Ich habe mich hier nur deshalb registriert, um das zweite Foto der Grotte in Originalauflösung zu sehen. Mein Vorsatz war, hier nichts zu schreiben. Weil ich nicht weiß, mit wem ich über dieses Thema sonst sprechen soll, schreibe ich doch etwas.
Ich bin schon länger Mitglied beim Höhlenverein, der sich hauptsächlich mit Naturhöhlen beschäftigt, aber auch mit künstlichen Höhlen/Stollen/etc. ("K-Objekte"). Ich habe von den meisten, die wir im Kataster haben, Koordinaten ermittelt und Fotos gemacht, von jenen, wo noch kein Plan vorhanden war, einen angefertigt, und einige Objekte neu aufgenommen. Bei der Cobenzlgrotte (1917/K2) erwies sich die Lagebestimmung als schwierig.
Generell fällt mir auf, dass viele behaupten, die genaue Lage zu kennen, aber weder genaue Koordinaten angeben noch erklären, warum sie sich so sicher sind. Das ist nicht nur in diesem Forum so, sondern auch woanders im Web, und sogar im Bezirksmuseum begegnete mir so jemand.
In diese Kategorie fällt auch Joa, den ich zwar sehr schätze und dessen Behandlung hier ich nicht in Ordnung finde, der aber leider mit genauen Lageangaben geizt. Weiters die von mir ebenfalls geschätzten Robert Bouchal (ein Vereinskollege) und Marcello La Speranza, die sehr schöne Bücher herausgebracht haben, aber unter Forschung was anderes verstehen als ich. Das fängt wieder damit an, dass sie die genaue Lage der meisten Objekte geheimhalten und auch ihre sonstige Dokumentation (z.B. Messdaten, Pläne im Originalformat) nicht weitergeben. Die Videos von beiden sind mit schauriger Musik hinterlegt und tragen reißerische Titel. Fragen, die ich Robert per Mail stelle, beantwortet er nicht.
Ganz verblüfft war ich, als ich über eine Google-Suche, die mir früher wenig Brauchbares geliefert hatte, auf der Website von Wolfgang Schulz eine Serie von Plänen des Gebiets fand, die unterschiedliche Zeitabschnitte zeigen und in denen die Grotte genau eingezeichnet ist. In den Plänen sind auch Wege usw. eingezeichnet, die längst nicht mehr existieren. Wer so detaillierte Geschichtskarten zeichnet, von dem nehme ich an, dass er ebenso genau recherchiert hat. Als ich ihm ein langes Mail schrieb, ging er in seiner Antwort aber auf keine Details ein, sondern forderte mich nur auf, ihn zu besuchen (in seiner Wohnung?).
Der Artikel im Döblinger Extrablatt Nr. 27, auf den in Beitrag #161 hingewiesen wurde, erklärt offenbar, wie Schulz zu dieser Lageangabe kam. Nämlich durch die Aussagen von Joachim Hitzigrath. Nun sind aber im Artikel die selben 2 Fotos abgebildet, die auch hier im Forum schon gezeigt wurden, und die Fotos widersprechen dem "entsprechend den genauen Angaben des Zeitzeugen Joachim Hitzigrath" angefertigten und am Titelblatt abgebildeten (gezeichneten) Modell: Das Modell zeigt die Grotte in der Talsohle, mit dem Bach aus dem unteren Eingang herausströmend, während die Fotos einen Gratrücken zeigen, ohne Bach. Die Fotos zeigen mehrere, schräg gegeneinander versetzte Eingänge, das Modell nur 2, übereinander liegende. Das Modell zeigt eine lange, hohe Mauer, die Fotos zwei kurze, gestaffelte Mauern. Die letzteren Unterschiede können einer ungenauen Erinnerung oder einem Kommunikationsdefizit zwischen Zeitzeuge und Modellbauer geschuldet sein, der erste Unterschied lässt aber mit Sicherheit ausschließen, dass es sich um das selbe Objekt handelt.
D.h. entweder stimmt die Beschreibung im Döblinger Extrablatt, also von Schulz, überhaupt nicht (und dann hat auch seine Lageangabe keinen Wert), oder die Fotos stimmen nicht, oder es gab in dem Gebiet 2 verschiedene Objekte (wofür sprechen würde, dass alte Landkarten Grotten an verschiedenen Stellen zeigen). Vielleicht war Hitzigraths Grotte einfach nur eine Brücke? Die Schlossbesitzer und ihre Gäste werden wohl kaum durch den Bach gewatet sein. So steinerne Brücken können Jahrtausende überdauern (siehe Römerbrücken). Allerdings spricht gegen eine Brücke, dass im Modell die Mauer zur Mitte hin stark ansteigt und das Verhältnis zwischen Brückenhöhe und Durchlasshöhe ungewöhnlich groß ist.
Was die 2 Fotos angeht, fasse ich zusammen:
Das eine liegt in der Nationalbibliothek (
http://data.onb.ac.at/rec/baa1921814), die als Titel "Wien 19, Cobenzl" angibt, als Beschreibung "Grotte im Park des Schlosses. Aufnahme von A. Scheda." und als Jahr 1927.
Das andere ist laut #134 "ein Zufallsfund auf Facebook". Laut Döblinger Extrablatt ist es aus 1907 und wurde von Speranza "zufällig in der Österreichischen Nationalbibliothek entdeckt". Wie man dort zufällig ein Bild entdecken kann (unter dem Tisch?), ist mir ein Rätsel, aber ich sehe keinen Grund, an Speranzas Jahresangabe zu zweifeln. Der Facebookfund wird direkt oder indirekt von Speranza kopiert worden sein. Ich finde das Foto weder auf Facebook noch in der Onlinesuche der ÖNB.
Die Fotos zeigen offensichtlich das selbe Objekt. Komisch ist aber, dass im Extrablatt die Fotos spiegelverkehrt sind im Vergleich zur Website der ÖNB und zum Facebookfund. Ich nehme mal an, dass der Datenbestand der ÖNB näher am Original liegt als der Schulz-Artikel. Ich kann kaum glauben, dass Schulz nur aus Versehen die Fotos gespiegelt hat. Aber dass er es mit Absicht gemacht hat, kann ich noch weniger glauben. Selbst wenn das Original seitenverkehrt war, hätte Schulz das unmöglich wissen können.
Welche Fotos richtig und welche seitenverkehrt sind, ist wichtig für die Lagebestimmung. Am Foto aus 1907, Version Speranza/ÖNB, kommt das Licht von rechts. Der Graben verläuft WNW-OSO (überwiegend) bis NNW-SSO. Das spricht für eine Lage an der orografisch linken Grabenflanke, also
gegenüber vom Schloss.