicherheitsverwahrte“ inhaftiert, kamen aber nicht nach Mauthausen, sondern ins KZ Ravensbrück.

Die SS kategorisierte KZ-Häftlinge meist unmittelbar nach der Ankunft mit farblichen Dreiecken („Winkeln“). „Berufsverbrecher“ mussten einen grünen Winkel auf der Häftlingskleidung tragen.
Public Domain

Nach der Befreiung sah sich Österreich als erstes Opfer des Nationalsozialismus, und die tatsächlichen Opfer wurden als „Täter“ ausgemacht. Das Bild von KZ-Häftlingen als kriminelle Häftlinge, das man heute noch in rechten bis rechtsextremen Kreisen beobachten könne, so Kranebitter, sei in der Bevölkerung weit verbreitet gewesen: „In diesem Klima waren die Opferverbände enorm in der Defensive. Das führte dazu, dass sich auch politische Häftlinge von den kriminellen Häftlingen distanzierten, um nicht selbst diskreditiert zu werden.“
Der „grüne Winkel“ wurde auch innerhalb der Überlebenden zum Stigma und Tabu. „Das war schon in den Lagern so“, sagt der Soziologe, „doch wurden dort noch individuelle Unterschiede gemacht.“

Enger Opferbegriff: Heldin oder Unschuldiger
Im Opferfürsorgegesetz waren in der ersten Fassung von 1947 nur jene Menschen als Opfer anerkannt, die „mit der Waffe in der Hand“ für ein freies Österreich gekämpft haben, sowie Menschen, die „aus politischen Gründen oder aus Gründen der Abstammung, Religion oder Nationalität“ verfolgt wurden.

Dass letztere auch als Opfer galten, war die Folge langer Diskussionen, erklärt Kranebitter: „Sogar Jüdinnen und Juden mussten darum kämpfen, als Opfer anerkannt zu werden, weil der Opferbegriff zunächst so eng verstanden wurde, dass er nur aktive Widerstandskämpfer fasste. Außerdem mussten Opfer eine weiße Weste haben, also keine Vorstrafen.“
Erst Jahrzehnte später wurden weitere Opfergruppen anerkannt: 1995 Menschen mit Behinderungen und 2005 Homosexuelle, als "asozial" Verfolgte, Opfer der NS-Militärjustiz – hauptsächlich Deserteure – und Opfer der NS-Gesundheitspolitik, die etwa zwangssterilisiert wurden.

Im Konzentrationslager Mauthausen und seinen Außenlagern waren zwischen 1938 und 1945 circa 190.000 Menschen inhaftiert, mindestens 90.000 kamen zu Tode.
picturedesk.com/Daniel Scharinger

Doch bis vor gut drei Wochen sah das Opferfürsorgegesetz vor, dass ein NS-Opfer nicht vorbestraft sein durfte. Auf die Frage, warum die Anerkennung der „Berufsverbrecherinnen“ und „Berufsverbrecher“ noch einmal fast zwei Jahrzehnte länger gedauert hat als die anderer ebenfalls stark stigmatisierter Gruppen, antwortet Kranebitter mit einer Gegenfrage: „Wer identifiziert sich schon gerne mit einem mehrfach verurteilten Einbrecher?“

Kaum jemand setzte sich für die Anerkennung dieser Opfergruppe ein. Teilweise gab es auch Widerstände von Überlebendenverbänden, sagt Kranebitter, weil auch dort „Berufsverbrecher“ von manchen nicht als echte Opfer oder pauschal als „Helfershelfer der SS“ gesehen wurden.

Das Narrativ vom „gewaltaffinen Berufsverbrecher“
Im KZ Mauthausen waren überdurchschnittlich viele „Berufsverbrecher“ Funktionshäftlinge, darunter auch gefürchtete Kapos, also Vorarbeiter in einem Arbeitskommando, etwa im Steinbruch von Mauthausen. „Die SS machte sich selbst nicht die Hände schmutzig und zwang die Kapos, ihren Terror auszuführen“, sagt Soziologe Kranebitter.

„Die anderen Häftlinge sahen oft nur den Kapo, der sie terrorisierte und mehr zu essen bekam als sie. Dabei muss man aber bedenken, dass er mit dem Leben bezahlte, wenn sein Kommando nicht die geforderte Arbeit erbrachte, und dass er ebenfalls zu wenig zu essen hatte, wenn auch mehr als die anderen. Den Verwaltungsführer der SS, der im Sinn des Mordprogrammes die Rationen kürzte, um die Häftlinge verhungern zu lassen, hat man nicht gesehen“, so Kranebitter.

Lange Zeit wurde auch in der historischen Aufarbeitung unhinterfragt die Erzählung tradiert, die „Berufsverbrecher“ seien aufgrund der Vorstrafen gewaltaffin und prädestiniert dafür gewesen, den Job der Kapos auszuüben. Kranebitter stellt das infrage und verweist nochmals auf die 75 Prozent an Eigentumsdelikten bei den Vorstrafen. Der DÖW-Leiter hält eine andere Erklärung für plausibler: „Sie waren die ersten, die da waren. Die Funktionen wurden oft nach dem Senioritätsprinzip vergeben.“ Von August 1938 bis März 1939 waren ausschließlich „Berufsverbrecher“ in Mauthausen inhaftiert.

Anerkennung bringt Klarheit für Angehörige
Das Thema der Verantwortung der Funktionshäftlinge sei ein extrem schwieriges und werde oft auf die „Berufsverbrecher“ reduziert und abgeschoben, sagt Kranebitter: „Viele Kapos – egal ob kriminelle, politische oder jüdische – waren unter den anderen Häftlingen gefürchtet, weil sie aus eigenem Antrieb noch brutaler handelten als von der SS angeordnet. Andere führten exakt die Befehle der SS aus und wieder andere nutzten ihre Machtpositionen, um anderen zu helfen und dem Widerstand zuzuarbeiten.“

Mit zahlreichen Fallbeispielen aus der Gruppe der „Berufsverbrecher“ stellt der Soziologe in seinem Buch die Komplexität des Themas dar. Auch Kopinitz, der mit dem Widerstand in Verbindung stand, wird in dem Band porträtiert.

Für die Opfer kommt die Anerkennung zu spät. „Die Änderung des Opferfürsorgegesetzes ist für die Familien und die Angehörigen gemacht. Für sie ist es wichtig zu wissen, dass der Onkel oder Opa ein Opfer war“, sagt der Soziologe. In seiner jahrelangen Forschungstätigkeit interviewte er viele Angehörige von „Berufsverbrechern“, die sich unsicher waren, ob ihr Verwandter überhaupt ein Opfer war, da er ja vorbestraft war.
Kranebitter sagt dazu: „Niemand war zu Recht im KZ. Es hat fast 80 Jahre gedauert, bis das gesellschaftlich anerkannt wurde. Und erst jetzt ist es auch juristische Realität.“
05.07.2024, Katharina Gruber, ORF Wissen

Links:
Andreas Kranebitter (DÖW)
Die Konstruktion von Kriminellen. Die Inhaftierung von „Berufsverbrechern“ im KZ Mauthausen (new academic press)

Literaturhinweis:
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ORF Topos
 

josef

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#26
80 Jahre
Gedenken an „Mühlviertler Hasenjagd“
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Eines der dunkelsten Kapitel der oberösterreichischen Geschichte jährt sich Anfang Februar zum 80. Mal: Rund 500 Gefangene brachen in der Nacht auf den 2. Februar 1945 aus dem KZ Mauthausen aus. Der Großteil wurde im Rahmen einer brutalen Menschenhatz, bekannt unter der zynischen Bezeichnung „Mühlviertler Hasenjagd“, ermordet.
Online seit gestern 08.01.2025, , 12.06 Uhr
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Bei den Ausbrechern handelte es sich um sogenannte „K“-Häftlinge. Als solche wurden vor allem sowjetische Kriegsgefangene, die Fluchtversuche unternommen hatten, sowie der Sabotage oder politischen Betätigung bezichtigte Zwangsarbeiter bezeichnet, die im letzten Kriegsjahr aufgrund des „Kugel-Erlasses“ nach Mauthausen deportiert worden waren und dort ermordet werden sollten. Ihre Haftbedingungen waren derartig schlecht, dass sie kaum eine Überlebenschance hatten.

Bevölkerung an Hetzjagd beteiligt
Wenige Monate vor Kriegsende wagten mehr als 500 von ihnen einen Massenausbruch aus dem Block 20. Mit Pflastersteinen und anderen verfügbaren Gegenständen attackierten sie die Wachtürme, mit nassen Decken führten sie einen Kurzschluss am elektrischen Zaun herbei und konnten so die Lagermauer überwinden. Viele brachen nach kurzer Flucht aufgrund ihres geschwächten Zustands zusammen oder starben im Kugelhagel der Wachmannschaften. Fast alle übrigen wurden in einer beispiellosen Hetzjagd, an der neben SS, Gendarmerie, Wehrmacht und Volkssturm auch zahlreiche Zivilisten aus der Umgebung beteiligt waren, gefangen und getötet. Die Zurückgebliebenen wurden in ihrer Baracke ermordet.

Nur elf Überlebende
Überlebt haben laut Gedenkstätte Mauthausen vermutlich nur elf Menschen. Zwei von ihnen verdanken dies der oberösterreichischen Bäuerin Maria Langthaler (1888-1975). Sie hatte gemeinsam mit ihrem Gatten Johann in den letzten Kriegsmonaten zwei der Geflohenen auf ihrem Bauernhof in Winden bei Schwertberg (Bezirk Perg) versteckt und so den aus der Ukraine stammenden sowjetischen Kriegsgefangenen das Leben gerettet. Für die Familie war dies mit höchster Lebensgefahr verbunden. Die Geschichte wurde vor allem durch den Film „Vor Feigheit gibt es kein Erbarmen“ von Regisseur Andreas Gruber einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Gedenkwanderung und weitere Veranstaltungen
Die Lokalinitiative perspektive mauthausen lädt anlässlich des 80. Jahrestags der Ereignisse gemeinsam mit der KZ-Gedenkstätte Mauthausen am 2. Februar zu einer Gedenkwanderung von der Gedenkstätte bis zum Denkmal in Ried in der Riedmark ein. Auf dem rund vier Kilometer langen Weg wird die Geschichte der Opfer erzählt und die Frage nach der Verantwortung gestellt. Anschließend findet eine Podiumsdiskussion u.a. mit dem Historiker Matthias Kaltenbrunner und der Zeitzeugin Anna Hackl – der Tochter von Anna Langthaler – statt. Am Tag davor gestalten Michael Köhlmeier, Katharina Stemberger, Gregor Seberg, Tonfabrik & Christian Buchinger eine Kultur- und Gedenkveranstaltung zum Thema im Donausaal Mauthausen.

Auch das restliche Jahresprogramm steht im Zeichen des 80. Jahrestags des Kriegsendes sowie der Befreiung des KZ Mauthausen: Die traditionelle Filmretrospektive in der Gedenkstätte Mauthausen widmet sich heuer dem Thema „Aus dem Lager befreit – das Trauma bleibt…“. Darüber hinaus sind bereits ab Februar im Filmmuseum in Wien jedes Monat Filme zu sehen, die sich mit Nationalsozialismus befassen.

Sonderausstellungen in Mauthausen
In der Gedenkstätte Mauthausen beschäftigt sich der syrische Künstler Judy Mardnli im Rahmen einer Sonderausstellung von Jänner bis November im ehemaligen Reviergebäude mit Wegen in die Freiheit und im Denkmalpark ist ab Mai eine Ausstellung internationaler Erinnerungszeichen zu sehen, die von Opfernationen, Botschaften sowie internationalen Überlebenden- und Opferverbänden organisiert wurde.

Neben zahlreichen Gedenkwanderungen und Themenrundgängen stehen auch die traditionellen KZ-Befreiungsfeiern in Mauthausen sowie in den diversen ehemaligen Außenlagern im Zeichen der 80. Wiederkehr der Befreiung. Die Licht- und Klanginstallation #eachnamematters, die in den vergangenen Jahren am Memorial in Gusen zu sehen war, wird heuer nach Wien geholt: Von 3. bis 5. Mai werden die 84.000 bekannten Namen von Menschen, die im KZ zu Tode kamen, an der Fassade der Hofburg projiziert.

Links:
KZ-Gedenkstätte Mauthausen
Perspektive mauthausen

Gedenken an „Mühlviertler Hasenjagd“
 

josef

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#28
Flucht aus dem Todeslager - 80 Jahre Mühlviertler Menschenhatz
In der Nacht vom 1. auf 2. Februar 1945 gelang 500 zum Tod bestimmten sowjetischen Kriegsgefangenen die Flucht aus dem KZ Mauthausen.

Unmittelbar nach der Flucht machte der Erkennungsdienst der SS ein Foto von der Baracke der Sowjetsoldaten im Todesblock
KZ-Gedenkstätte Mauthausen, U.S. National Archives and Records Administration

Sie hatten keine Chance zu überleben, und sie wussten es: Ab dem Frühjahr 1944 wurden tausende sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in das KZ Mauthausen deportiert. Sie waren als sogenannte K-Gefangene zur Ermordung bestimmt und wurden deshalb nicht einmal mehr registriert. Das K stand für die Kugel. Einige Hundert Gefangene wurden von der SS bald nach der Ankunft exekutiert, die meisten aber wurden im vom übrigen Lager abgetrennten Todesblock Nummer 20 zusammengepfercht und dem Sterben überlassen. Es gab kaum Nahrung, die sowjetischen Soldaten mussten auf dem Boden schlafen, sie hatten keine Chance zu überleben.

Vor 80 Jahren, in der Nacht vom 1. auf 2. Februar 1945, wagten dann über 500 Offiziere der Roten Armee und andere Kriegsgefangene – überwiegend Russen und Ukrainer – das schier Unmögliche: die Flucht aus dem KZ, die Flucht aus dem Todesblock. Sie griffen mit Steinen, Feuerlöschern und Kohlestücken die Wachmannschaften an, der elektrische Zaun wurde mit nassen Decken kurzgeschlossen. Auch wenn viele im Kugelhagel der Wachmannschaft ihr Leben verloren oder bald nachdem die KZ-Mauer überwunden war völlig entkräftet zusammenbrachen, 419 Häftlingen gelang es zu fliehen.

"Die Mühlviertler Hasenjagd"
Was dann folgte, war eine beispiellose Menschenhatz, sie ging als "Mühlviertler Hasenjagd" in die Geschichte ein. Die sprachlich zynische Verschleierung der grausamsten Verbrechen war ein wesentliches Merkmal der nationalsozialistischen Herrschaft. So wie die "Euthanasie" – griechisch: schöner Tod – für die systematische Ermordung von über 200.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen stand, war die "Hasenjagd" der euphemistische Begriff für die Hatz auf die dem KZ entkommenen Kriegsgefangenen.

Die Geflohenen versuchten sich nach Nordosten durchzuschlagen, dort hofften sie auf die vorrückende Rote Armee zu treffen. Eine von Bernhard Mühleder, Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, zusammengestellte Karte mit den Toten nach Gemeindegebieten zeigt die Richtung der Fluchtrouten. Letztlich überlebten nur elf der Geflüchteten die Verfolgung durch die SS, Wehrmachtsangehörige, Volkssturm, Hitlerjugend und Zivilbevölkerung.


Die Anzahl der Toten nach Gemeinden aufgeteilt zeigt die Fluchtrouten der Sowjet-Soldaten
Mauthausen Memorial/Bernhard Mühleder

Wie sich Teile der Zivilbevölkerung am Morden beteiligt hatten, geht aus Zeitzeugeninterviews hervor, die der 1993 verstorbene oberösterreichische Widerstandskämpfer, Heimatforscher und Zeithistoriker Peter Kammerstätter zusammengetragen hatte. In den Berichten finden sich Beispiele ungeheurer Brutalität: Die Rede ist von einem Sowjetsoldaten, der mit einem Sauschlögel erschlagen wurde, oder vom Schwertberger Gemischtwarenhändler Leopold Böhmberger, der gleich sieben entkommene Kriegsgefangene erschossen habe. In einem unmittelbar nach der Befreiung im Mai 1945 verfassten Gendarmeriebericht wird von "Blutrausch und Massenhysterie" in Teilen der Bevölkerung berichtet.

"Durch die Beteiligung der Zivilbevölkerung an der Mordjagd der SS im Unteren Mühlviertel hat es lange gedauert, bis wir uns in der Region mit dieser Geschichte auseinandergesetzt haben", sagt Sabine Schatz. Sie ist SPÖ-Nationalratsabgeordnete, stammt aus der Region und hat vor rund 25 Jahren das Denkmal für die ermordeten Sowjets in Ried in der Riedmark mit initiiert. Hier wurden die Leichen der erschossenen oder erschlagenen Gefangenen gestapelt.

"Im Bösen wie im Guten"
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das NS-Kriegsverbrechen erst 1994 durch den Spielfilm Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen von Regisseur Andreas Gruber bekannt. Dass man sich in der Region "außerhalb des KPÖ-Milieus" so lange nicht mit der Menschenhatz beschäftigt habe, liege auch daran, dass negative Erfahrungen mit sowjetischen Soldaten nach der Befreiung 1945 bis 1955 vieles "sehr stark überlagert hatte", sagt der Historiker Matthias Kaltenbrunner im STANDARD-Gespräch. Konkret meint er Vergewaltigungen von Frauen durch sowjetische Soldaten, von denen auch Regionalhistoriker Kammerstätter berichtete. Kaltenbrunner ist aktuell Wissenschafter an der Uni München und hat mit Flucht aus dem Todesblock 2012 im Studienverlag Innsbruck ein Standardwerk zum Thema verfasst.


489 Tote: Detail des Denkmals für die Ermordeten in Ried in der Riedmark
Foto: Thomas Neuhold

Die Geschichte der Mühlviertler Menschenhatz zeige, wozu Menschen fähig seien, "im Bösen genauso wie im Guten", sagt Schatz, die auch als Mauthausen-Guide tätig ist. Mit "im Guten" meint Schatz exemplarisch die Familie Johann und Maria Langthaler aus Winden bei Schwertberg. Diese hat zwei Männer bis Kriegsende versteckt. Die beiden Ukrainer überlebten und erlebten die Befreiung. Michail Rybtschinskij verstarb 2008, Nikolai Zimkalo im Jahr 2001. Die jüngste Tochter der Familie Langthaler, Zeitzeugin Anna Hackl, erlebte mit 14, wie die SS den Hof durchsuchte und ihre Eltern die beiden Sowjetsoldaten trotzdem nicht verraten hatten.

Man dürfe sich die Familie Langthaler freilich nicht als "Widerstandsfamilie" vorstellen, berichtet Historiker Kaltenbrunner. Johann Langthaler sei ja auch NSDAP-Mitglied gewesen. Treibende Kraft der Rettungsaktion sei seine Frau Maria gewesen, die gläubige Katholikin gewesen sei. Gegen Kriegsende hätten die Langthalers auch ihren jüngsten Sohn am Dachboden versteckt, damit dieser nicht zum Volkssturm eingezogen werde.

Handlungsoptionen
Folgt man den peniblen Recherchen von Kaltenbrunner, die sich neben den umfangreichen Archivstudien auch auf die Arbeit Kammerstätters stützen, gab es zwischen dem äußerst riskanten Verstecken von geflohenen Häftlingen und dem Morden aber auch noch andere Handlungsmöglichkeiten. Da habe es beispielsweise den Gendarmerie-Revierinspektor Fleischmann aus Mauthausen gegeben, berichtet Kaltenbrunner von seinen Recherchen. Der Beamte habe natürlich genau gewusst, was sich im KZ abspielte, und kannte wohl auch die Anordnung von KZ-Kommandant Franz Ziereis, nach der keiner der Geflüchteten lebend ins Lager zurückgebracht werden dürfe.


Symbol des Massenmordes: Am Aschenfriedhof "ensorgten" die Nazi die sterblichen Überreste ihrer Opfer
Foto: Thomas Neuhold

Als ein ehemaliger K-Häftling von einem Volkssturmmann auf den Gendarmerieposten gebracht worden sei, nahm Fleischmann zwar dessen Daten für das Protokoll auf. Er habe sich aber nicht am Morden beteiligt. Schließlich sei der Häftling dann von der anrückenden SS abgeholt und getötet worden. Nach 1945 habe Fleischmann stets betont, dass kein einziger der Ausgebrochenen von der Gendarmerie ergriffen worden sei.

Mord durch Genickschuss
Andere töteten allerdings "aus eigenem Antrieb", wie es Kaltenbrunner formuliert. Da sei beispielsweise Hugo Tacha gewesen. Der Wehrmachtssoldat (1915–2001) habe sich gerade auf Heimaturlaub bei seiner Familie in Schwertberg befunden. Er beteiligte sich an den Suchaktionen und sei letztlich zum Fünffachmörder geworden, wie aus Protokollen und Zeugenaussagen hervorgeht. Tacha tötete fünf K-Häftlinge per Genickschuss.

Bei den folgenden Kriegsverbrecherprozessen stellte Tacha sein Handeln als lange Kette von "Befehlsnotständen" dar. Er wurde am Ende zu 20 Jahren Haft verurteilt. Anfang der 1950er-Jahre sei dann das gesellschaftliche Klima in Österreich günstig für diejenigen gewesen, die im Zusammenhang mit der Mühlviertler Menschenhatz verurteilt worden waren, schreibt Kaltenbrunner in seinem Buch über die Flucht aus dem Todesblock. "Am 30. April 1955 wurde als Letzter schließlich auch Hugo Tacha nach siebeneinhalb Jahren Haft durch Bundespräsident Körner begnadigt."
(Thomas Neuhold, 1.2.2025)
Flucht aus dem Todeslager - 80 Jahre Mühlviertler Menschenhatz
 

Geist

Worte im Dunkel
Mitarbeiter
#29
Ehemalige Gefangene erzählen, wie sie im KZ Mauthausen überlebten

859 Häftlinge berichten über SS-Terror, Freundschaften und darüber, wie drei Zigaretten einem das Leben retten konnten

Marlene Erhart
9. März 2025, 12:01





Häftlinge werden auf dem Appellplatz des KZ Mauthausen zum Hitlergruß gezwungen. Der Häftling im Vordergrund führt den Gruß mit der linken Hand aus.
Mauthausen Memorial

Am Bahnhof Mauthausen herrscht an diesem Novembervormittag kaum Betrieb. Wer aus dem gerade angekommenen Zug steigt, versucht schnell ins Warme zu kommen. Alexander Prenninger, Senior Researcher am Ludwig Boltzmann Institute for Digital History, lässt den Blick über die Gleise schweifen. "Der Großteil der Gefangenen ist hier angekommen", sagt der Historiker. Manchmal in Personenzügen, etwa aus dem Linzer Gestapo-Gefängnis, meist jedoch in Viehwaggons – und mehrheitlich in den Abend- und Nachstunden. "Der größte dokumentierte Transport brachte 5000 Menschen hierher." Seit Jahren arbeitet Prenninger im Mauthausen Survivors Research Project (MSRP), einem der größten Forschungsprojekte, das je hinsichtlich eines einzelnen KZ durchgeführt wurde. Viele Erinnerungen Überlebender kennt er aus erster Hand.

Gleich bei der Ankunft sollten brutal und entwürdigend gestaltete Prozeduren den Menschen vor Augen führen, was sie ab nun zu erwarten hatten. So auch jenen 1500 französischen Häftlingen, die am Abend des 8. April 1944 aus dem Lager Royallieu bei Compiègne in Mauthausen eintrafen. Rund 55 Prozent von ihnen starben im KZ. Wie viele Menschen schon den Transport nicht überlebten, ist unklar, "in Mauthausen wurden dazu keine Aufzeichnungen geführt", sagt Prenninger. Auf dem Soldatenfriedhof, knapp eineinhalb Kilometer vom Bahnhof entfernt, werde jedoch ein Massengrab mit rund 2.000 Toten der Transporte vermutet.


Der Einschüchterungseffekt des massiv gebauten Konzentrationslagers Mauthausen auf die ankommenden Deportierten war enorm. Viele Überlebende erzählen vom Schrecken des ersten Anblicks.
Florian Voggeneder

Gebrüll und Gelächter am Bahnhof

Wer die Fahrt überlebte, kam in einer Inszenierung absoluter Herrschaft an. Das schilderten auch Überlebende des Transports aus Frankreich. Die Türen wurden aufgerissen, das Gebell von Hunden mischte sich mit dem Gebrüll der SS-Offiziere, unter Schlägen und Fußtritten mussten sie Aufstellung für den Marsch zum vier Kilometer entfernten Lager nehmen. Die Ankunft der Deportierten fiel auf den Vorabend des Ostersonntags. In Vorfreude seien Einheimische in Cafés gesessen, in denen "das Bier in Strömen floss", erinnert sich der Gefangene René Gille:

"Ich sehe auch diesen Schmied wieder, wie er vor seiner Werkstatt Pfeife raucht und lacht, aus vollem Halse lacht, als er uns sieht, seine Frau grinst. Die übrigen lässt unser Zug ungerührt, sie schauen kaum hin. Sie haben andere gesehen, sie wissen schon, dass Hunderttausende denselben Weg genommen haben, denselben Anstieg und dass nur wenige wieder heruntergekommen sind."

WISSEN: Die letzten Überlebenden erzählen
Das internationale und interdisziplinäre Mauthausen Survivors Research Project (MSRP) baut auf dem Mauthausen Survivors Documentation Project (MSDP) auf. Dafür wurden 859 Audio- und Video-Interviews mit den letzten lebenden ehemaligen Mauthausen-Häftlingen aus Europa, Amerika und Israel geführt. Mehr als 100 Forschende kooperieren darin und nutzen die in 16 Sprachen geführten Interviews für die wissenschaftliche Analyse und Neueinschätzung der vielen Facetten des KZ-Systems. Der dritte Band der zugehörigen Buchreihe "Europa in Mauthausen" ist 2024 unter dem Titel Gefangen in Mauthausen erschienen. Er handelt vom Alltag der Häftlinge im KZ Mauthausen und seinen mehr als 40 Außenlagern sowie ihren Versuchen, die sich im Terrorsystem bietenden Überlebenschancen zu nutzen.

Perfid betriebene Maschinerie
190.000 Menschen waren zwischen 1938 und der Befreiung 1945 im Lagersystem Mauthausen inhaftiert. Heute geht man davon aus, dass 90.000 von ihnen im Lagerkomplex starben. Angesichts dieser Zahl ist es kein Wunder, dass Bilder von Leichenbergen, abgemagerten Menschen und Chaos die heutige Vorstellung des Daseins im Stammlager Mauthausen prägen. "Bei diesen Bildern handelt es sich aber um Szenen aus der Zeit der Befreiung", erklärt Historiker Prenninger.

Während des siebenjährigen Bestehens des KZ Mauthausen waren diese katastrophalen Zustände nicht immer die Norm. Zwar waren die Bedingungen stets grausam und menschenverachtend, doch war die SS auf Ordnung und Funktionalität bedacht. Nur so war es möglich, die Arbeitskraft der Häftlinge bis zum Äußersten auszubeuten und die Lager – so zynisch das ist – möglichst reibungslos am Laufen zu halten.


Blick vom Appellplatz im Konzentrationslager Mauthausen auf das Haupttor, durch das Häftlinge ins KZ getrieben wurden.
IMAGO/Harald Dostal

Die Festung über dem Donautal

In nahezu allen Zeugnissen Überlebender finden sich Erzählungen zu dem Moment, an dem die Häftlinge zum ersten Mal das KZ Mauthausen – das in seiner heutigen Form seit 1942 besteht – erblickten. René Gille schilderte:

"Mauthausen ist nicht ein Lager wie die anderen, sondern eine Festung aus Granit, […] Ein tödliches Schweigen herrscht an diesem Ort. […]. Wir sind niedergeschmettert, und eine unbestimmbare Angst ergreift uns […]."

In zahlreichen Interviews zitieren Überlebende angesichts des beängstigenden Bildes die Aufschrift über den Toren zur Hölle in Dantes' Inferno: "Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren". Der erste Anblick brachte auch die Italienerin Carla Martini, die sich selbst als Optimistin bezeichnete, völlig aus der Fassung:

"Mir vergingen die Sinne, und meine Schwester [sagt] zu mir: 'Liliana, hier kommen wir nicht mehr raus!' In diesem Augenblick habe ich unglaublichen Zorn gegen Gott gespürt: 'Gott, Gott, du kannst nicht existieren, wenn es solche Dinge gibt!'"

Häufig erwähnt wird der starke Kontrast zwischen dem Bollwerk aus Granit und der malerischen Landschaft: in der Ferne Bergketten, davor der Blick aufs Donautal.

Die SS im Baugeschäft

Das im Winter ständig von Wind umwehte KZ Mauthausen steht nicht zufällig auf dieser Anhöhe. In der Umgebung liegen viele Steinbrüche, einer davon direkt unterhalb des KZ. Da ihn die SS von der Stadt Wien gepachtet hatte, bekam er den Namen "Wiener Graben". Ende der 1930er, als im Deutschen Reich etliche Monumentalbauten entstanden, entwickelte sich die SS zum Baukonzern. Sie unterhielt Ziegeleien und Steinbrüche, was hochlukrative Geschäfte versprach. Tragende Säule der Unternehmung war die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen.


Häftlinge tragen Steine über die "Todesstiege" im Steinbruch "Wiener Graben". Sie ist das wohl bekannteste Symbol für die "Vernichtung durch Arbeit".
Image Bank WW2 - NIOD

1940 erhielt das Doppellager Mauthausen-Gusen als einziges KZ die Lagerstufe III: Es war zur "Vernichtung durch Arbeit" vorgesehen. Die Tötung der Häftlinge war zwar nicht der vorrangige Zweck, ihr Tod wurde durch Schwerstarbeit, mangelnde Ernährung und medizinische Versorgung aber in Kauf genommen oder bewusst herbeigeführt.

WISSEN: Chronologie des KZ-Systems
1933
entstanden überall im Deutschen Reich sogenannte wilde Konzentrationslager. Sie wurden oft schnell und provisorisch an unterschiedlichsten Orten errichtet. Das KZ Dachau wurde bereits von der SS betrieben und galt als "Modell- und Musterlager".
1935 gab es unterschiedlich geführte Konzentrationslager, etwa SA-Lager und staatlich geführte KZs. Viele standen quasi leer, die Häftlingszahl im ganzen Reichsgebiet lag bei rund 5000 Personen.
1935/36 fielen viele Lager in die Hand der SS, die diese erhalten und die darin gebundene Arbeitskraft für ihre Zwecke nutzen wollte.
1936/37 reformierte die SS das KZ-System und schloss viele der Stätten. Stattdessen sollten gebietsweise große Lager entstehen. Gegründet wurden etwa das KZ Buchenwald, das KZ Flossenbürg und das Frauen-KZ Ravensbrück.
1938 kam nach dem "Anschluss" die Idee auf, ein Lager für Gegner des NS-Regimes zu errichten. Die ersten 304 Häftlinge kamen aus dem KZ Dachau nach Mauthausen, es waren Österreicher und Deutsche, die von der SS als "Berufsverbrecher" oder "asozial" eingestuft waren. Sie und nachfolgende Gefangene mussten das Stammlager aufbauen.
1939 ließ die SS wenige Kilometer von Mauthausen das KZ Gusen errichten.
1941 ging das Lager Gusen I in Betrieb. Im KZ Mauthausen wurde eine Gaskammer zur systematischen Ermordung bestimmter Häftlingsgruppen errichtet. Davor wurden Gefangene in der Gaskammer von Hartheim ermordet.
1942/43 begann aufgrund zunehmender Luftangriffe der Bau unterirdischer Anlagen, etwa in Melk (Tarnname "Quarz") für das Wälzlagerwerk der Steyr-Daimler-Puch AG, in Ebensee ("Zement") für Raketenforschung und -entwicklung, in Gusen ("Kellerbau") und St. Georgen an der Gusen ("Bergkristall") für die Flugzeugfertigung der Firma Messerschmitt und die Waffenproduktion.

Kahlrasiert und nackt

Das Prozedere bei der Ankunft im Lager war Teil der Terrorisierung durch die SS. Deportierte mussten teilweise stundenlang und oft bei eisiger Kälte an der Lagermauer warten. Im Winter erfroren viele – dem wurde teilweise nachgeholfen, indem die Wartenden mit Wasser überschüttet wurden. Die Überlebenden wurden im Untergeschoß der Wäschereibaracke am ganzen Körper rasiert. Die ausgeteilte Kleidung war häufig löchrig, zu klein oder zu groß. Viele waren von ihrem Anblick – kahlgeschoren und in Fetzen gehüllt – erschüttert. Es war nicht der einzige Schock.

Besonders für Frauen und Mädchen war die eigene Nacktheit und jene der Mitgefangenen entsetzlich. "Man muss sich vorstellen, wie schamhaft junge Frauen damals aufgewachsen sind, nicht einmal in der Familie hat man sich nackt gesehen", sagt Prenninger. Zu dieser Bloßstellung kamen oft sexuelle Avancen oder Missbrauch. Auch dass manche Frauen im KZ ihren Körper für Essen verkaufen, erschüttert viele weibliche Gefangene. Wird Mauthausen oft als Männerlager gesehen, waren dort nach heutigem Wissensstand auch etwa 10.000 Frauen inhaftiert.


Karte mit den Geburtsorten der imMauthausen Survivors Documentation Project interviewten überlebenden Häftlinge des KZ Mauthausen.
Manuela Schmidt

Vor Schwerstarbeit verschont

Ein wesentlicher Faktor für das Überleben war die zugeteilte Arbeitsstelle. Vor Schwerstarbeit verschont zu bleiben hieß, die eigenen Kräfte eher schonen zu können. Bekanntschaften konnten hier schon bei der Ankunft ausschlaggebend sein. "Es wird häufig berichtet, dass jemand in der Lagerschreibstube jemanden in einem Transport erkennt und versucht, den zu unterstützen, indem er ihn in ein Arbeits- oder Außenkommando bringt, wo die Arbeit leichter ist", erzählt Prenninger.

Die gefragten Berufe Mechaniker, Koch und Arzt konnten einfachere Arbeits- und Lebensbedingungen bringen, auch technische Ausbildungen waren von Vorteil. Der Grieche Iakovos Kambanellis kam als Absolvent einer technischen Schule in einem technischen Büro unter. Die dortigen Bedingungen sicherten ihm das Überleben, sein Vorgesetzter, "ein freier Bürger", habe ihn gut behandelt, erzählt er. Als eine Art Leasingbetrieb verteilte die SS Zwangsarbeiter nicht nur auf die Außenlager, sondern auch an Privatunternehmen. Vielen Memoiren zufolge verhielten sich Zivilarbeiter anders als die SS, versorgten die KZ-Häftlinge etwa mit Essen.

WISSEN: Mauthausen als Drehscheibe
Ab 1943 entwickelte sich das KZ Mauthausen zur Drehscheibe für Zwangsarbeiter. Häftlinge kamen hier an und wurden von der SS auf die mehr als 40 Außenlager verteilt. Waren Häftlinge zu schwach und nicht mehr fähig zu arbeiten, wurden sie nach Mauthausen zurückgeschickt und durch andere ersetzt. Im Sanitätslager des KZ Mauthausen fand die Selektion der Schwächsten statt. Sie wurden ermordet.


Übersicht der Häftlingsbezeichnungen. Dies ist eine der wenigen erhaltenen Kennzeichentafeln, sie stammt aus dem KZ Dachau.
Arolsen Archives

Hierarchie der Gefangenen

Die Überlebenswahrscheinlichkeit hing stark davon ab, welcher Gefangenengruppe man angehörte. In der rassischen Hierarchie der SS standen jüdische Häftlinge sowie Roma und Sinti an unterster Stelle. Sie wurden häufig sofort nach der Ankunft exekutiert. Auch Häftlinge mit slawischer Muttersprache und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion überlebten oft nur kurze Zeit. Während Bestehens des KZ änderten sich die Hierarchien aber stetig, wie die Geschichte spanischer Häftlinge beispielhaft zeigt.

Sie galten der SS als kampferfahren und gefährlich und wurden anfangs systematisch ermordet. Schließlich sank die Todesrate jedoch. Andere, stärker angefeindete Gruppen waren nachgerückt, das verringerte den Vernichtungsdruck auf alle, die schon im Lager waren. Forschende sprechen von einer Blitzableiter-Funktion neu Ankommender. In der Folge konnten Überlebende einst verfolgter Gruppen in der Lagerhierarchie aufsteigen, Macht gewinnen und sogar Privilegien wie Fußball spielen oder Besuche im Lagerbordell genießen.


Privilegierte Häftlinge beim Schachspiel. Obwohl die bessergestellten Schutzhäftlinge als Handlanger der SS tatsächlich umfassende Privilegien genossen, handelt es sich bei dieser Aufnahme um eine Propaganda-Fotografie der SS aus dem Mauthausen Außenlager in Vöcklabruck. Sie sollte zeigen, wie gut die Bedingungen in den Lagern waren.
Mauthausen Memorial

Kapos als Lagerprominenz

Zur privilegierten Schicht der Funktionshäftlinge zählten rund zehn Prozent der Gefangenen. Im Stammlager Mauthausen waren es zunächst überwiegend österreichische und deutsche, als kriminell eingestufte Insassen. Die sogenannten Kapos hielten für die SS die Ordnung aufrecht, hatten Zugang zu Essen und anderen begehrten Gütern. Einerseits sollte diese Rangordnung Insassen gegeneinander ausspielen, andererseits war die SS für die Kontrolle des Lagers auf die Mitarbeit Gefangener angewiesen.

Den oft als "Lagerprominenz" bezeichneten Kapos war es erlaubt, Gewalt auszuüben, sogar zu töten. "Ich schlage dich tot" war im KZ keine Redewendung, sondern Realität, erzählt der Überlebende Marcello Martini. Er habe mehr erschlagene Personen gesehen als solche, die auf andere Weise gewaltsam durch die SS und Kapos zu Tode kamen.

"Man wusste sehr gut, dass das Leben nur von Minute zu Minute gelebt wird. Und wenn ich sage, von Minute zu Minute, dann meine ich das wörtlich, denn aus einer Tür zu treten, sich nach rechts, links zu wenden, bedeutete zu überleben oder zu sterben. Man konnte leicht einem Kapo begegnen, dem in diesem Moment die Idee kam, sich abzureagieren."


In einigen Erinnerungen beschreiben überlebende Häftlinge sehr genau das Aussehen des KZ Mauthausen, auch die hohen Mauern, bewehrt mit Stacheldraht, finden Erwähnung.
IMAGO/Daniel Scharinger

Keine Angst vor dem Tod

Viele Überlebende sagen, dass sie bald keine Angst mehr vor dem Tod, aber große Angst vor der Art und Weise hatten, wie sie sterben würden. "Die Fantasie kannte keine Grenzen bei den Methoden des Tötens", erklärt Martini. "An einem gewissen Punkt wurde die Gaskammer erstrebenswert; es war ein schneller, schmerzloser Tod, besser als von den Hunden zerfleischt oder bis zur Unkenntlichkeit geschlagen zu werden." Von nächtlichen Selbstmorden am mit Strom geladenen Stacheldraht berichtet Miloslav Čeřenský: "Sie sprangen auf und gingen in den Draht. Es war ein schneller, einfacher Tod, schön, schmerzlos."

Ein viel erinnerter Ort des willkürlichen Mordens ist der Steinbruch "Wiener Graben". Wegen der schweren Arbeit überlebten die meisten Häftlinge ohnehin nicht länger als drei Monate, erzählt Čeřenský. Die Lebensdauer jüdischer Häftlinge gibt er mit maximal drei Tagen an, viele seien von Funktionshäftlingen über die Steinbruchkante gestoßen worden. "Die Kapos fürchteten sich auch hinzugehen, also stießen sie sie mit langen Stangen in den Abgrund."


KZ-Häftlinge bei der Arbeit im Steinbruch "Wiener Graben". Aus dem hier abgebauten Granit bestand auch das Stammlager Mauthausen selbst.
Image Bank WW2 - NIOD

WISSEN: Verschleierte Morde
Viele Gruppen kamen lediglich ins KZ Mauthausen, um gezielt ermordet zu werden, auch in späten Kriegsjahren. So etwa sowjetische Offiziere, die 1944 im Rahmen der Aktion K. – kurz für Kugel – hingerichtet wurden. Auch rund 100 tschechische Frauen wurden in der letzten Phase des NS-Regimes zur Erschießung ins KZ gebracht. Hinter dem Vermerk "auf der Flucht erschossen" standen meist Morde, bei denen Häftlinge zum Gang an den Zaun der Lagergrenze gezwungen und dann erschossen wurden.


Der Vermerk "Auf der Flucht erschossen" diente dazu, Morde durch die SS an Häftlingen zu verschleiern.
Image Bank WW2 - NIOD

Lebensrettende Zufälle

Trotz der von der SS geschaffenen Extremsituation gelang es – wenn auch begrenzt – sich Momente der Freude und Selbstbehauptung zu schaffen. Soziale Interaktion und Gespräche über Kunst, Kultur oder Kochrezepte waren eine Strategie, um das harte Lagerleben zu bewältigen. Den Interviews zufolge gab es auch Gelegenheiten und Situationen, die Häftlinge zu nutzen wussten, um ihr Leben zu sichern. Auch Zufall und Glück werden genannt, wenn es darum geht, das eigene Überleben zu erklären.

Reno Bonfiglioli hatte von einem französischen Mithäftling – Franzosen durften Rot-Kreuz-Pakete erhalten – Zigaretten bekommen, ein begehrtes Tauschmittel. Er begegnete daraufhin einem deutschen Kapo, bot ihm drei Zigaretten an und forderte nichts dafür. Was ihn anfangs ärgerte, rettete ihm wohl das Leben. Der letzte Transport in die Gaskammer sollte auch ihn fortbringen. Schon am Ausgang stehend sah er den Deutschen: "Er sieht mich, er sagt nichts, er packt mich mit einer Hand, sagt: 'Du nicht!' […] Hätte er mich nicht gesehen, wäre es aus gewesen! […] Es gibt irgendein Schicksal, irgendetwas … man mag es Zufall nennen."


Zeichnung von Leo Haas vom Appell im KZ Mauthausen. Die SS nutzte die Zeit dabei insbesondere beim Abendappell gezielt zur kollektiven Bestrafung. Jede Minute, die der Appell länger dauerte, schwächte die ohnehin entkräfteten Häftlinge zusätzlich.
USHMM

Tauschverhältnisse

Im Lager konnte vieles für Tauschgeschäfte dienen, auch Erlebnisse vor der Haft. Bonfiglioli erzählt von seiner Verbindung zu Giorgio – auch Giorgia genannt. Dieser war als Homosexueller im Lager und Protegé eines Funktionshäftlings. "Ich verdanke wirklich alles Giorgio, Giorgia", sagte Bonfiglioli im Interview. Der Rat, einem Wachmann nie in die Augen zu blicken und alle Befehle zu befolgen, sei Gold wert gewesen. Im Gegenzug erzählte er von seinen Erfahrungen als Soldat in Nordafrika und von Filmen, die er gesehen hatte, was Giorgio gerne hörte und ihm dafür Essen zukommen ließ.

Auch der Tausch sexueller Dienste konnte das Überleben begünstigen. Obwohl homosexuelle Praktiken verboten waren, war allgemein bekannt, dass Kapos oft Beziehungen zu jungen Häftlingen pflegten. Unter Überlebenden herrscht Uneinigkeit, ob sich junge Gefangene freiwillig oder unter Zwang in solche Abhängigkeitsverhältnisse begaben. Raimondo Ricci spricht im Interview von einer gewissen Zustimmung, "im Sinne, dass diese Beziehungen bedeuteten, sich das Leben zu retten und begünstigte Bedingungen zu genießen, eben nicht zu hungern und so weiter".


Eine Liste des Blockpersonals aus dem Februar 1945 mit dem Hinweis auf Taschen- und Armbanduhren. Blockältesten, sprich Funktionshäftlingen, war der Besitz von Uhren gestattet, um etwa Arbeits- und Essenszeiten genau einhalten zu können und so die Abläufe im Lager zu koordinieren.
Arolsen Archives

Mythos umfassender Solidarität

"Die beste Chance zu überleben haben stabile Zweierbeziehungen geboten", sagt Prenninger. Solche bestanden häufig unter weiblichen Häftlingen. Aus den analysierten Interviews sind hier auch die Erfahrungen griechisch-jüdischer Schwesternpaare hervorzuheben. Die Schwester erinnerte an das Leben vor der Inhaftierung und hielt damit den Überlebenswillen aufrecht. Ein Familienmitglied an der Seite bedeutete generell eine verlässliche Vertrauensperson, deren Hilfe und Beistand bedingungslos waren.

Die nach 1945 dominierende Vorstellungen, alle Häftlinge im Lager hätten in Solidarität zusammengehalten, gilt Forschenden heute eher als Mythos. Trotzdem, so zeigen die analysierten Interviews, existierte ein erstaunliches Maß gegenseitiger Unterstützung. Etliche Interviewte betonen, dass sie ohne die tatkräftige Unterstützung, kleinen Hilfen und den seelischen Beistand von Mithäftlingen nicht überlebt hätten. Nadeschda Tereschtschenko berichtet etwa, dass sie und ihre Mitgefangenen bei ihrer Ankunft im Oktober 1943 Essen von polnischen Häftlingen der Nachbarbaracke erhielt.


Blick aus einer Gefangenenbaracke auf den Arrestblock des KZ Mauthausen. Es war das größte Konzentrationslager der Nationalsozialisten auf dem Gebiet Österreichs, der Ostmark, ab 1942 Alpen- und Donau-Reichsgaue.
IMAGO/Oliver Vogler

Stehlen ist falsch, organisieren nicht

Die Versorgung mit Essen im Lager war kärglich und der Hunger eine der zentralsten Komponenten des Leids. Er ist "der Gefährte aller Stunden, aller Augenblicke, aller Gedanken, aller Reden!", sagte Reno Bonfiglioli. "Der Magen ist ein tollwütiger Hund,/ der kläfft, auffährt und deliriert,/ er reißt die Gedärme heraus mit den Zähnen …", schrieb Barbiano di Belgiojoso in einem Gedicht.

In dieser Not kam es auch zu Diebstahl, bei denen die Häftlingsgesellschaft aber klar zwei Kategorien unterschied, wie Telesfor Matuszak schildert:

"Als größtes Verbrechen galt, wenn ein Häftling einem anderen Häftling etwas gestohlen hatte. Er konnte dafür sogar sterben. Wenn einer dagegen etwas aus der Küche oder dem Lagermagazin mitgehen ließ, war das kein Diebstahl, das hieß dann organisieren."

Vom Lager oder der SS zu stehlen galt als einwandfrei, als kleiner Sieg über die Unterdrücker. An diesem Beispiel zeigt sich, dass unter den Inhaftierten strikte moralische Regeln galten.


Unter den Gefangenen des KZ Mauthausen herrschten moralische Regeln und Wertvorstellungen, erklärt Historiker Prenniger.
Florian Voggeneder

Nach Möglichkeit moralisch

"Es heißt immer, die Menschen wurden durch die SS von Namen zu Nummern gemacht, was zum Teil schon stimmt", sagt Prenninger. Dennoch hatten die Häftlinge weiterhin eigene Wertvorstellungen. "In einem KZ gibt es im Wesentlichen die gleichen Grundgedanken und Ideen von Gesellschaft wie außerhalb des KZ", sagt der Forscher. Diese entsprachen jenen der damaligen Zeit, so gab es auch unter den Häftlingen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Homophobie.

Gleichzeitig existierten aber auch Wertvorstellungen von Freundschaft und gegenseitiger Hilfe. Das entsprechende Verhalten musste jedoch an die Spezifika des KZ angepasst werden. Obwohl es im Lager nicht die eine soziale Realität gab, hieß das Dasein für den Großteil der Gefangenen, sich das Überleben Tag für Tag zu erkämpfen.

Extremfall des Sozialen

Die Extremsituation im Lager könne Menschen dazu bringen, Kameraden das letzte Brot zu stehlen und sie in den Tod zu treiben, schrieb der Überlebende Jorge Semprún. Andererseits werde der Mensch aber auch "zu jenem unbesiegbaren Wesen, das fähig ist, den letzten Zigarettenstummel, das letzte Stück Brot, den letzten Atemzug zu teilen, um seinen Kameraden zu helfen". Trotz einiger helfender Bande streicht Ferruccio Maruffi hervor, dass letztlich jeder für das eigene Leben verantwortlich war: "Niemand starb anstelle eines anderen. Alle hatten die Pflicht zu überleben."

Prenninger sieht die Lager als Extremfall des Sozialen und Zerrbild damaliger Gesellschaften. "Es gibt trotz allem Terror durch die SS ein soziales Leben, soziale und ökonomische Beziehungen, Wert- und Moralvorstellungen, die weiterhin existieren und wirkmächtig sind", erklärt er. Die Möglichkeiten, diese Dinge umzusetzen, variierten allerdings stark, denn: "Es macht einen riesigen Unterschied, als was man hierherkommt, als was man eingestuft wird und wann man hierherkommt."


Von den Kanten des Steinbruchs "Wiener Graben" wurden immer wieder Häftlinge in den Tod gestoßen. Am 31. März 1943 seien vor den Augen Heinrich Himmlers 1000 niederländische Juden aus einer Höhe von mehr als 50 Metern in den Abgrund geworfen worden, schrieb Simon Wiesenthal: "Die SS nannte sie 'Fallschirmspringer'. Das braune Volk amüsierte sich!"
Florian Voggeneder

Tödlich bis zum Arbeitskräftemangel

Zwischen 1939 und 1943 war Mauthausen ein "unglaublich tödliches Lager", erklärt Prenninger. "Obwohl die Arbeit in den Steinbrüchen für die SS sehr profitabel war, waren ihr die Menschen und wie viele sterben völlig egal", sagt er. Der Lagerschreiber Hans Maršálek bezeichnet die Einweisung von Sommer 1939 bis Spätherbst 1943 gar als "vorsätzliches Todesurteil". Trotz vielfach gezielter Morde starb der Großteil der Gefangenen an den furchtbaren Bedingungen des Lagers.

Doch dann kam eine Wende. Im Deutschen Reich stieg mit dem Fortgang des Krieges der Arbeitskräftemangel massiv an. Vom SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt in Berlin kam die Order, die KZ-Häftlinge beziehungsweise ihre Arbeitskraft zu erhalten. "Das ist der Zeitpunkt, ab dem hier in Mauthausen die Sterblichkeit sinkt", so Prenninger. Zumindest vorübergehend, denn im Frühjahr 1945 erreichten die Lagerbedingungen ihren Tiefpunkt. Die Belegung nahm zu, die Versorgung kollabierte völlig. Von allen, die im Lagersystem zu Tode kamen, starb etwa die Hälfte im letzten Jahr vor der Befreiung. Selbst diese rettete im Mai 1945 nicht alle, mindestens 4600 Menschen starben in den ersten Wochen danach an den Folgen des Lageraufenthalts. (Marlene Erhart, 9.3.2025)

Publikation: Regina Fritz, Alexander Prenninger, Gerhard Botz und Heinrich Berger (Hg.), Gefangen in Mauthausen. Europa in Mauthausen Band 3. € 48 / 632 Seiten. Böhlau Verlag, Wien 2024#

Kostenloser Download: Open Access E-Book


Buchcover "Gefangen in Mauthausen".
Böhlau Verlag 2024
Quelle: Ehemalige Gefangene erzählen, wie sie im KZ Mauthausen überlebten
 

josef

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#30
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Flugbild Gerald Lehner
Sperre der „Todesstiege“ aufgehoben
Die seit 2018 gesperrte „Todesstiege“ in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist wieder frei zugänglich. Seit dem 1. April ist die Stiege, die das ehemalige KZ Mauthausen mit dem angrenzenden Steinbruch „Wiener Graben“ verband, für Besucherinnen und Besucher – auf eigene Gefahr – begehbar.
Online seit heute, 11.40 Uhr
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Dies gilt sofern sie die auf Tafeln angebrachten Sicherheitshinweise zur Kenntnis nehmen, bestätigte die KZ-Gedenkstätte am Mittwoch einen Bericht auf „nachrichten.at“.

Fotostrecke mit 4 Bildern
ORF/Dominique Hammer
Die „Todesstiege“ im ehemaligen KZ Mauthausen wurde 2018 für Besucher gesperrt
STEFANIE J. STEINDLCC BY-SA 4.0
Sie ist nun auf eigene Gefahr wieder begehbar
fotokerschi.at/kerschbaummayr
fotokerschi.at/kerschbaummayr

Da die Stiege den Sicherheitsanforderungen und -einrichtungen nicht mehr entsprach, war vor sieben Jahren die Sperre verhängt worden, was nationale und internationale Opferverbände, das Comité International de Mauthausen, die Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen und das Mauthausen Komitee Österreich kritisierten. Die Stiege ist für die Vermittlungsarbeit in der Gedenkstätte Mauthausen wichtig.


BundesarchivCC BY-SA 3.0
Steinbruch „Wiener Graben“; Foto aus 1941/42

Maximal 300 Personen gleichzeitig
Maximal 300 Personen dürfen sich nun gleichzeitig in dem umzäunten Areal aufhalten. Tafeln mit Sicherheitshinweisen in deutscher und englischer Sprache klären die Besucher auf, worauf zu achten ist. Die Wiederöffnung der Treppe wurde durch eine Novellierung des Denkmalschutzgesetzes ermöglicht, welche eine Stärkung der Eigenverantwortung beim Begehen von denkmalgeschützten Bereichen vorsieht.


BundesarchivCC BY-SA 3.0
Ein von der SS erstelltes Foto im Steinbruch des KZ Mauthausen

Während des zweiten Weltkriegs hatten KZ-Häftlinge Granitblöcke über die 186 Stufen nach oben schleppen müssen. Viele überlebten dies nicht, daher der Name der Steinstiege.
02.04.2025, red, ooe.ORF.at/Agenturen

Sperre der „Todesstiege“ aufgehoben
 

josef

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#31
Gedenktag
Mauthausen: Außenlager-Stele enthüllt
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Zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen ist Montagabend bei einer Gedenkveranstaltung auf dem Areal eine Außenlager-Stele enthüllt worden. Die über vier Meter hohe Säule besteht aus gestapelten Betonprismen, die die Ortsnamen der einstigen Außenlager sowie Mauthausen und die Entfernungen anführen.
Online seit heute, 20.59 Uhr
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Die Enthüllung fand im Beisein von Innenminister Gerhard Karner, Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander, Staatssekretär Jörg Leichtfried sowie der Leiterin des Mauthausen Memorials, Barbara Glück, statt. Sie alle hoben die Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur hervor.

„Einheitliche, wiedererkennbare Kennzeichnung“
Gemeinsam mit lokalen Initiativen hat das Gedenkbüro des Mauthausen Memorials „eine einheitliche, wiedererkennbare Kennzeichnung“ für die mehr als 40 ehemaligen Außenlager des KZ-Systems Mauthausen entwickelt. Die einstigen Tatorte werden in einen topografischen Zusammenhang gebracht, um den Mauthausen-Bezug räumlich fassbar zu machen, führt das Mauthausen Memorial aus. Aber nicht nur an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, sondern an jedem Ort eines ehemaligen Außenlagers soll auf das gesamte System hingewiesen werden, wodurch auch die Deportationswege der KZ-Häftlinge nachgezeichnet werden.

Fotostrecke
APA/BARBARA GINDL
Die über vier Meter hohe Säule besteht aus gestapelten dreiseitigen Betonprismen.
APA/BARBARA GINDL
Sie führen die Ortsnamen der einstigen Außenlager sowie Mauthausen und die Entfernungen zum Aufstellungsort an.

APA/BARBARA GINDL

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Karner dankte allen, besonders den regionalen Gedenkinitiativen, „die diesen wichtigen Prozess der Sichtbarmachung des Grauens unterstützt und vorangetrieben haben“. Gerade die regionale Auseinandersetzung mit der Geschichte sei „ein tragender Pfeiler einer modernen Erinnerungskultur“, sagte er. Haberlander betonte: Das Versprechen ‚Nie wieder‘ gehöre immer wieder „erneuert und mit Leben erfüllt. Dazu verpflichtet uns die Verantwortung gegenüber den Toten und der Respekt vor den Überlebenden.“

Gedenken der Opfer „kein Blick zurück“
Leichtfried sieht in der Befreiung des KZ Mauthausen auch eine Mahnung. „Wir alle tragen die Verantwortung – nicht nur zu erinnern, sondern auch zu verteidigen, was in den letzten Jahrzehnten geschaffen wurde: eine starke Republik, eine resiliente Demokratie – für Freiheit, für Menschlichkeit, für sozialen Frieden.“ Dass das Gedenken an die NS-Opfer kein Blick zurück, sondern ein Blick nach vorne sei, hob Glück hervor. Denn es stellen sich Fragen: „Wie wollen wir als Gesellschaft miteinander leben? Welche Werte geben wir weiter? Und wie gehen wir mit der Verantwortung um, die uns die Geschichte auferlegt hat?“ Nur durch ein gemeinsames Nachdenken, „entsteht eine aktive Gedenkkultur“.
05.05.2025 red, ooe.ORF.at/Agenturen

Mauthausen: Außenlager-Stele enthüllt
 
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Flugbild Gerald Lehner
Sperre der „Todesstiege“ aufgehoben
Die seit 2018 gesperrte „Todesstiege“ in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist wieder frei zugänglich. Seit dem 1. April ist die Stiege, die das ehemalige KZ Mauthausen mit dem angrenzenden Steinbruch „Wiener Graben“ verband, für Besucherinnen und Besucher – auf eigene Gefahr – begehbar.
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Sperre der „Todesstiege“ aufgehoben
"wurde durch eine Novellierung des Denkmalschutzgesetzes ermöglicht, welche eine Stärkung der Eigenverantwortung beim Begehen von denkmalgeschützten Bereichen vorsieht."

Weiß da jemand mehr?
 

josef

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Gedenkfeiern 2025 in Mauthausen
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Gedenken an NS-Opfer in Mauthausen
Anfang Mai 1945 ist das von den Nationalsozialisten errichtete Konzentrationslager in Mauthausen (Bezirk Perg) von Soldaten der US-Armee befreit worden. Mehr als 90.000 Menschen wurden in Mauthausen und seinen Außenlagern ermordet. Bei der traditionellen Befreiungsfeier werden am Sonntag Tausende Besucher aus aller Welt erwartet.
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Delegationen zahlreicher Opfergruppen und Opfernationen werden Kränze auf dem ehemaligen Appellplatz in Mauthausen niederlegen. Die wohl prominentesten Gäste der Feierlichkeiten anlässlich des 80. Jahrestags sind der spanische König Felipe VI. und Königin Letizia.
Das offizielle Österreich wird durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen vertreten.

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Spanisches Königspaar bei KZ-Gedenken


Beginn der internationalen Befreiungsfeier ist um 11 Uhr. Sie wird vom Mauthausen Komitee Österreich veranstaltet, das die Opfer vertritt. Dass viele Gäste zu der Veranstaltung kommen, sei wichtig, sagt dessen Vorsitzender Willi Mernyi. „Viele Besucher werten die Notwendigkeit und Wichtigkeit der Befreiungsfeier auf. Zudem wird von den politischen Vertretern erwartet, dass sie sich in ihrer politischen Arbeit dafür einsetzen, dass so etwas nie wieder passiert.“

Mauthausen Komitee: Werden weiter erinnern und mahnen
Zum Motto der Feier „Gemeinsam für ein ‚Niemals wieder!‘“, zu der mehr als 10.000 Besucherinnen und Besucher erwartet werden, sagt Mernyi: „Wenn auf der Welt Frieden herrscht, wenn es keinen Rassismus und Rechtsextremismus mehr gibt, dann war es das, aber davon gehen wir nicht aus. Deswegen wir weiter erinnern, mahnen und gedenken.“

Auch der Holocaust-Überlebende Shaul Spielmann und drei Zeitzeugen, die im Konzentrationslager oder am Weg dorthin zur Welt gekommen waren, werden zu der Zeremonie erwartet.
11.05.2025, red, ooe.ORF.at

Links:
KZ Gusen: Befreiung vor 80 Jahren
Woche der Erinnerung in Steyr
Gedenken an NS-Opfer in Mauthausen
 
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